Elektroautos sind ja schön und gut. Doch sind wir einmal ehrlich: Eine Sache fehlt den Teslas, VW.IDs oder Nios – die Seele. Nichts ist vergleichbar mit dem Flair eines Oldtimers, sei es der vertraute Geruch des Leders mit den ersten Rissen, das Gefühl, den Lenkradkranz in der Hand zu halten und das Schimmern des Lacks im Sonnenlicht. Nicht so perfekt wie bei den modernen Autos, doch mit einer Geschichte von vielen tausend Kilometern. Jeder, der auch nur einen Tropfen Benzin im Blut hat, kann verstehen, dass man diese Asphaltveteranen in die elektrische Zukunft mitnehmen will.

Genau das haben sich die Macher von Monceau Electric Automobiles vorgenommen und dafür eine Lösung gefunden: Man entfernt den alten Verbrennungsmotor und ersetzt diesen durch einen elektrischen Antriebsstrang. Klingt einfach und ist doch so schwer umzusetzen. Da ist es schon mal hilfreich, wenn man sich auf eine Handvoll Modelle spezialisiert.

Akku statt Achtzylinder 
Der Mecedes SL der Baureihe R107 kam 1971 auf den Markt und wurde mit leichten Veränderungen bis 1989 gebaut. Für den Vortrieb sorgten damals Reihensechszylinder und Achtzylinder-Motoren mit bis zu 180 kW Leistung. Die werden bei Monceau entnommen und durch einen 147 kW starken Elektromotor sowie einen 52 oder 56 kWh großen Akku ersetzt.
Akku statt Achtzylinder
Der Mercedes SL der Baureihe R107 kam 1971 auf den Markt und wurde mit leichten Veränderungen bis 1989 gebaut. Für den Vortrieb sorgten damals Reihensechszylinder und Achtzylinder-Motoren mit bis zu 180 kW Leistung. Die werden bei Monceau entnommen und durch einen 147 kW starken Elektromotor sowie einen 52 oder 56 kWh großen Akku ersetzt.

Das Unternehmen aus Hasselt, gegründet vom Oldtimer-Enthusiasten Roel Pollen, dem Ingenieur Klaas De Craemer und dem Investor Tom Van de Cruys, setzt ausschließlich klassische Sterne unter Strom. Also Autos wie der Mercedes SL und SLC (R107 und C107), das Mercedes SE Cabrio sowie das SE Coupé der Baureihe W111. Traumhafte Autos. Das SE Coupé ist wohl das schönste seiner Art, das jemals die Werkshallen in Sindelfingen verlassen hat. Und die Mercedes-Designer hatten bei dieser Fahrzeuggattung schon immer ein glückliches Händchen.

Alles andere als Stangenware

Die Besitzer dieser rollenden Kostbarkeiten sind dementsprechend kritisch. Also nutzen die Tüftler 3D-Druck und CAD-Design, um die Bauteile perfekt an das jeweilige Auto anzupassen. Außerdem schreiben sie die Software für die Steuergeräte selbst und nutzen nur neue Teile von renommierten Zulieferern. Also keine Tesla-Triebwerke.

Von wegen altes Eisen
Das Mercedes-Coupe der Baureihe W111 debütierte 1961 und wurde bis 1979 gebaut. Rund 29.000 Exemplar entstanden, viele davon sind heute noch als Oldtimer mit einem H-Kennzeichnen unterwegs. Monceau

„Wenn die passende Komponente nicht verfügbar ist, entwickeln wir sie eigenständig, wie beispielsweise kundenspezifische Halterungen, Gehäuse und Stützen“, heißt es bei Monceau Electric Automobiles. Die Belgier legen Wert darauf, dass ihre Autos keine Elektro-Stangenware sind, denen lediglich ein klassischer Hut aufgesetzt wird.

Preise auf 229.000 Euro

Allerdings hat diese Transformation auch ihren Preis. Der Monceau eSL (R107) kostet mindestens 229.000 Euro und der Monceau eSE Coupé (W111) 349.00 Euro. Die Steuern kommen hier wie da noch obendrauf. Zudem muss man zwölf bis 18 Monate warten, bis der Umbau vollendet ist.

Ladeport statt Tankstutzen
Man muss schon genau hinschauen, um die Verwandlung des Oldtimers in ein Elektroauto zu erkennen. Die Belgien geben sich große Mühe bis ins Detail, um die historischen Fahrzeuge weitmöglichst in ihrer Originalität zu erhalten.

Als Antrieb kommt ein Permanentmagnet-Axialflussmotor mit 147 kW oder 200 PS Leistung und einem Drehmoment von 600 Newtonmetern zum Einsatz. Die Techniker haben sich für dieses Konzept aufgrund der hohen Leistungsdichte und des geringen Gewichts des Aggregats entschieden. Den Fahrleistungen des Klassikers tut das ohnehin keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil.

