Grünes Ammoniak könnte den Klimawandel aufhalten. Als Brennstoff in Lkw-, Schiffs-, Flugzeug- und Bahnmotoren leistete es keinen Beitrag zur Erderwärmung, weil bei der Verbrennung kein Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt wird. Doch dabei entstehen ätzende Stickoxide, die gesundheitsschädlich sind. Diese müssen aufwändig mit Hilfe von Katalysatoren geknackt werden, damit sie keine Gefahr für Mensch und Umwelt mehr darstellen. Folglich hält sich die Nutzung als Motorentreibstoff bislang in sehr engen Grenzen.
Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und von Amogy, einem aus dem MIT ausgegründeten Start-up im New Yorker Stadtteil Brooklyn, haben die Welt jetzt aus der Zwickmühle befreit. Sie haben einen Katalysator entwickelt, der die Aufspaltung von Ammoniak in Wasser- und Stickstoff um 70 Prozent effizienter gestaltet als die heute für diese Reaktion genutzte Techniken. Damit wird die mobile und stationäre Nutzung von Ammoniak als Treibstoff für Brennstoffzellen möglich.

Amogy hat 2023 einen konventionellen Traktor von John Deere auf den umweltfreundlichen Antrieb umgerüstet. Der Tank hinter dem Fahrerhaus fasst hier 230 Liter flüssiges Ammoniak, das in einer 100 kW-Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird.
Elektrisch angetriebene Schiffe, Bahnen, schwere Lkw, Baumaschinen und Flugzeuge sind mit den für lange Strecken oder einen Dauerbetrieb nötigen tonnenschweren Batterien meist überlastet. Leichtgewichtige Brennstoffzellen, die zudem weniger Platz als Akkus einnehmen, wären besser geeignet, zumal sie immer billiger werden. Sie produzieren aus Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft Strom und Wärme.
Doch auch deren Einsatz ist nicht problemlos möglich. Der Wasserstoff muss in Druckflaschen, die bis zu 800 bar widerstehen, transportiert werden. Diese benötigen viel Platz, sodass sich der Volumenvorteil gegenüber der Batterieversorgung reduziert. Ammoniak lässt sich zudem besser speichern als Wasserstoff: Es muss lediglich auf minus 33 Grad Celsius gekühlt werden, damit es flüssig wird. Alternativ kann es auch komprimiert werden. Bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius reichen 9 bar aus, um Ammoniak zu verflüssigen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Trotzdem ist die Nutzung auf diese Art möglich, wie beispielsweise die U-Boote der Klasse 212 beweisen, die die Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel und die Nordseewerke Emden bauen und mit Siemens-Brennstoffzellen ausstatten. Doch für die kommerzielle Nutzung ist diese Lösung weniger geeignet. Ammoniak dagegen lässt sich fast wie Benzin tanken und bei mäßigem Druck transportieren. Und mit einem kleinen Cracker an Bord können Schiffe, Flugzeuge, Lastwagen und Bahnen daraus den benötigten Wasserstoff wirtschaftlich herstellen. Auch das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden beschäftigt sich deshalb intensiv mit der Technologie zur Stromgewinnung.

Amogy hat einen historischen Flussschlepper, der auf dem Hudson River fährt, bereits 2024 auf einen umweltfreundlichen Antrieb umgerüstet. Der Inhalt des 7.500 Liter fassenden Ammoniak-Tanks reicht für zwölf Betriebsstunden. Fotos: Amogy.
„Niemand hat bisher zeigen können, dass Ammoniak für den Antrieb von Schiffen und Lastwagen in großem Maßstab genutzt werden kann“, sagt Amogy-CEO Seonghoon Woo, der das Unternehmen mit drei weiteren MIT-Absolventen im Jahr 2020 gegründet hat. Bisher haben die Ingenieure des Unternehmens bereits den Motorwagen eines Sattelschleppers, ein Boot, eine Drohne und einen Traktor mit Brennstoffzellen, Elektromotoren und Ammoniak-Crackern ausgestattet.
2026 startet Pilotanlage im südkoreanischen Pohang
Sie glauben, dass die brennstoffzellengestützte Elektromobilität mit ihrer Methode einen Aufschwung erlebt. Weltweit gibt es bisher nur einige 10.000 elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge, die ihren Strom aus Brennstoffzellen beziehen. Fast alle führen den benötigten Wasserstoff in Druckflaschen mit sich, die in speziellen, bis heute auch in Europa raren Tankstellen unter Hochdruck befüllt werden müssen.
Amogy wird 2026 zusammen mit einer Hyundai-Tochter ein Ein-Megawatt-Pilotprojekt zur Umwandlung von Ammoniak in Strom in der südkoreanischen Stadt Pohang starten und plant, die Leistung an diesem Standort bis 2028 oder 2029 auf 40 Megawatt zu steigern. Woo sagt, dass Dutzende weiterer Projekte mit multinationalen Unternehmen in Planung sind.
Amogy verbilligt Wasserstoff-Importe
Heute wird Ammoniak in riesigen Hochtemperaturreaktoren zerlegt, die große Mengen an Energie benötigen. Diese hohen Temperaturen schränkten die Auswahl an Katalysatormaterialien ein, die für die Reaktion verwendet werden konnten. Das Amogy-Verfahren kommt mit deutlich niedrigeren Temperaturen aus – genauere Angaben macht das Unternehmen nicht –, die eine mobile Anwendung möglich machen. Die neuen Cracker dürften auch die Umwandlung von Import-Ammoniak in Wasserstoff verbilligen.
„Wir ermöglichen sogar die Dekarbonisierung der Schwerindustrie“, sagt Woo. „Wir zielen außer auf den Transportsektor auf die chemische Industrie und andere Branchen ab, die viel CO2 ausstoßen, wie die Zement- und Stahlhersteller. Unsere langfristige Vision ist es, Ammoniak als Brennstoff in einer Vielzahl von Anwendungen zu ermöglichen, darunter zur Stromerzeugung.“ Brennstoffzellen sind neben Batterien eine Option für die klimaneutrale Stromerzeugung in Zeiten, in denen Wind- und/oder Solarkraftwerke wetterbedingt zu wenig Strom erzeugen.