Die europäische Autoindustrie blickt mit Bangen auf das Jahr 2025 und die neuen CO2-Flottenziele der Europäischen Union. Denn werden die strengeren Klimaziele verfehlt, drohen den Fahrzeugherstellern Milliardenstrafen. Verbunden wäre dies nicht nur mit Wettbewerbsnachteilen. Die Strafzahlungen würden auch die Mittel für Investitionen in Forschung und Entwicklung massiv beschneiden, warnte jetzt erneut Renault-Chef Luca de Meo in seiner Funktion als Präsident des Europäischen Herstellerverbandes ACEA, dem die 16 größten Pkw- und Lkw-Hersteller der EU angehören.
Die Automobilindustrie, heißt es in dem Schreiben des ACEA an die von Ursula von der Leyen (CDU) geleitete EU-Kommission, unterstütze weiterhin das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 und den Übergang zu emissionsfreier Mobilität. Doch die neuen CO2-Grenzwerte, die 2025 gelten, setzten die Hersteller massiv unter Druck – zumal viele Punkte noch offen seien. „Ohne klare politische Vorgaben der EU-Kommission bis Ende 2024 riskieren wir, bis zu 16 Milliarden Euro an Investitionskapazität zu verlieren. Optionen wie Strafzahlungen, Produktionskürzungen oder verlustbringender Verkauf von Elektrofahrzeugen stehen dann im Raum.“
Markt versus Regulierung: Die aktuelle Herausforderung
Im Gegensatz zu früheren Jahren reichen nach Ansicht des Renault-Chefs regulatorische Ziele und ein breites Fahrzeugangebot nicht mehr aus. Die Transformation hin zu emissionsfreier Mobilität erfordere auch eine stärkere Marktnachfrage. Doch genau hier hake es: Der Marktanteil von Elektrofahrzeugen stagniere derzeit europaweit bei etwa 13 Prozent – zehn Prozentpunkte unter den für die Erreichung der Flottenziele notwendigen Werten.
Im Namen der ACEA fordert de Meo deshalb eine umgehende politische Unterstützungserklärung der EU, um die Compliance-Strategien der Hersteller rechtzeitig finalisieren zu können. Dies umfasst unter anderem Pooling-Vereinbarungen und finanzielle Rückstellungen für das Jahr 2025.
Flexibilität statt Strafen
Strafzahlungen sollten die Ausnahme bleiben, nicht zur Regel werden, betont de Meo. Die europäischen Automobilhersteller hätten bereits 250 Milliarden Euro in die grüne Mobilitätswende investiert. Doch der aktuelle Übergang verlaufe nun nicht wie geplant.
Mögliche Lösungen liegen seiner Ansicht nach in einer größeren rechtlichen Flexibilität, ohne dabei die Klimaziele der EU zu verwässern. Helfen würde beispielsweise die schrittweise Einführung der Grenzwerte oder eine Berechnung über mehrjährige Durchschnittswerte. Solche Ansätze seien in anderen Bereichen, etwa bei schweren Fahrzeugen wie Lkw und Bussen, bereits gängige Praxis.
Externe Faktoren erschweren die Umsetzung
Zu den Herausforderungen, die außerhalb der Kontrolle der Hersteller liegen, zählt der ACEA-Präsident:
- Steigende Herstellungskosten: Durch steigende Rohstoffpreise und Inflation.
- Schleppender Ausbau der Ladeinfrastruktur: Die Zahl der Ladestationen halte nicht mit dem Marktwachstum Schritt.
- Rückläufige Subventionen: Viele europäische Regierungen reduzierten derzeit ihre Förderprogramme.
- Handelsspannungen: Globale wirtschaftliche Unsicherheiten belasteten die Lieferketten.
Die europäischen Autohersteller stehen nach Ansicht der ACEA vor einem kritischen Wendepunkt. Ohne politische Klarheit drohe ein Milliardenverlust, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und tausende Arbeitsplätze gefährdet. Eine flexible, marktorientierte Umsetzung der CO2-Regeln ist der Schlüssel, um den grünen Wandel voranzutreiben und zugleich die wirtschaftliche Stabilität Europas zu sichern.
Unterstützung von deutschen Ministerpräsidenten
Die Forderungen des Verbands der europäischen Automobilhersteller (ACEA) nach einer Lockerung der ab 2025 geplanten CO₂-Flottengrenzwerte finden insbesondere in Deutschland Unterstützung. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen – Markus Söder (CSU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Stephan Weil (SPD) – haben kürzlich in einem gemeinsamen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefordert, die für 2025 geplanten CO₂-Flottengrenzwerte und die darauf basierenden Strafen für Autohersteller auszusetzen. Sie argumentieren wie der ACEA, dass diese Strafen die Liquidität der Hersteller stark beeinträchtigen und deren Investitionen in die Transformation zur Elektromobilität behindern könnten.
Allerdings gibt es auch Gegenstimmen. Umweltorganisationen wie Greenpeace warnen davor, auf CO₂-Strafen für Autobauer zu verzichten, da dies den Druck zur Reduktion von Emissionen mindern könnte.