Es ist nicht schwer, Bill Gates‘ Engagement gegen den Klimawandel als doppelzüngig zu kritisieren. Ein Milliardär, der im Privatjet fliegt, will uns über die Klimakatastrophe belehren? Und der, wie er in seinem neuen Buch selbst zugibt, vor nicht allzu langer Zeit das Problem nicht sonderlich ernst genommen hat? Der noch 2011 Solarenergie als ’süß‘ abgetan und lange das Potenzial erneuerbarer Energien heruntergespielt hat?
Bill Gates hat seine Sicht auf die Klimakatastrophe in einem Buch niedergeschrieben. Gates‘ Fokus ist dabei klar: Er fragt, welche Technologien es benötigt, um die Treibhausgas-Emissionen auf null zu senken und wie man diese entwickeln und durchsetzen kann.
Braucht es neue Atomkraftwerke?
An Gates‘ Buch gibt es viel Kritik, und die ist größtenteils berechtigt. Auch wenn Gates‘ Haltung zu erneuerbaren Energien deutlich positiver ist als noch vor einigen Jahren, betont der Microsoft-Gründer eher pessimistische Szenarien über die Möglichkeiten von Solar- und Windkraft – und begründet damit seine Hoffnung auf die Atomkraft. Kein Wunder: Gates investiert seit langem in die Firma Terrapower, die eine neue Generation von Atomkraftwerken auf den Markt bringen möchte.
Dass Gates die Atomkraft so rühmt, wirkt besonders seltsam, da er in seinem Buch sehr energisch darauf hinweist, dass man immer einen Blick auf den grünen Aufpreis werfen müsse – also den Kostenunterschied zwischen klimaschädlichen und emissionsarmen Technologien. Denn dass Atomkraftwerke irgendwann günstig werden, glaubt inzwischen kaum noch jemand.
In der New York Times kritisiert der Klimaaktivist Bill McKibben Gates für seine zurückhaltende Perspektive auf Solar- und Windkraft und empfiehlt ihm, sich mit dem Forscher Mark Jacobson auszutauschen.
Jacobson gehört unter den Energieforschern zu den größten Optimisten, was die Potenziale von erneuerbaren Energien angeht, und wird dafür selbst häufig scharf kritisiert. Es würde sicher nicht schaden, wenn Gates sich mit Jacobson unterhält, denn was erneuerbare Energien angeht, hatten die Optimisten bisher meistens recht.
Ebenso kritisiert McKibben völlig zu Recht, dass Gates‘ politische Analyse dünn ist. Der Microsoft-Gründer gehört zwar nicht zu denen, die Politik komplett außen vor lassen und nur auf technische Innovationen hoffen. Gates macht etwa klar, dass er einen Preis für Kohlendioxid-Emissionen befürwortet und dass etwa das Aufforsten von Wäldern nicht mit Technik gelöst werden kann, sondern nur durch entsprechende politische Rahmenbedingungen.
Klimaneutraler Zement durch CCS
Eine völlige Leerstelle in Gates‘ Buch ist der politische Lobbyeinfluss der fossilen Industrie. McKibben verweist hier auf eine kürzliche Recherche der Journalistin Emily Atkin, die aufdeckte, dass Gates‘ ehemalige Firma Microsoft – bekanntlich rühmt sich der Softwarekonzern selbst gern für sein Klima-Engagement – vielfach Politiker finanziell unterstützt, die den Klimawandel leugnen.
Doch bei aller Kritik enthält das Buch von Bill Gates allerdings eine Nachricht, die es wert ist, gehört zu werden: Wer die Klimakrise wirksam bekämpfen wolle, müsse letztendlich die Emissionen in allen Bereichen auf nahezu Null senken – und in vielen Bereichen wurde die Technik dafür schlicht noch nicht entwickelt.
Eines der größten Probleme, auf das Gates hinweist, ist die Herstellung von Zement. Bei der Produktion von einer Tonne Zement werden rund 700 Kilogramm Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Die meisten Ansätze, diese Emissionen zu senken, schaffen allenfalls moderate Emissionsreduktionen. Auch die Technologie einer Firma, die von Gates mitfinanziert wird – Carboncure -, könnten im besten Fall die CO2-Emissionen um 20 bis 30 Prozent senken. Als letzte Möglichkeit bleibt, die Kohlendioxid-Emissionen von Zementwerken abzufangen und unterirdisch einzulagern, eine Technik, die als Carbon Capture and Storage (CCS) bezeichnet wird.
Klimaschädliche Fleischproduktion
Doch Zement ist nicht nur ein Beispiel für die Sektoren in einer Industrie-Gesellschaft, die als besonders schwer umzustellen gelten. Ein anderer Bereich, zu dem Gates viel zu sagen hat, ist die Produktion von Lebensmitteln. Der Microsoft-Gründer kann sich vorstellen, dass Fake-Fleisch wie die Produkte von Impossible Foods und Beyond Meat -Firmen, in die Gates ebenfalls investiert hat – zumindest in Industrieländern die klimaschädliche Fleischproduktion verdrängen könnten. In einem Land wie Deutschland, wo der Veggie-Day als der Diskussionskiller schlechthin gilt, eine geradezu revolutionäre Vorstellung.
Bill Gates blickt auf die Klimakrise vor allem aus der Sicht eines Ingenieurs – und macht daraus kein Geheimnis. Dieser Blick ist, wie Kritiker zurecht bemängeln, ein eingeschränkter. Die Klimakatastrophe wird sich mit Technologie alleine nicht verhindern lassen, doch es wird Technologien brauchen. Manche davon wie Windkraft- und Solaranlagen stehen längst bereit und warten nur darauf, in noch viel größerem Maßstab genutzt zu werden. Andere wird man noch entwickeln müssen. Es ist diese Nachricht, die das Buch von Gates lesenswert macht.
Das Buch „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ von Bill Gates wird in der deutschsprachigen Version vom Piper-Verlag veröffentlicht. Die englischsprachige Originalversion mit den Titel „How to avoid a Climate Disaster“ wurde von Penguin Random House veröffentlicht.