„Wilde Zeiten“, twitterte Elon Musk dieser Tage, als die Tesla-Aktie erstmals die Marke von 1000 US-Dollar überschritt und vorübergehend sogar bei über 1200 Dollar notierte. Vorübergehend war Tesla damit über eine 1,2 Billionen US-Dollar wert – so viel wie kein anderer Autohersteller weltweit. Toyota kommt derzeit nur auf eine Marktkapitalisierung von rund 250 Milliarden Dollar, Volkswagen von 145 Millarden.
Sie wirbeln mächtig Sand auf – die Newcomer der Autoindustrie aus USA. Die Aktien von Rivian wurden gestern (10. November) erstmals an der Wallstreet gehandelt und Anleger aus aller Welt rissen sich sogleich um die 153 Millionen Anteile, die zum Verkauf gestellt worden waren. Am Ende des ersten Handelstages notierte die Rivian-Aktie bei 100,73 Dollar, umgerechnet 87,75 Euro – 29 Prozent über dem (schon recht hohen) Ausgabekurs von 78 Dollar.
Rivian ist jetzt schon mehr wert als BMW und Ford
Der neue „Tesla-Fighter“, der derzeit nur einen elektrisch angetriebenen Pick-up Truck namens R1T, kaum Umsätze und tiefrote Zahlen aus dem operativen Geschäft vorzuweisen hat, ist mit einer Marktkapitalisierung von 88 Milliarden Dollar schon einmal mehr wert als etwa BMW (68,2 Milliarden Dollar) oder Ford (77,37 Milliarden Dollar).
Dabei war das Unternehmen in der letzten Finanzierungsrunde vor dem Börsengang von institutionellen Investoren noch mit nur rund 28 Milliarden Dollar bewertet wurden. So weit klafft die Lücke zwischen der Substanz des Unternehmens und den Kursfantasien der Anleger – bei Rivian ebenso wie bei Tesla.
Auch Sono Motors strebt an die Wallstreet
Und der große Hype um die Aktien der Elektroauto-Hersteller dürfte noch eine Weile anhalten und die Blase noch weiter anschwellen lassen. Auch andere Newcoomer schwimmen auf der Welle. Lucid Motors beispielsweise. Lordstown Motors, auch Canoo und Sono Motors: Das Münchner Kleinwagen-Startup zieht es an die Wallstreet. Dieser Tage gab das Unternehmen bekannt, 10.000.000 Stammaktien an der elektronischen Börse Nasdaq platzieren zu wollen, zu Preisen zwischen 14,00 und 16,00 US-Dollar. Zudem will das Unternehmen, den Zeichnern eine 30-Tage-Option zum Erwerb von bis zu 1.500.000 zusätzlichen Stammaktien zum öffentlichen Angebotspreis gewähren.
Die Zeiten dafür sind günstig. Die Inflation grassiert, Banken zahlen auf das Ersparte keine Zinsen mehr, der Immobilienmarkt ist leer gefegt oder wird wie hierzulande immer stärker reglementiert – da bieten Aktien fast die einzige Möglichkeit, das Kapital zu mehren. Und die Politik befördert mit ihrer Fokussierung auf den Klimaschutz die Transformation der Autoindustrie und gibt den Herstellern von Elektroautos kräftig Rückenwind.
Rivian Automotive aus dem kalifornischen Irvine, 2009 von dem jungen Ingenieur Robert Scaringe gegründet, nutzt jedenfalls die Gunst der Stunde und den Zeitgeist. Mit seinem ersten vollelektrischen „Abenteuer-Fahrzeug“ will er die „Transportwelt klimatisch zum Besseren verändern – zuerst in Nordamerika, später dann auch im Rest der Welt einschließlich Europa. Zahlreiche private und institutionelle Investoren hatte Scaringe bereits im Vorfeld des Börsengangs gewinnen können, darunter George Soros, auch Ford und Amazon – der Online-Versandhändler hält rund 20 Prozent der Rivian-Aktien und hat bereits 100.000 elektrisch angetriebene Lieferwagen bestellt, die in den nächsten drei bis vier Jahren geliefert werden sollen.
Teslas Cybertruck lässt weiter auf sich warten
Und Rivian hat es auch schon bereits geschafft, Tesla zu übertrumpfen: Während Elon Musks futuristischer Cybertruck mit Allradlenkung und einer Reichweite von bis zu 800 Kilometern immer noch auf sich warten lässt – angepeilt werden nun erste Auslieferungen zum Ende nächsten Jahres – hat Rivian die ersten hundert Exemplare seines Elektro-Pickup bereits produziert. Angeboten werden die vor allem in Nordamerika so begehten Transporter mit offener Ladefläche zu Preisen ab 75.000 Dollar mit Stromspeichern zwischen 105 und 180 Kilowattstunden Kapazität. Bis zu 600 Kilometer Reichweite lassen sich damit darstellen, angeblich auch abseits befestigter Wege. Damit dem elektrische Abenteurer-Auto bei Ausflügen raus aus der STadt nicht der Saft ausgeht, will Rivian zudem 3.500 Schnelllader in den amerikanischen Nationalparks installieren – nach dem Vorbild von Teslas Supercharger-Network.