Mit der steigenden Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus in der Autoindustrie wächst der Bedarf an geeigneten nachhaltigen Recyclingverfahren. Ein Treiber ist der Rohstoffmangel, der sich abzeichnen könnte, wenn die Nachfrage nach Elektroautos und akkubetriebenen Werkzeugen weiter ansteigt. Experten wie Andreas Radics von der Unternehmensberatung Berylls fordern deshalb seit längerem schon einen raschen Aufbau eines europaweiten Netzwerks von Fachbetrieben, die Alt-Akkus aus Elektroautos fachgerecht entsorgen und die enthaltenen Rohstoffe zurückgewinnen. Auch der Verband der Ingenieure (VDI) drängt in seinem Statusreport „Strategische Nutzung von Rohstoffen in Deutschland“ auf eine rasche Lösung des Problems.
Das Fraunhofer-Institut für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie (IWKS) in Hanau hat immerhin bereits eine Testanlage aufgebaut, das nachhaltige Zentrum für Demontage und Recycling – Elektromobilität (ZDR-EMIL). Die Wissenschaftler wollen dort im Verbund mit lokalen Unternehmen Wiederverwertungsverfahren für sämtliche Komponenten von Elektroautos testen.
Und der Volkswagen-Konzern hat jetzt im Werk Salzgitter eine Pilotanlage für das Recycling von Hochvolt-Batterien in Betrieb genommen. Das Ziel ist die industrialisierte Rückgewinnung wertvoller Rohmaterialien wie
Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt in einem m geschlossenen Kreislaufsystem (Closed Loop) sowie von Aluminium, Kupfer und Kunststoff mit einer Wiederverwertungs-Quote von mehr als 90 Prozent. Bis zu 3.600 Batteriesysteme lassen sich in der Anlage theoretisch recyceln – werkstofflich, nicht thermisch. Das entspricht einer Menge von rund 1.500 Tonnen. Allerdings werden in Salzgitter erste Ende des Jahrzehnts größere Mengen erwartet. Denn erst jetzt kommen Elektroauto in großer Zahl in den Verkehr, deren Akkus eine Lebensdauer von wenigstens acht Jahren haben.
So bleibt Zeit, vorhandene Verfahren zu optimieren und Prozesse zu optimieren. Darum bemüht sich auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Wissenschaftler des KIT wollen Verfahren entwickelt, um die Akkus nachhaltiger und obendrein sicherer zu machen. Dazu erforschen die Wissenschaftler jetzt im Rahmen neuer Forschungsprojekte erstmals den kompletten Lebenszyklus von Lithium-Ionen-Akkus. Denn Batteriezellen mit einer dauerhaft hohen Leistungsfähigkeit könnten den ökologischen Fußabdruck von Anwendungen wie der Elektromobilität erheblich verringern, erklärt das KIT.
Alterungsprozess der Zellen verlangsamen
Nachhaltig wäre es auch, wenn die Batteriezellen nach ihrem Gebrauch in einem Elektroauto weitergenutzt werden könnten – Stichwort Second-Life-Speicher. Doch sind dafür nicht alle Zellen geeignet. „Beim dauerhaften Laden und Entladen einer Batterie finden unweigerlich auch unerwünschte Seitenreaktionen statt“, sagt Hans Jürgen Seifert vom Institut für Angewandte Materialien. Dies könne zu Degradation oder Alterung führen und die Leistungsfähigkeit mindern.
Genau hier setzen Seifert und sein Team an: „Man kann die Alterung der Zelle nicht ganz verhindern, aber durch ein entsprechendes Zelldesign verzögern und abmildern.“ Ein Langzeitbetrieb erfordere das perfekte
Zusammenspiel zahlreicher Komponenten und Materialien.
Darum analysieren die Wissenschaftler die Zersetzungsmechanismen im
besonders reaktiven Elektrolyt anhand der damit einhergehenden Gasbildung. Mittels kalorimetrischer Messungen wollen sie unter anderem Wärmemengen im Betrieb einer Batterie bilanzieren. Laut Thomas Wetzel vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik liegt der „Wohlfühlbereich“ der Zellen bei etwa 25 Grad Celsius. „Wenn man sie Hitze oder Kälte aussetzt, altern sie deutlich schneller.“
Ziel sei es, präzise Vorhersagen zum Zellverhalten bei der Nutzung machen zu können, so Seifert weiter. Auf Basis der Modelle des KIT könnten dann sichere und nachhaltige Batterien entwickelt und zügig in den Markt gebracht werden.
Akkus zerkleinern statt einschmelzen
Einen weiteren Schwerpunkt der Forschungsarbeit bildet das Recycling. Auch hier wollen die Forscher schon beim Batteriedesign ansetzen. Grundsätzlich existierten derzeit zwei unterschiedliche Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien, erklärt Hermann Nirschl vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik: das Einschmelzen beziehungsweise das mechanische Zerkleinern mit anschließendem Sortieren. Ersteres sei zwar sicher, die Recyclingquote aber begrenzt.
Für vielversprechender hält Nirschl mechanische Ansätze, wie sie etwa in Braunschweig vom Recylingunternehmen Duesenfeld oder vom Fachunternehmen Accurec aus Mülheim an der Ruhr praktiziert werden. Das Manko aus Sicht von Nirschl: Solche Verfahren seien momentan weniger sicher und die Materialtrennung laufe bislang „mäßig“. Am KIT würden daher einzelne Prozessparameter und -ketten des mechanischen Recyclings simuliert, verglichen und optimiert. Im Ergebnis solle das ein wirtschaftlich tragfähiges, umweltschonendes und funktionserhaltendes Batterierecycling ermöglichen.
Innovative Ansätze dafür seien etwa Schockwellen, Ultraschallverfahren oder die Nassmahlung. Aus den Simulationsergebnissen sollen künftig dann
Designmerkmale für ein besseres Recycling abgeleitet werden können. Weitere Projekte an Instituten des KIT beschäftigen sich unter
anderem mit der Kombination von mechanischen mit thermischen
Verfahren, um die Recyclingquote weiter zu erhöhen.
Wie lassen sich Zellbrände verhindern?
Auch soll erforscht werden, wie sich die Sicherheit von Batteriesystemen verbessern ließt. Sicherheitskritische Defekte auf Zellebene ereignen sich zwar nur selten, können aber schwere Folgen haben – etwa beim so genannten Lithium-Plating: „Ausgelöst wird der Effekt durch die Anlagerung von metallischem Lithium in der Anode“, erklärt Ulrike Krewer vom Institut für Angewandte Materialien. „Das kann zu einem massiven Kapazitätsverlust führen, im Extremfall auch zu Kurzschlüssen oder sogar zu einem Zellbrand.“
Damit es nicht so weit kommt, können Zellen während des Betriebs überwacht und geprüft werden. Allerdings wurden solche Online-Verfahren bislang vor allem im Labor eingesetzt und sind auf Systemebene noch zu wenig sensitiv. Krewer und ihr Team entwickeln nun verbesserte Analysealgorithmen für die Praxis. „Dabei berücksichtigen wir nichtlineare Vorgänge beim Betrieb einer Batterie, diese Daten wurden bislang kaum zur Diagnose genutzt“, so Krewer.
Die neuen Forschungsprojekte sind Teil der vom Bundesforschungsministerium ins Leben gerufenen Batterieforschungs-Cluster „greenBatt“ und „BattNutzung“. Die Bundesregierung fördert insgesamt vier solcher Cluster im Rahmen des Dachkonzepts „Forschungsfabrik Batterie“ mit insgesamt 100 Millionen Euro.