In 8,5 Sekunde auf Tempo 100

Als Stromer erreicht das SE Coupé schon nach 8,5 Sekunden Landstraßentempo und ist bis zu 160 km/h schnell. Damit liegt die Elektromaschine auf dem Niveau des klassischen Mercedes 280 SE 3.5 Coupé mit V8-Motor. Und die Beschleunigung des 1,6 Tonnen schweren Sportcoupé auf Tempo 100 geht sogar noch schneller vonstatten. Einen solchen Klassiker mühelos, emissionsfrei und obendrein wartungsarm zu bewegen, klingt verlockend.

Einer für alle
Der von Monceau entwickelte Antriebsstrang wird sowohl für die Mercedes-Benz R/C107- als auch für die W111-Plattform eingesetzt. Fotos: Monceau/Noortje-Blokland
Einer für alle
Der von Monceau entwickelte Antriebsstrang wird sowohl für die Mercedes-Benz R/C107- als auch für die W111-Plattform eingesetzt. Fotos: Monceau/Noortje-Blokland

Die Akkus sind zweigeteilt: Sie sitzen im Heck anstelle des Benzintanks (bei den R/C107 eSL- / eSLC-Modellen) oder im Kofferraum beim W111 eSE sowie vorne im Motorraum. Die Lithium-Ionen-Batterien haben eine Kapazität von 52 Kilowattstunden, auf Wunsch speichert der Akku 56 kWh Strom. Damit kommt der elektrifizierte Klassiker dann 250 bis 320 Kilometer weit. Das ist mehr als ausreichend für Oldtimer-Ausfahrten. Mit so einem Auto will man Spaß haben, nicht Kilometer fressen.

So viele Originalteile wie möglich

Das Batteriemanagement haben die Belgier gemeinsam mit TeKshift entwickelt. Es sorgt dafür, dass sich die sensiblen Akkus stets in einer Wohlfühloase befinden. Geladen wird mit bis zu 80 kW. „Wer eines unserer Autos fährt, hat weiterhin das Erlebnis, einen klassischen Oldtimer zu fahren“, sagen die Belgier.

Dazu gehört auch das Fahrwerk, bei dem so viele Originalelemente wie möglich erhalten bleiben. Aufgrund der veränderten Gewichtsverteilung und der zusätzlichen Elektropfunde kommen Koni-Stoßdämpfer zum Einsatz. Dennoch werden die technischen Möglichkeiten dieser Technologie genutzt. Je nach Modell wird auch eine Rekuperations-Bremse eingebaut.

Mit Patina, aber ohne Stern
Der Innenraum der Oldtimer – hier ein alter SL – wird restauriert, aber nicht verändert. Der Ladestand des Akkus wird in der alten Benzinuhr angezeigt, die Schaltung erhalten – auch wenn nur noch ein Gang zur Verfügung steht.

Viele dieser Teile sind von außen kaum zu sehen. Zudem bietet Monceau Electric Automobiles auch die Restaurierung eines vorhandenen Oldtimers an. Entscheidend sind die Berührungspunkte mit dem Menschen und da vor allem der Innenraum. Wenn einem in einem SL der Baureihe R107 ein 15-Zoll-Tablet entgegenstrahlt, mag das zwar zum modernen Antriebsstrang passen, würde aber das Flair des Wagens zunichte machen. Das fängt bei den Instrumenten an und hört beim Radio auf.

Mit Leder und Holzfurnier

Auch wenn die Technik digital ist, versuchen die Techniker das analoge Look and Feel der Anzeigen zu erhalten. So wird zum Beispiel der Ladezustand der Batterie wie bei einer klassischen Tankuhr angezeigt. Das Radio hat die Optik eines klassischen Becker-Modells, bietet aber Bluetooth, Streaming und eine Freisprecheinrichtung. Passend dazu wird der Innenraum auf Wunsch komplett neu gestaltet und mit edlen Materialien ausgestattet. Leder für Sitze und Verkleidungen und bei Bedarf natürlich auch Holzfurnier.

Damit ist der Tatendrang der findigen Belgier noch lange nicht gestillt. Schon bald sollen weitere Mercedes-Klassiker elektrifiziert werden. Modelle wie der Mercedes-Benz SL W113, der Mercedes-Benz 190 SL (W121 II), Mercedes-Benz SEL (W108 und W109), der Ponton (W180) und der Mercedes-Benz 600 (W100) finden sicher viele Fans. Jäger werden sicher auch dem elektrischen G-Klasse Cabrio der Baureihe W461/463 entgegenfiebern – Schleichfahrten durchs Revier sind damit möglich.

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