Wenn der frisch zubereitete Salat nicht aus Spanien, sondern vom hauseigenen Dach kommt, ist das gut für das ökologische Gewissen. Bei der Vorstellung, dass er aber mit dem Wasser aus der Dusche berieselt wurde, bleibt der kulinarische Genuss ein wenig auf der Strecke. Dabei ist dies in vielerlei Hinsicht nicht nur sinnvoll, sondern gesundheitlich auch völlig unbedenklich. Bewiesen wurde dies in dem Projekt „Roof Water-Farm“ der Technischen Universität Berlin (TU) gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Praxis.

„Alle Schadstoffe können aus dem sogenannten Grauwasser herausgefiltert und direkt vor Ort in nahezu Trinkwasserqualität umgewandelt werden“, erklärt Dr. Grit Bürgow, die das Projekt initiierte und in diesem Jahr den ersten Duschwasser-Salat mit Genuss verzehrte. „Das dafür aufbereitete Wasser ist völlig sauber und unbedenklich für die Nahrungsmittel-produktion geeignet.“

Millionen Liter kostbares Trinkwasser wird nicht nur jedes Jahr für die Dusche verschwendet, sondern 30 Prozent des täglichen Trinkwasser-verbrauchs wird einfach die Toilette runtergespült. Mit Schadstoffen belastetet, landet es in der Kläranlage, wo es energie- und kostenintensiv aufbereitet wird. Aus Sicht von Bürgow ein fragwürdiges Modell, das in der Stadt der Zukunft keinen Platz mehr hat. „Es ist ein Umdenken notwendig“, fordert sie. Denn Trinkwasser sollte möglichst nur zum Trinken verwendet werden. Auch Regenwasser werde aus Sicht der Landschaftsarchitektin im Haushalt oder aber für die Bewässerung von Bäumen und Stadtgrün viel zu wenig genutzt.

Salatfarm auf Beachvolley-Anlage

Statt Frischwasser zu verschwenden, kann es direkt vor Ort aufbereitet und dafür genutzt werden, dass Salat und Gemüse auf den Dächern von Berlin, München und Hamburg angebaut wird. Das Wasser aus der Toilettenspülung wird dabei als Flüssigdünger genutzt. Auch das funktioniert bereits in Modellprojekten. „Wir konnten Mikro-Schadstoffe herausfiltern und die Schadstoffgrenzwerte einhalten“, so Bürgow. Die damit gedüngten Pflanzen seien ganz normal gewachsen.

„Shower-Tower“
Die kleine Salat-Farm in der Beachvolleyball-Anlage nahe des Potsdamer Platzes in Berlin nutzt die Abwässer des Duschraums, um Salat- und Kräuterpflanzen zu bewässern. Fotos: TU Berlin/Felix Noak

In der Praxis will die ambitionierte Wissenschaftlerin der TU Berlin jetzt beweisen, dass Salat und Kräuter in einer vertikalen Hydroponik-Farm in Kombination mit einer lokalen Wasserrecyclinganlage wächst und schmeckt. Aufgebaut wurde die „Shower-Tower 61“ genannte vertikale Salat-Farm in der Beachvolleyballanlage „Beach 61“ des Gleisdreieck-Parks unweit des Potsdamer Platzes in Berlin. Angebracht direkt an der Außenwand des Duschraumes, wird kostbarer Bauraum nicht verschwendet. Als Baukastensystem modular konstruiert, kann das System zudem an anderen Standorten aufgebaut werden. „Das ist sehr effektiv“, sagt Bürgow.

Hydroponik bedeutet, dass die Pflanzen ausschließlich in einer wässrigen Nährlösung herangezogen werden und damit ganz ohne Erde auskommen. Dafür wird bei dem Projekt in Berlin das aus der Dusche aufbereitete Wasser mit Nährstoffen angereichert, die dafür sorgen, dass bereits nach sechs bis acht Wochen geerntet werden kann. Ganz ohne energieintensives Gewächshaus. Und es hat noch einen Vorteil: Als wissenschaftlicher Richtwert gilt, dass mit Hydroponik zwischen fünf bis zehn Mal mehr pro Fläche produziert werden kann.

