Die Zahl der Fabriken in Europa, die Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos fertigen, soll in den nächsten Jahren von heute sechs auf 21 steigen. Möglicherweise aber sind die Milliardensummen, die die Unternehmen dafür ausgeben, Fehlinvestitionen. Denn noch in diesem Monat soll in Großbritannien und China die Produktion von Zellen für so genannte Natrium-Ionen-Akkus starten, die ähnliche Leistungswerte aufweisen, aber deutlich preiswerter herzustellen sind. In Europa ist es das britischen Unternehmen AMTE Power, das eine Lizenz des ebenfalls britischen Entwicklers Faradion erworben hat, in China CATL, das unter anderem den kalifornischen Autohersteller Tesla mit Lithium-Ionen-Batterien versorgt und ab Mitte 2022 Batterien auch in Erfurt produziert.

Der Materialwechsel liegt nahe, weil Lithium knapp zu werden droht – der Preis hat sich seit Anfang 2020 bereits verdoppelt. Natrium hingegen steht etwa in Form von Kochsalz (Natriumchlorid) in gewaltigen Mengen zur Verfügung. Auch das seltene Kobalt wird für den neuen Akkutyp nicht mehr benötigt – ebenso wenig Kupfer. Auch bei diesem Rohstoff sind die Preise wegen der großen Nachfrage in der Elektroindustrie stark gestiegen. Was aber vielleicht noch wichtiger ist: Natrium-Ionen-Akkus können weder brennen noch explodieren. Und sie lassen sich in kürzester Zeit wieder aufladen, Faradion spricht von 15 Minuten. Obendrein sind die Zellen des neuen Typs deutlich unempfindlicher gegen große Kälte.

Leistungsfähigere Alternative zu LFP-Akkus

Das dieser Akku erst jetzt industriell hergestellt wird, liegt unter anderem auch daran, dass es lange nicht gelang, Speicherkapazität und Energiedichte auf das Niveau von Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP) anzuheben, die immer häufiger in Elektroautos eingesetzt werden, weil sie weniger feuergefährlich sind und nicht explodieren. An die Leistungsfähigkeit von Lithium-Ionen-Akkus kommen die preiswerten LFPs jedoch nicht heran.

Nach einer Viertelstunde wieder voll
Faradion hat einen Natrium-Ionen-Akku entwickelt, der ohne Lithium auskommt, deutlich preiswerter, aber genau leistungsfähig ist wie die bekannte Lithium-Ionen-Batterie, die in den meisten Elektroautos den Strom speichert. Foto: Faradion

Natrium-Ionen-Akkus könnten die Lücke schließen. Faradion ist es nach eigenen Worten in zehnjähriger Entwicklungsarbeit gelungen, Natrium-Ionen-Zellen mit ausreichend guten Werten herzustellen, CATL wohl auch. Allerdings halten sich die Chinesen mit genauen technischen Daten noch zurück. Die Faradion-Batterie übersteht nach Angaben des Herstellers bis zu 1000 Lade- und Entladezyklen, wenn sie stets vollgeladen wird. Begnügt man sich mit 80 Prozent der Kapazität sollen sogar 3000 Ladezyklen drin sein.

Mehr Kapazität gleich mehr Reichweite - mit Hochdruck arbeiten Forscher in Europa und Kanada an besseren Batterien für Elektroautos. Die einen wollen Festkörper-Akkus marktreif machen, andere optimieren die etablierten flüssigen Lithiumionen-Zellen. Mit dabei: Toyota und Tesla. Energiespeicher

Lange setzten Elektroautohersteller ausschließlich auf Lithium-Ionen-Akkus, trotz ihrer Schwächen, was Sicherheit und Nachhaltigkeit anbetrifft. Erst seit Tesla sich bei seinem Model 3 für die LFP-Technik entschied, zogen andere Autohersteller nach, darunter Ford und Volkswagen. Die Stromspeicher lassen sich außer in Autos auch als Puffer für auf dem eigenen Dach produzierten Solarstrom einsetzen.

Produktion in Großbritannien soll schon 2022 anlaufen

AMTE will ab 2022 jährlich Batterien mit einer Gesamtkapazität von 50 Megawattstunden produzieren. Das ist erst einmal wenig im Vergleich zu den Gigafabriken, die bis zu 100 Mal mehr herstellen. CATL nennt vorerst noch keine Zahlen.

In der nächsten Stufe könnten aber sicher auch Gigafabriken für Natrium-Ionen-Batterien gebaut werden. Dafür müssten Fabriken, die heute noch für die LEP-Technik ausgelegt sind, leicht umgerüstet werden. Denn die Produktionstechnik ist für beide Batterietypen prinzipiell identisch: Beide nutzen Metallfolien als Träger der Elektroden (Kathode und Anode). Bei Natrium-Ionen-Batterien ist es in beiden Fällen Aluminium, bei LFP sind es Aluminium- und Kupferfolien. Das ist ein weiterer Punkt für die Faradion-Technik, denn Kupfer ist teurer und obendrein schwerer als Aluminium. Die Anode besteht bei den Faradion-Zellen aus festem Kohlenstoff, der aus Biomasse hergestellt werden kann. Sie wurde ursprünglich für kälteresistente Lithium-Ionen-Akkus entwickelt, denn sie ermöglicht den Einsatz von Elektrolyten, die sich erst bei einer Temperatur von minus 48 Grad Celsius verfestigen und dann nicht mehr leiten.

Bei der Kathode gibt es grundlegende Unterschiede. Im LFP-Fall besteht sie aus Lithium-Eisenphosphat, bei Faradion ist es Natrium-Nickel-Mangan-Titan-Magnesium-Oxid. Nickel sehen die Entwickler noch kritisch, ist es doch das teuerste der fünf Metalle. Damit gibt es im Vergleich zu Lithium in dem Punkt keinen Kostenvorteil. Bei weiter steigenden Lithium-Preisen könnte sich das allerdings: Der billigere Elektrolyt und der Verzicht auf Kupfer senken die Herstellungskosten unter die von LFP.

Zudem ist die Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen. An Lithium-Speichern wird seit 40 Jahren gearbeitet, an der Natrium-Ionen-Batterie noch nicht einmal halb so lange.

Artikel teilen

2 Kommentare

  1. Joe Blue

    Es heisst LFP!!!!! Nicht LEP

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Korrekt

      Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert