Der Speed ist nicht zu fassen. Die chinesische Millionen-Metropole Szenzhen, die im Süden an Hongkong grenzt, hat in knapp acht Jahren ihre gesamte Busflotte auf Elektrobetrieb umgestellt. Sie besitzt mit rund 16.500 Fahrzeugen nach eigenen Angaben die weltgrößte Flotte an Elektrobussen, nahezu ausschließlich Modelle des ortsansässigen BYD-Konzerns („Built your Dreams“), mit dem übrigens auch Daimler verbandelt ist.
Und mittlerweile sind auch nahezu 100 Prozent der Taxis, die ebenfalls von der Shenzhen Bus Group betrieben werden, reine Elektrofahrzeuge. Allein mit den Bussen spart die Metropole jährlich etwa 1,4 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen. Für ihre Stromversorgung gibt es rund 510 Ladestationen mit über 8000 Ladesäulen. Und eine gigantische Steuerzentrale, in der die Position wirklich jedes einzelnen Busses live zu sehen ist: Blaue Punkte signalisieren rund um die Uhr den Fahrbetrieb, rote Punkte den Stillstand der gerade Strom aufnehmenden Busse.
Szenzhen: Die schnellstwachsende Stadt der Welt
Klar, die Voraussetzungen waren ideal. Szenzhen, mit 12 Millionen Einwohnern eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt, ist ein internationales Zentrum der Elektronik- und Kommunikationsindustrie.
Sitz einiger der erfolgreichsten chinesischen High-Tech Unternehmen wie BYD, Dingoo, Gionee, Hasee, Huawei, Skyworth, Tencent, Xunlei, DJI oder ZTE. Außerdem haben viele ausländische IT-Unternehmen ihre Niederlassungen in der Stadt. Dazu zählt auch der Elektronikriese Foxconn, der im Stadtbezirk Longhua mit mehr als 300.000 Mitarbeitern diverse Zulieferteile für Apple, Sony, Nintendo und Hewlett-Packard produziert.
2010 hatte die Stadt einen Entwicklungsplan mit BYD aufgestellt, nur ein Jahr später fuhren die ersten 200 Elektrobusse – darunter Gelenkbusse und Doppeldecker. Noch mit Startschwierigkeiten. So hatten die ersten Modelle eine niedrige Reichweite, waren langsam und mussten dazu riesige Akkus in großen Regalen mitschleppen. Aber schon 2014 stattete BYD die Busse mit eigenentwickelten 324-kWh-Lithium-Eisenphosphat-Akkus aus, die über Radnabenmotoren zwischen 200 und 250 km weit kamen.
Inzwischen hat BYD noch deutlich zugelegt. Baut zum Beispiel einen knapp 18 Meter langen vollelektrischen Bus, der mit einer 547-kWh-Batterie und 60 Passagieren rund 440 Kilometer am Stück fahren kann. Aufladen? Soll in zwei bis drei Stunden erledigt sein.
Aber nicht nur China ist der Busgigant aktiv: Elektrobusse von BYD fahren mittlerweile überall auf der Welt. Zum Beispiel in Los Angeles, Houston, London (neue Doppeldecker), Coventry, Turin oder Amsterdam (Flughafen). Dazu passt, dass sich die seit 2017 laufende Europaproduktion von BYD im ungarischen Komarom bis 2022 verfünffachen soll – von aktuell 200 auf mindestens 1000 E-Busse jährlich. Denn die Nachfrage nach emissionsfreien Nahverkehrsmitteln ist auch in Europa riesig. Deshalb hat das chinesische Unternehmen jetzt zusätzlich zu seinen bereits bestehenden Produktionsanlagen in Komarom eine weitere Fläche von zwei Hektar (20.000 m²) Größe gekauft, auf der bald mit dem Bau einer neuen, teilweise robotergesteuerten Produktionsanlage begonnen werden kann.
Elektrobusse von BYD auch im Rheinland
Auch bei uns im Rheinland fahren neuerdings BYD-Busse: Der Mobilitätsdienstleister Bogestra stellt zehn Prozent seiner Flotte mit 20 Elektrobussen auf Elektroantrieb um. Einsatzgebiet: Bochum und Gelsenkirchen. Die 12 Meter langen, vollklimatisierten Busse bieten Platz für bis zu 75 Fahrgäste, ihre Reichweite soll 200 Kilometer betragen. Sie können an den Endhaltestellen und im Depot leicht und dank Gleichstrom auch zügig über einen Stromabnehmer (Pantografen) auf dem Fahrzeugdach geladen werden. Und an Bord der Busse sind sogar USB-Ladeanschlüsse vorhanden. Nebst der Möglichkeit unterwegs kostenfrei im W-Lan zu surfen.
