Schon sehr lange baut Volvo nachhaltige Fahrzeuge, aber ein vollelektrisches Serienmodell hatten sie lange Zeit nicht zu bieten. Mit dem neuen XC40 Recharge präsentieren sie ihr erstes BEV – gebaut in Belgien und basierend auf der modularen CMA Plattform, welche auch vom Schwestermodell Polestar 2 genutzt wird. Das eine Modell ist ein Kompakt-SUV, das andere eine klassiche Stufenheck-Limousine. Ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen verbietet sich eigentlich. Wir wollen es trotzdem einmal wagen – unter der Fragestellung:

Optisch ist direkt klar mit welcher Gattung wir hier zu tun haben: einem Fließheck und einem SUV. Der Polestar zeigt sich betont sportlich in der Performance-Version, dafür der Volvo in der Twin-Pro-Ausstattung zurückhaltender. Letzterer ist 20 Zentimeter höher, aber auch 20 Zentimeter kürzer – auch deshalb wirken die optionalen 20-Zoll-Räder am Volvo optisch viel kräftiger. Das Layout sorgt beim XC40 auch für einen bequemeren Ein- und Ausstieg.  

Polestar kommt deutlich sportlicher daher

Im Innenraum ist die gemeinsame Basis nicht erkennbar, außer vielleicht bei den ergonomisch perfekt geformten, superbequemen Vordersitzen. Schnell hat man in den beiden Fahrzeugen seine Sitz-, Spiegel- und Lenkradeinstellungen gefunden. Vorne bieten beide Fahrzeuge sehr viel Platz, wobei die Mittelkonsole im Polestar deutlich höher und breiter aufgebaut ist. Auch sitzt man dort wesentlich tiefer und somit ist die Rundumübersicht weniger gut. Hinten bietet der XC40 deutlich mehr Platz und es können auch längere Personen bequem sitzen. Da muss der Polestar mit seiner tiefer gezogenen Dachlinie passen. Die Kofferräume sind fast gleich groß: 405 -1095 Liter passen in den Polestar 2, 414 -1290 Liter in das Heckabteil des XC40. Ausreichend für diese Klasse! Ganz vorne bieten beide trotz langer Hauben leider nur einen winzigen Stauraum – Frunk – für das serienmäßige Typ2-Ladekabel.

Volvo XC40 Recharge an der Ladesäule
Der Schweden-Stromer aus Belgien – produziert wird er in Gent – macht auch an der Schnellladesäule der EnBW eine gute Figur.

Verarbeitung und Materialauswahl sind in beiden Autos auf Premiumlevel. Gepaart mit einem Schuss Skandinavian Design sorgt dies für eine Wohlfühlatmosphäre. Im Polestar sind vegane Materialien (Weavetech Textilie) für die Sitzpolsterung verwendet, optional ist auch perforiertes Vollleder erhältlich. Der Volvo ist mit einer schönen Nubuk Textil/Teil-Nappaleder-Polsterung ausgestattet. Angenehm ist auch das Panorama-Glasdach im Polestar 2 – mehr aber noch das optionale Glasschiebedach im XC40. Ebenso wie die hochwertige Harman-Kardon-Soundanlage, über die beide Fahrzeuge verfügten.

Die Volvo-Schwestermarke hat ihr erstes vollelektrisches Auto vorgestellt. In vielen Aspekten orientiert sich dieses am Bestseller von Tesla. Gelingt das Überholmanöver? Elektroauto

Sowohl Volvo als auch Polestar nutzen Google Android für ihr Multimedia-System und das ist momentan wirklich das Beste auf dem Markt. Der mittlere, größere Bildschirm und auch die Menuesteuerung sind im Polestar sogar noch einen Tick besser. Besonders die Sprachsteuerung von beiden Fahrzeugen ist klasse, schnell und präzise. Software-Updates werden bequem OTA (over the air) durchgeführt. Die Polestar- und Volvo-Cars- App haben wir nicht getestet, welche übliche Funktionen wie Vorkonditionierung und Ladeüberwachung bieten.  

