Glas ist ein beliebter Baustoff: Fenster können nicht groß genug sein, am besten soll die ganze Fassade aus Glas sein. Das macht helle Räume, die sich aber im Sommer stark aufheizen. Auch die Privatsphäre leidet. Ein neues Material, das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt wurde, soll das ändern.

Polymer-based Micro-Photonic Multi-Functional Metamaterial (PMMM) nennt das Team um Gan Huang das Material, das auf dem Silikon Polydimethylsiloxan (PDSM) basiert. Es sei lichtdurchlässiger als Glas, aber nicht transparent, teilte das KIT mit. Es kann kühlen, und es reinigt sich auch noch selbst.

PMMM ist ein Metamaterial, das bedeutet, dass es Eigenschaften hat, die in der Natur nicht vorkommen. Diese erhält es von der Struktur: Es besteht aus mikroskopisch kleinen Pyramiden aus Silikon, die rund zehn Mikrometer groß sind.

PMMM lässt mehr Licht durch als Glas

Die Pyramiden reflektierten Sonnenstrahlen nicht in den Himmel, sondern auf benachbarte Pyramiden, und das reflektierte Licht durchdringt das Material. So lässt PMMM 95 Prozent des einfallenden Lichts durch. Bei Glas sind es nur 91 Prozent. Da das Licht von den Pyramiden aber auch stark gestreut wird, ist es trotz der hohen Lichtdurchlässigkeit nicht transparent, sondern hat ein milchglasartiges Aussehen.

Glas-Pyramide 
Das neue Polymer-basiertes Micro-Photonic Multi-Functional-Metamaterial (PMMM) kann in der Bauindustrie wie Glas eingesetzt werden. Es hat zusätzlich aber eine kühlende und reinigende Wirkung. Grafiken: KIT
Glas-Pyramide
Das neue Polymer-basiertes Micro-Photonic Multi-Functional-Metamaterial (PMMM) kann in der Bauindustrie wie Glas eingesetzt werden. Es hat zusätzlich aber eine kühlende und reinigende Wirkung. Grafiken: KIT

Das PMMM lässt zwar sichtbares Licht durch – infrarotes mit einer Wellenlänge von etwa 8 bis 13 Mikrometern wird jedoch abgestrahlt. Dadurch ergibt sich eine Kühlleistung von rund 97 Watt pro Quadratmeter. Bei Tests lag die Temperatur des Materials etwa sechs Grad Celsius unter der Temperatur der Umgebung.

Wasser perlt an PMMM ab

„Ein wesentliches Merkmal ist die Fähigkeit, effizient Wärme durch das langwellige Infrarot-Übertragungsfenster der Erdatmosphäre abzustrahlen und so Wärme in die kalte Weite des Universums abzugeben“, sagte KIT-Forscher Bryce S. Richards. „Das ermöglicht eine passive Strahlungskühlung ohne Stromverbrauch“

Durch die Pyramidenform wirkt die Oberfläche des Materials obendrein stark wasserabweisend. Die Forscher vergleichen das mit der Oberfläche eines Lotosblattes. Das Wasser bildet Tropfen, die schon bei geringer Neigung ablaufen. Das macht die Selbstreinigungsfähigkeit des Materials aus: Die Wassertropfen nehmen auf dem Weg nach unten Schmutz und Staub mit.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Anwendungen für das neue Material sieht das Team vor allem im Hochbau: „Wenn das Material in Dächern und Wänden verwendet wird, ermöglicht es so helle und gleichzeitig blendfreie sowie sichtgeschützte Innenräume für Arbeiten und Wohnen“, sagte Huang. „Das Material kann gleichzeitig für optimale Nutzung von Sonnenlicht in Innenräumen sorgen, passiv kühlen und die Abhängigkeit von Klimaanlagen reduzieren. Die Lösung lässt sich skalieren und nahtlos in Planungen für umweltfreundlichen Hausbau und Stadtentwicklung integrieren.“

Das KIT-Team beschrieb das Metamaterial in der Fachzeitschrift Nature Communications.

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