Die Bogestra zählt bei der Elektrifizierung der Busflotten neben der Hamburger Hochbahn, den Hannoverschen Verkehrsbetrieben (ÜSTRA), den Stadtwerken Münster, den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) und den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) zu den Pionieren in Deutschland. Bundesweit sind nach Angaben des Verbandes der Verkehrsunternehmen (VDV) über 400 Elektrobusse im Einsatz, weitere 750 seien bestellt. Druck macht unter anderem die „Clean Vehicle Directive“ der EU-Kommission. Demnach sollen ab 2021 mindestens 45 Prozent und ab 2025 mindestens 65 Prozent aller neu zu beschaffenden Linienbusse emissionsfreie Antriebe haben, also mit Batterie oder einer Brennstoffzelle und Wasserstoff fahren. Wie sich die Antriebswende im öffentlichen Nahverkehr forcieren lässt, wollen die VDV-Mitgliedsverbände Mitte März in Berlin auf einer Elektrobus-Konferenz mit Vertretern aus Politik und von Behörden diskutieren.
In der deutschen Hauptstadt, die aktuell knapp 3,8 Millionen Einwohner zählt, macht der Umbau der Busflotte zwar Fortschritte – allerdings deutlich langsamer als im fernen Shenzhen. Aktuell haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) 138 E-Busse für den Fahrgastbetrieb im Einsatz, darunter 17 Gelenkbusse, die zum Nachladen tagsüber nicht ins Depot müssen, sondern an den Endhaltestellen elegant per Dachstromabnehmer (Pantografen) nachgeladen werden können.
Und laut BVG haben die bisherigen E-Busse eine Zuverlässigkeit von mehr als 91 Prozent, sie legten bis zum Herbst letzten Jahres etwa zwei Millionen Kilometer zurück, ersparten so der Berliner Atmosphäre rund 2.800 Tonnen CO2. Wobei hier BYD-Busse bislang überhaupt nicht vertreten sind: Im Dienst sind bisher Fahrzeuge vom polnischen Hersteller Solaris (Urbino) und die aktuellen Elektrobusse von Mercedes (eCitaro).
Berlin baut Elektroflotte schrittweise aus
Und klar, Berlins Umweltsenatorin Regine Günther betont, dass die E-Busse die Hauptstadt „klimafreundlicher, sauberer und leiser“ machen. Berlin würde so einen wichtigen Beitrag für den globalen Klimaschutz leisten. Große Worte. Andererseits: Laut Eva Kreienkamp, der Vorstandschefin der BVG, werden Berlins Busse erst 2030 „komplett lokal emissionsfrei unterwegs sein.“ Wobei man in Berlin natürlich gern darauf verweist, dass die Hauptstadt durch ihre großen Netze von Straßenbahn und U-Bahn seit vielen Jahrzehnten schon überdurchschnittlich stark elektrisiert sei.
Nächster Bus-Schritt: Aktuell läuft bei der BVG eine Ausschreibung über 90 weitere Elektro-Eindeckerbusse, die dann im Jahr 2022 geliefert werden sollen. Damit hätte die Hauptstadt dennoch nur knapp ein Sechstel ihrer Flotte elektrisiert, aktuell fahren täglich rund 1500 Busse durch Berlin. Und diese Flotte müßte sich durch die geringere Reichweite der E-Busse (rund 200 Kilometer) noch deutlich vergrößern, denn die aktuellen Dieselbusse haben mit 400 Kilometern praktisch die doppelte Reichweite.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Winter in Berlin immer ziemlich kalt sind, was den ohnehin nicht riesigen Aktionsradius der Busse merklich reduziert. Deshalb gab es vor einigen Tagen, als der Polarwirbel hier mit extrem tiefen Minusgraden zuschlug, auch ein paar Probleme (und etwas öffentliche Aufregung) mit der Reichweite, für die bei extremer Kälte nur 130 Kilometer angesagt sind. Das sei überhaupt nicht dramatisch gewesen, beruhigt BVG-Sprecher Jannes Schwentu. „Wir haben bei den betroffenen Busse einfach sicherheitshalber die letzte Fahrt gestrichen“.
Ab zum Laden ins Depot – zum Einsatz seien dann andere E-Busse und gängige Diesel-Modelle zum Einsatz gekommen. Überhaupt hätten die Ausfälle nur 1,7 Prozent der Elektrobusleistung betragen, und mittlerweile gäbe es da auch keine Probleme mehr.
Diese Situationen erleben die Busse der Chinesen in der Millionenstadt Szenzhen natürlich nicht, obwohl ihre Reichweiten kaum größer sind. Denn mit dem subtropischen Meeresklima ist die Megacity geradezu ein Paradies für die sensiblen Batteriezellen der Elektrobusse. Bei einer Jahresmitteltemperatur von 23 Grad Celsius arbeiten die Akkus hier fast immer im optimalen Bereich.