Günther Schuh ist nicht nur in Aachen und an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) ein bekannter Mann. Er war 2009 einer der Väter des Elektro-Transporters Streetscooter, der von der Deutschen Post gekauft wurde und bis heute zur Auslieferung von Paketen genutzt wird. 2016 entwickelte der rührige Professor mit dem e.Go Life einen elektrischen Kleinwagen, der dem emissionsfreien Autoverkehr in der Stadt einen kräftigen Schub verleihen sollte.

Beide Projekte waren allerdings nur mäßig erfolgreich: Die Deutsche Post, die den Streetscooter-Hersteller 2014 gekauft hatte, veräußerte das Tochterunternehmen 2022 an die Odin-Holding, die unter dem Namen stieg B-ON mit dem Transporter nun in Aachen einen Neustart versucht. Und e.Go Mobile musste zwei Jahre nach dem Produktionsstart Insolvenz anmelden. Schuh in beiden Fällen aus. Im Juni 2021 verließ das Unternehmen, das mit einem neuen Investor, neuer Mannschaft und unter dem Namen Next e.Go Mobile zurück auf den Markt gebracht wurde.

Neuanlauf mit „Meta“ und „Space“

Die Rückschläge und Niederlagen haben den Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen jedoch nicht entmutig. Im Gegenteil. Er nimmt nun noch einmal Anlauf, die Autoindustrie zumindest ein wenig zu revolutionieren. Diesmal mit „Meta“, einem batterieelektrischen Kleinbus für den Personennahverkehr mit einem 40 kWh-Akku an Bord. Und mit „Space“, einem fast fünf Meter langen Wasserstoff-elektrischen Siebensitzer für wohlhabende Großfamilien.

Beide Fahrzeuge sind in ihrer Art natürlich einzigartig. Versprochen wird jeweils eine Reichweite von 450 Kilometern. Nur auf unterschiedliche Weise. Ist beim „Space“ der Akku leer, geht es entweder an eine Ladestation oder eine Wasserstoff-Tankstelle. Denn der bullige Wagen ist außer mit Batterien, die ihn 200 Kilometer weit tragen, mit einem Generator ausgestattet, der von einem Wasserstoffmotor angetrieben wird und die Batterien bei Bedarf lädt. Einen solchen Hybridantrieb gab es bislang noch nicht. Der Wasserstoff wird in 700 bar-Tanks im Fahrzeugboden gespeichert. Die sind mit Wasserstoff ebenso schnell gefüllt wie der Tank eines Verbrenners mit Benzin oder Diesel – vorausgesetzt, es findet sich eine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe.

„Umweltfreundlichstes Auto der Welt“

Aber auch die Batterien lassen sich schnell laden, bei einer Ladeleistung von 150 Kilowatt innerhalb von 15 Minuten bis auf 90 Prozent der Speicherkapazität. An der heimischen Wallbox dauert es allerdings weitaus länger. Die Motoren bringen es auf 280 kW (380 PS) Leistung. Damit ist der Allradler bis zu 180 km/h schnell. Es ginge sogar noch flotter, doch Schuh macht an dieser Stelle elektronisch Schluss. Wer eine Garage mit einer niedrigen Deckenhöhe hat, muss sich keine Sorgen machen. Der „Space“ geht bei Bedarf in die Knie und reduziert die Dachhöhe von 1,99 auf 1,91 Meter. Auch das Rangieren in engen Parkhäusern sollte kein Problem sein, denn die Hinterachse wird mitgelenkt.

Der „Space“ ist laut Schuh das umweltfreundlichste Auto der Welt, trotz seiner Größe. „Wer das nachhaltigste Auto der Welt konstruieren und auf die Straße bringen will, braucht zwingend eine gewisse Fahrzeuggröße“, sagte Schuh in einem Interview. „Das ist mehr als ein netter SUV.“

Auto soll 50 Jahre halten

Tatsächlich wartet er mit einigen Innovationen auf. Es ist beispielsweise auch ein „Circular-Economy-Fahrzeug“, wie Schuh es nennt. Alle fünf Jahre soll es in einer „Re-Assembly Factory“ ein Update erhalten. Verschleißteile werden ausgetauscht, ebenso Baugruppen, die bis dahin technisch veraltet sind. Die Batterien werden durch frische ersetzt, die alten in Pufferspeichern für Solar- und Windstrom weitergenutzt. Wem die Farbe nicht mehr gefällt, bekommt eine völlig neue. Auf Wunsch und nach Bedarf gibt es dann auch eine anders geformte Karosserie aus Kunststoff.

Mit alle diesen Maßnahmen soll die Lebensdauer des Fahrzeugs entscheidend verlängert werden Schuh strebt nahezu ein halbes Jahrhundert an, ehe es verschrottet, besser gesagt recycelt wird. Auf die spätere Wiederverwertbarkeit ist schon bei der Konstruktion geachtet worden. Bisher liegt die durchschnittliche Lebensdauer von Autos leicht über elf Jahren.

Serienproduktion soll 2025 starten

Schuh hat, wie zuvor schon für seine ersten elektrischen Kinder, mit e.Volution wieder ein neues Unternehmen gegründet, das im Jahr 2025 in Aachen mit der Serienproduktion beginnen soll. Schuh will pro Jahr 30.000 Fahrzeuge bauen und für jeweils 100.000 Euro verkaufen. Ersatzweise denkt er an Leasing, für 1200 Euro im Monat.

Aber zunächst muss Professor Schuh mit seinem Team erst einmal die Produktion aufbauen. Im November startet er dafür eine Finanzierungsrunde. Rund 100 Millionen Euro hofft er darüber einzusammeln – bescheidene Ziele waren noch nie das Ding.

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