Ernte von 60 Salatköpfen im ersten Jahr

Die Berliner vertikale Outdoor-Farm besteht aus acht zwei Meter hohen weißen Vierkantsäulen. In jede Säule wurden jeweils 16 Pflanzrohre eingelassen, in denen die Töpfe mit den Pflanzen stecken und durch Blähton und einem Wurzelfließ stabilisiert werden. Das mit Nährstoffen angereicherte Wasser berieselt im Kreislauf die Pflanzenwurzeln, wodurch von dem kostbaren Nass kaum etwas verloren geht. Bürgow: „Dies ist eine sehr effektive Produktion, was es für die Stadt interessant macht, da wir auf einer kleinen Fläche viel ernten können.“

60 Salatköpfe wurden in diesem Jahr innerhalb eines Monats auf einer effektiven Grundfläche von zwei Quadratmetern geerntet. Vorerst ist die Wissenschaftlerin mit den Ergebnissen des gerade erst gestarteten Projektes zufrieden. Doch sie interessiert sich für wesentlich mehr als für für das Wachstum der Pflanzen. In dem Projekt will sie klären, wie auch Menschen vor Ort dauerhaft eingebunden und diese Art der Nahrungsmittelproduktion betreiben können.

„Wir wollen zudem die Effekte einer Hydroponik-Farm kombiniert mit verdunstungswirksamen Schilf-Hochbeeten auf das städtische Mikroklima untersuchen“, so Bürgow. Aus ihrer Sicht dreht sich die Klimadebatte viel zu sehr um CO2, das für alle Ökosysteme ein wichtiger Nährstoff ist.

Wasser, auch das in den Pflanzen gespeicherte „grüne Wasser“, so erklärt sie, sei ein wesentlicher Klimamacher und es müsste sehr viel mehr mit Natur-systemen wie etwa städtischen Feuchtgebieten gearbeitet und massiv in den Wiederaufbau von Naturökosystemen investiert werden. „Schilf ist zum Beispiel eine robuste Pflanze, die Wasser speichern und in heißen Zeiten verdunsten kann, was die Luft in den Städten kühlt und gleichzeitig Regen produziert.“

„Spalier“-Salat
Die Outdoor-Farm besteht aus acht zwei Meter hohen weißen Vierkantsäulen. In jede Säule wurden jeweils 16 Pflanzrohre eingelassen, in denen die Töpfe mit den Pflanzen stecken.

Vertical Farming ist nicht neu, sondern wird bereits weltweit realisiert – selbst im Wüstenland Dubai, wo die meisten Nahrungsmittel importiert werden. Die größte Farm Europas für den Anbau von Kräutern und Salten entsteht allerdings gerade von den Toren Kopenhagens in Dänemark. Gebaut von dem dänischen Start-up Nordic Harvest und der Technologiefirma Yes Health aus Taiwan sollen bei Vollauslastung bis zu drei Tonnen täglich auf 14 Etagen geerntet werden. Der Vorteil dieser Anbauart ist, dass Pestizide nicht verwendet und deutlich weniger Wasser verbraucht wird.

Duschwasser könnte Gebäude heizen

Die Berliner Farm ist dagegen ein Prototyp und Reallabor, das in ein viel umfangreicheres Forschungsvorhaben mit dem langen Titel „GartenLeistungen – Urbane Gärten und Parks: Multidimensionale Leistungen für ein sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Flächen- und Stoffstrom-Management“ eingebettet ist. Wissenschaftler des Instituts für ökologisches Wirtschaften (IÖW) Berlin untersuchen gemeinsam mit der TU Berlin und weiteren Partnern die Bedeutung der Gärten und Parks für das städtische Klima, die Biodiversität und die Lebensqualität der Menschen.

„Die Ergebnisse sollen in politische Entscheidungen einfließen, um das städtische Flächenmanagement nachhaltiger zu gestalten“, so Grit Bürgow. Denn um nicht nur auf öffentlichen Gemeinschaftsanlagen sondern auch in Gebäuden die verschiedenen Abwasserarten nutzen zu können, müssen doppelte Leitungsnetze für Grau- und Schwarzwasser sowie Betriebs- und Trinkwasser installiert werden. Dies gelingt aber nur, wenn es dafür eine gesetzliche Regelung und gezielte Vorgaben in den städtischen Bauordnungen gibt. Funktionsweise und Wirtschaftlichkeit sind nach Aussage der Wissenschaftlerin längst bewiesen. „Nutzer würden neben Wasser- auch Energiekosten einsparen, denn warmes Duschwasser könnte künftig auch direkt wieder das Gebäude beheizen. Zudem könnten unsere vom Austrocknen bedrohten Stadtbäume und Parks ausreichend mit Betriebswasser aus den städtischen Haushalten versorgt werden.“

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