Sensor im Sitz erkennt den Fahrer automatisch

Zum Losfahren braucht man nur die Bremse treten und den entsprechenden Gang wählen – das Auto erkennt über einen Sensor im Sitz, dass der Fahrer samt Schlüssel an Bord ist. Sehr praktisch! Mit insgesamt 300 kW Leistung und 660 Nm Drehmoment reißen die beide Permanentsynchronmotoren von Valeo-Siemens gewaltig an den Antriebswellen und laden vor allem beim sportlich abgestimmten PS2 zu Beschleunigungsorgien ein. Mit seinem einstellbaren Öhlins-Fahrwerk (Option) liegt er satt auf der Straße und lässt sich nur mit Vehemenz aus der Reserve locken. Im Menu kann man sogar die Lenkradkräfte in drei Stufen einstellen.

Überaschenderweise ist der mit 2,2 Tonnen gleich schwere XC40 kaum langsamer, aber dafür etwas bequemer unterwegs. Einstellen lässt sich hier aber nichts. Volvo behauptet, deren Kunden würden dies sowieso kaum nutzen. Und um die Hackordnung weiter klar zu machen, darf der Polestar bis 205 km/h rennen, der XC40 hingegen wird bereits bei 180 km/h abgeriegelt.

Polestar 2 in Fahrt
Der Schweden-Stromer aus China – produziert im Geely-Werk Luqiao – rennt bis zu 205 km/h schnell. Der Volvo wird aus Sicherheits- und Umweltgründen bereits bei einer Geschwindigkeit von 180 km/h abgeregelt. Foto: Kaizer

Beide bremsen souverän und mit einer guten Dosierbarkeit. Die serienmäßig verbaute Brembo-Anlage im Polestar2 Performance bietet noch mehr Reserve in Extremsituationen, zum Beispiel beim Hängerziehen in den Alpen. Beide dürfen mit bis zu 1500 kg gebremsten Anhängelast fahren. Das ist ein guter Wert, über den sich Fans von Wohnwagen und Sportbooten freuen dürften. Die Sicherheitsausstattung der beiden Schweden ist wie üblich sehr umfangreich und umfasst eigentlich alle verfügbaren Fahrassistenten von Totwinkel-Überwachung bis zu einer 360-Grad-Birdviewkamera. Einfach top!

Reichweiten im Alltag von etwas mehr als 300 Kilometern

Kommen wir zur Königsdisziplin der beiden Stromer: Reichweite, Verbrauch und Ladeleistung. Mit dem gleichen, übrigens 499 Kilogramm schweren Akku mit einer Speicherkapazität von brutto 78 kWh (netto 75 kWh) verspricht Volvo 418 km Reichweite nach der Verbrauchsnorm WLTP. Der Polestar kommt sogar 480 Kilometer weit – auf dem Papier. In der Praxis und während der Testfahrt pendelte sich der Stromverbrauch bei Werten zwischen 22 – 25 kWh /100 km ein. Die Reichweiten schrumpften darüber auf Werte um die 300 Kilometer. Höhere Verbräuche sind ebenso möglich wie deutlich niedrigere – je nach Außentemperatur, vor allem aber nach Temperament des Fahrers. Wichtig für den Winter: Der Volvo XC40 hat eine Wärmepumpe serienmäßig an Bord, beim Polestar ist die Teil des aufpreispflichtigen Plus-Pakets. Auch gut: Die Rekuperation ist einstellbar in zwei Stufen und ermöglicht einfaches One-Pedal-Driving, also das Fahren (fast) ohne Betätigung des Bremspedals.

