Die EU-Kommission hat ihr umfangreiches Gesetzespaket zum Erreichen der Klimaziele 2030 präsentiert. Das Vorhaben umfasst insgesamt zwölf Gesetzesvorschläge. Sie sind Teil des Reformpakets mit dem Namen „Fit-for-55“, mit dem der Ausstoß von Treibhausgaben bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber den Werten des Jahres 1990 reduziert werden soll. Den zweiten Teil, bei dem es um eine Dekarbonisierung des EU-Erdgasmarktes geht, will die Behörde im Dezember präsentieren. Langfristziel der EU ist es, die europäische Wirtschaft bis zum Jahr 2050 vollständig klimaneutral zu machen, um die Erderwärmung noch zu stoppen. Diese wird verantwortlich gemacht für steigende Meeresspiegel, Extremwetterlagen und die zunehmende Zahl auch von Wirbelstürmen und Waldbränden.

Sieben der zwölf vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen betreffen den Themenbereich Energie und Klima. Vor allem der Verkehr wäre betroffen. Einschneidende Maßnahmen und massive Preiserhöhungen sind aber auch im Wärmebereich zu erwarten – dem Heizen von Gebäuden und Wohnungen.

„Es wird verdammt hart“

„Die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe stößt an ihre Grenzen“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Präsentation in Brüssel. Es gehe darum, der nächsten Generation einen gesunden Planeten zu hinterlassen. „Europa lässt seinen Worten zur Klimapolitik Taten folgen durch Innovation, Investitionen und Sozialmaßnahmen“, so von der Leyen. Ihr Vize, der niederländische Klimakommissar Frans Timmermanns, wurde noch deutlicher: „Alles, was wir heute vorgestellt haben, wird nicht einfach – es wird verdammt hart.“ Und es dürfte verdammt teuer werden.

Vorgesehen sind etwa deutlich schärfere CO2-Vorgaben für PKW und leichte Nutzfahrzeuge. Deren CO2-Ausstoß soll ab 2030 um 55 Prozent niedriger ausfallen als 2021, 2035 dann um 100 Prozent – mit fossilem Benzin oder Diesel angetriebene Fahrzeuge könnten dann also in der EU keine Neuzulassung mehr erhalten. Der Einsatz von E-Fuels wäre nach dem vorgeschlagenen Maßnahmenpaket aber möglich.

Parallel dazu soll die Infrastruktur für Elektroautos und alternative Kraftstoffe in den kommenden Jahren schneller wachsen. Bisher gilt, dass der CO2-Ausstoß bei Neuwagen 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent niedriger sein muss als 2021.

Mehr Erneuerbare, mehr Effizienz

Angehoben wird auch das Ausbauziel für erneuerbare Energien, und zwar auf 40 Prozent. Aktuell gelten 32 Prozent. Für die energetische Verwendung von Waldholz sollen strenge Nachhaltigkeitsauflagen gelten. Die Latte müsse höher gesetzt werden, betonte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Sie verwies darauf, dass die Preise für erneuerbare Energien kontinuierlich gesunken seien.

Auch bei der Energieeffizienz setzt die EU-Kommission auf eine Verschärfung. Im Jahr 2030 sollen in der EU nur noch 787 Millionen Tonnen Öläquivalente (Mtoe) an Endenergie und 1.023 Mtoe an Primärenergie verbraucht werden dürfen. Das sind neun Prozent weniger als unter der alten Richtlinie (RED II) vorgesehen waren.

Die jährliche Energieeinsparverpflichtung der Mitgliedstaaten wird mit 1,5 Prozent fast verdoppelt. Der öffentliche Sektor muss jährlich drei Prozent seines Gebäudebestands renovieren. Umfassend sind auch die geplanten Änderungen am europäischen Emissionshandel. Die Kommission schlägt vor, dass die Emissionen bis 2030 um 61 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 sinken. Dies entspricht einer Verschärfung um 18 Prozentpunkten gegenüber dem aktuellen Beitrag (43 Prozent) des Systems. Die jährliche Emissionsreduktion wird auf 4,2 Prozent (derzeit 2,2 Prozent) erhöht.

EU-Kommission plant soziale Abfederung der Kosten

Für die Emissionsreduktionen im Straßenverkehr und im Gebäudesektor wird ein separates neues Emissionshandelssystem für die Treib- beziehungsweise Brennstoffversorgung in diesen Sektoren eingeführt. Prozesswärme ist dabei ausgenommen.

Die EU-Kommission will die Klima-Maßnahmen zudem sozial abfedern. Geplant ist dafür ein Klimasozialfonds für einkommensschwächere Privathaushalte, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmer. Der Fonds soll sich mit einem Betrag aus dem EU-Haushalt finanzieren, der 25 Prozent der erwarteten Einnahmen aus dem Emissionshandel für Brenn- oder Treibstoffe im Gebäudesektor und Straßenverkehr entspricht.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Mit der aktualisieren Lastenteilungsverordnung sollen den Mitgliedstaaten zudem neue, strengere Emissionssenkungsziele für Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Unternehmen zugewiesen werden. Für Deutschland ändert sich der prozentuale Anteil (16 Prozent) nicht, da das jeweilige Pro-Kopf-Brutto-Inlands-Produkt (BIP) zugrunde gelegt wird.

VDA kritisierte Vorschläge als „innovationsfeindlich“

Über das „Fit-for-55“-Paket müssen nun das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten beraten. Die ersten Reaktionen auf die Vorschläge der EU-Kommission lassen harte Verhandlungen erwarten. Das faktische Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren – auch von solchen mit Hybridantrieb – ab dem Jahr 2035 hat in Deutschland bereits den Verband der Automobilindustrie alarmiert. „Das ist innovationsfeindlich und das Gegenteil von technologieoffen“, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller das „Fit for 55“-Paket. Sie warnte vor einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie.

Positiv bewertete sie allein den Vorschlag der Kommission, verbindliche Ziele für den europaweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos vorzuschlagen. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen bis 2025 entlang der Hauptverkehrsachsen alle 60 Kilometer Ladestationen eingerichtet werden. Für Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb sollen zudem alle 150 Kilometer Wasserstoff-Tankstellen aufgebaut werden.

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