Durch die im Rahmen des Green Deal verschärften Klimaziele der Europäischen Union wird sich voraussichtlich auch der Strombedarf in Deutschland massiv erhöhen. Daher hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE seine Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ aus dem Frühjahr nun angepasst. Die aktualisierte Studie zeigt auf, wie viel Ökostrom benötigt wird, um die energiebedingten Emissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent zu reduzieren. Eines der Kernergebnisse: Neben dem Strombedarf insgesamt wächst auch der Bedarf an kurzfristig einsetzbaren Stromspeichern, da Wind- und Sonnenkraft nur zeitweise zur Verfügung stehen und die dadurch gewonnene Energie für Flauten und Dunkelphasen zwischengespeichert werden müssen.
Strombedarf 2030: 700 bis 780 Mrd. kWh
Neben den originären Stromanwendungen werde Strom künftig
auch vermehrt im Verkehr, für Raumwärme, in der Industrie sowie
für die Herstellung synthetischer Energieträger eingesetzt, schreiben die Forscher. Dadurch steigt der Bedarf von derzeit etwa 600
Milliarden Kilowattstunden (kWh) pro Jahr auf 700 bis 780 Milliarden im Jahr 2030 und 1.250 bis 1.570 Milliarden im Jahr 2050 an.
Entsprechend wachse der Bedarf an Erneuerbaren Energien, an Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Die PV-Leistung müsste sich allein bis 2030 verdrei- oder sogar vervierfachen: von derzeit 53.000 auf 155.000 bis 200.000 Megawatt (MW). Die Windkraftleistung müsste sich im selben Zeitraum mehr als verdoppeln: von derzeit 62.000 MW auf 132.000 bis 145.000 MW.
Um den Bedarf decken zu können muss nach den Berechnungen der Forscher der durchschnittliche Zubau pro Jahr auf 10.500 bis 14.800 MW bei der Photovoltaik ansteigen, auf 7.400 bis 8.400 MW bei der Onshore-Windkraft sowie auf 1.400 bis 1.700 MW bei der Offshore-Windkraft. Für 2050 gehen die Studienautoren von einem Bedarf von 340.000 bis 450.000 MW PV- und 240.000 bis 300.000 MW Windkraftleistung aus. Atomkraftwerke zur Stromerzeugung spielten in beiden Szenarien keine Rolle.
Um das Energiesystem an den massiven Zubau der erneuerbaren Energien anzupassen, bedürfe es zudem eines hohen Maßes an Systemflexibilität. Hierbei steigt der notwendige Ausbau von Kurzzeitspeichern wie Akkumulatoren gegenüber dem 55-Prozent-Ziel um weitere 60.000 MW auf insgesamt 84.000 MW an.
Jeder zweite Neuwagen fährt elektrisch
Um die schärferen Zwischenziele erreichen zu können, müssen
bei gleichbleibender Verkehrsmittelwahl (Modal Split) im Jahr 2030 etwa
35 Prozent der PKW Elektrofahrzeuge sein, so die Studie. Dazu müssten jedes Jahr rund 1,8 Millionen Elektroautos neu zugelassen werden. Dies würde eine Quote von 50 Prozent bei den Neuzulassungen entsprechen. Ab dem Jahr 2030 erwarten die Forschen auch eine größere Anzahl von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb – sowohl bei den Nutzfahrzeugen wie bei den Personenwagen.
In einem klimaneutralen Energiesystem werden nahezu keine konventionellen Antriebe im Straßengüterverkehr mehr betrieben. Bis 2030
erwarten die Fraunhofer-Experten keine gravierenden Veränderungen im Antriebsmix bei Lastzügen. Bis zum Jahr 2050 aber müssten zur Erreichung der Klimaziele die Dieselantriebe weitgehend verschwinden und durch Elektroantriebe ersetzt werden. Wahrscheinlich würden die mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Dieselmotoren bis zu 70 Prozent durch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle, zu 30 Prozent durch Batteriefahrzeuge ersetzt. Der restliche Altbestand dürfte nach Einschätzung der Forscher synthetische Kraftstoffe -E-Fuels – zum Antrieb nutzen.
Wärmepumpen als Schlüsseltechnologie
Bei der Versorgung von Gebäuden mit Wärme müssen Wärmepumpen nach Ansicht der Studienautoren „ab sofort“ zur Schlüsseltechnologie werden. 2030 müsse ihr Anteil bei 20 Prozent liegen. Für eine vollständige Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 werden zwei Drittel aller Heizungsanschlüsse durch Wärmepumpen oder mit synthetischen Brennstoffen (über Gaskessel und Brennstoffzellen) versorgt, ein Drittel wird mit Fernwärme betrieben. Solarthermie findet in dem Szenario keine Berücksichtigung.