Ladekurven im Vergleich
An der DC-Schnellladesäule nehmen sich die beiden Elektroautos nichts – aufgeführt ist hier exemplarisch nur der Polestar 2. Die maximale Ladeleistung liegt bis einem SoC von 45 Prozent an – danach fällt sie deutlich ab. Foto: P3

An der Schnellladesäule wird Gleichstrom (DC) mit bis zu 150 kW und an der Wallbox Wechselstrom (AC) mit bis zu 11 kW geladen. Die Ladekurve (oben) zeigt für Ladestände zwischen 10 und 80 Prozent eine durchschnittliche Ladeleistung von 98 kW – knapp unter den Werten des Tesla-Model 3 oder auch des VW ID.4.

Das Fazit?  Beide sind gelungene Elektroautos – jedes auf seine Art. Der Polestar ist viel sportlicher  ausgelegt und bietet auch mehr Fahrspaß, dafür muss man Komfort und Raum opfern. Für etwa das gleiche Geld bekommt man mit dem XC40 Recharge ein sehr angenehmes SUV, welches deutlich mehr Raum und Komfort bietet. Preislich ist der Unterschied jedenfalls nicht groß: Der Polestar kostet in der Testversion 65.500 Euro, der Volvo mit 67.950 Euro nur ein wenig mehr. Davon geht der Umweltbonus in Höhe von 7.500 Euro ab. Der persönliche Geschmack muss also entscheiden.

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3 Kommentare

  1. Marc

    Was für ein typisches Gehate… Android Spion? Mal gesehen, was die Autohersteller an Daten abgreifen?

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  2. Rüdiger Göttel

    Was ich bei solchen Reviews nicht verstehe, wenn das Design bewertet wird .Das kann jeder sehen und jeder hat hier sienen eigenen Geschmack. Ist also iemlich überflüssig.

    Auch überflüssig ist der Vergleich von den unterschiedlichen Modellen beim Polestar.

    Von der Performancevariante mal abgesehen, die direkt auf den Verbrauch und die Reichweite drückt, macht der Polestar übrigens gerade mal 160kmh max. Für das sportliche Erscheinen ist das genauso lächerlich, wie ein SUV in der Großstadt.

    Weitere Punkte: Die Winterreifen (bei dem Fahrzeuggewicht wohl besser direkt von Polestar mitzubestellen), haben einen Preis auf Porscheniveau.

    Von Okt- März haben wir immerhin ein halbes Jahr, in dem reine Sommerreifen eher ungeeignet sind. Beim Volvo wird auf Ganzjahresreifen gebaut, deutlich kundenfreundlicher.

    Warum die Reichweite vom Volvo soviel schlechter ist als beim Polestar ist auch fraglich. Dafür verzichtet er gleich auf eine Reichweitenanzeige. Das ist unbefriedigend, denn nicht immer ist eine freie Ladesäule verfügbar oder funktionsfähig. Schon mal mit einem Elektroauto an einer nicht tfunktionierenden Säule gestanden?
    Da ist die Reichweite der Polestarversion mit der max. Range deutlich besser, wenn man nicht nur in der Stadt fährt.

    Lieferzeit: Ein Punkt, der erwähnt werden sollte, aber immer komplett unterschlagen wird: Volvo derzeit mind. 8 Monate, Polestar ca. 2 Monate.
    Früher haben wir über die Liefer und Bestellzeiten beim Trabi in Ostdeutschland gelacht und die Marktwirtschaft gelobt….

    Da viele ein Elektroauto in diesen Klassen übrigens eher als Firmenwagen auf Leasingbasis nutzen, ist neben dem Listenpreis (0,25% geldwerter Vorteil), auch interessant, das in der Regel die gängige Leasingrate für den Volvo meist deutlich unterhalb der des Polestars liegt. Und dies bei vergleichbarem Listenpreis. Ein Mysterium.

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  3. ManfredO

    Der eine aus China, aber ein PKW
    Der andere aus der EU, aber ein SUV
    Und dann noch Android SPion im Auto
    Das sind verpasste Chancen

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