In Deutschland wird immer noch debattiert, ob Investitionen in eine Wasserstoff-Wirtschaft überhaupt Sinn machen. Dagegen laufen in Schottland bereits Planungen für einen großen Offshore-Windpark an, der schon in naher Zukunft ausschließlich Wasserstoff erzeugen soll. Die Ingenieure dort wollen große Elektrolyseure, so das Konzept, auf Plattformen direkt neben den Windrädern auf See aufbauen lassen, um den Windstrom gleich an Ort und Stelle zu nutzen. Das Gas soll dann über eine Pipeline oder auch per Schiff an Land gelangen und dort vermarktet werden – an Abnehmer in Großbritannien, aber auch in anderen Ländern. Im kommenden Jahr will die schottische Regierung einen konkreten Aktionsplan aufstellen, um das grünen Wasserstoff zum Exportschlager zu machen.

Strom ist bereits zu 70 Prozent grün

Der Hintergrund: Schottland ist derzeit wirtschaftlich noch stark abhängig von der Öl- und Gasbranche, andererseits aber auch ein Treiber der Energiewende in Europa. Die schottische Regierung hat sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt: Bis zum kommenden Jahr sollen die CO2-Emissionen um 56 Prozent gegenüber dem Stand von 2016 sinken. Vor dem Hintergrund wird bereits seit Jahren massiv in Erneuerbare Energien investiert, die Windenergie ausgebaut und den Bau von Wellenkraftwerken gefördert. Das Ergebnis: Die Erneuerbaren haben inzwischen einen Anteil von 70 Prozent an der Stromerzeugung. Im ersten Halbjahr wurden 9,8 Millionen Megawattstunden Strom allein mit Windrädern produziert – mehr als doppelt so viel wie in Schottland verbraucht wurde. Ein Teil davon floss auch in die Ladeinfrastruktur für Elektroautos.

Whisky und Wasserstoff als Exportschlager

Doch wirtschaftlich hängt die Region – neben den Exporten von Whisky und Weidelämmern – immer noch stark an den fossilen Energien, von der Förderung von Erdöl und Erdgas vor der Küste ab: Am rund 50 Kilometer nördlich von Aberdeen gelegenen St.-Fergus-Terminal kommen immer noch rund 35 Prozent des in Großbritannien genutzten Erdgases an. Ein Großteil stammt allerdings heute bereits aus norwegischen Feldern. Und auch dort gehen die Vorräte allmählich zur Neige.

Strom im Überfluss
Windpark in der Nähe des ehemaligen Atomkraftwerks von Dounreay im nördlichen Schottland.
Foto: Rother

Da ist es nur schlau, Vorbereitungen für die Zukunft zu treffen und das Terminal für die Anlandung und den Umschlag von auf dem Meer produzierten Wasserstoff vorzubereiten. Geplant ist zunächst der Bau einer Demonstrationsanlage mit 300 Megawatt (MW) Leistung. Mittelfristiges Ziel ist eine Verarbeitungskapazität von 1.000 bis 2.000 MW.

Produktion soll 2030 anlaufen

Planung und Bau des Offshore-Windparks und der Elektrolyseure werden noch einige Jahre in Anspruch nehmen. In Schottland rechnet man damit, dass ab 2030 Windräder vor der schottischen Küste erstmals Strom für die Wasserstoffproduktion liefern könnten.

Erste Erfahrungen mit dem Energieträger Wasserstoff hat die schottische Regierung besetzt gesammelt. Auf den Orkney-Inseln im Norden des Landes produzieren Wind- und Gezeitenkraftwerke schon seit einiger Zeit Strom, der per Elektrolyse gespeichert wird. Und Aberdeen, die drittgrößte Stadt Schottlands, hat schon 2012 erste Schritte unternommen, um die Wasserstofftechnologie zu befördern – vor allem in der Mobilität. Die Stadt betreibt inzwischen eine Flotte von 65 Fahrzeugen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Dazu gehören auch 20 Brennstoffzellen-Busse, die täglich auf verschiedenen Linien in der 200.000-Einwohner-Stadt unterwegs sind. Demnächst sollen erste mit Wasserstoff betriebenen Doppeldecker dazukommen.

In das Gasnetz Aberdeens will der staatliche Netzbetreiber SGN demnächst zwei Prozent Wasserstoff einspeisen. Langfristiges Ziel ist der Aufbau eines reines Wasserstoffnetzes. Dieses soll sich sowohl aus grünem Wasserstoff aus Ökostrom als auch aus blauem Wasserstoff, der aus Erdgas erzeugt wird, speisen. Auch dazu laufen gerade erste Projekte in Schottland an.

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