„Die Brennstoffzelle wird ihren Platz im Straßenverkehr haben“

Thiebault Paquet
Der Belgier leitet bei Toyota Motor Europa das Brennstoffzellen-Geschäft. Der Maschinenbau-Ingenieur und Vater von drei Kindern ist seit 24 Jahren für den Konzern tätig. Foto: Toyota

Herr Paquet, Sie brennen für Wasserstoff und die Brennstoffzelle. Nur aus beruflichen Gründen und weil sie gerade die Verantwortung für dieses Geschäftsfeld haben – oder steckt mehr dahinter?

Die große Herausforderung unserer Zeit ist es, die Erderwärmung zu stoppen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen aus unserer Fahrzeugflotte bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 2010 zu reduzieren. Dieses Ziel ist sehr ambitioniert und alles andere als einfach zu erreichen. Und dahin führt aufgrund der Komplexität der Aufgabe nicht nur ein Weg. Wir elektrifizieren dazu nach und nach unsere gesamte Flotte, bieten immer mehr Fahrzeuge mit Hybridantrieb an. Wir bringen batterieelektrische Autos auf den Markt, aber auch Personenwagen mit Brennstoffzellenantrieb – wir müssen alle Optionen nutzen, wenn wir das Ziel erreichen wollen. Und ich froh, dass ich die Wasserstoff-Technologie betreuen und auf den europäischen Markt bringen darf. Denn hier liegen große Potenziale.

Deutschland ist ziemlich zerstritten beim Thema Wasserstoff und beim Einsatz von Brennstoffzellenantrieben in Personenwagen: Nicht wenige Experten auch aus der Autoindustrie halten das für Energieverschwendung. Sie fordern eine Fokussierung auf den batterieelektrischen Antrieb. Das kann Ihnen nicht gefallen, oder?

Das ist sehr schade. Ich halte diese frühzeitige Festlegung auf einen Weg nicht für hilfreich. Ich verstehe, dass ein Automobilhersteller von Zeit zu Zeit Prioritäten setzen muss, um sich nicht zu verzetteln. Die Entscheidungen anderer Fahrzeughersteller kann und will ich hier nicht kommentieren. Wir bei Toyota haben über die Autos mit Hybridantrieb, die wir als erste auf den Markt gebracht haben, sehr viel über Batterieantriebe gelernt. Wir haben mittlerweile allein in Europa 16 Millionen Autos auf die Straße gebracht, die eine Traktionsbatterie an Bord haben…

…aber als Hybridauto überwiegend von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden.  

Richtig. Aber wir sind mit dem elektrischen Antrieb vertraut, haben die Technik im Haus. Wir können deshalb jederzeit ein Auto mit Batterieantrieb auf den Markt bringen, wenn der Kunde danach verlangt. Im kommenden Jahr werden wir deshalb auch ein erstes vollelektrisches Auto präsentieren. Aber Vorsicht: Das ist die einzige Lösung für alle Transportbedürfnisse. Wir sind der Überzeugung, dass auch die Brennstoffzellentechnik ihren Platz im Straßenverkehr der Zukunft haben wird. Und auch der Hybridantrieb wird sicher noch eine ganze Weile seine Daseinsberechtigung haben.

Um größere Flotten von Brennstoffzellenautos betreiben zu können, braucht es aber große Mengen an Wasserstoff. Und wenn es dem Klima etwas bringen soll, muss es grüner Wasserstoff sein, der etwa mithilfe von Sonnen- oder Windkraft gewonnen wird.

Absolut. Heutzutage ist der Wasserstoff größtenteils grau, wird also aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Das müssen wir ändern. Indem wir im ersten Schritt durch die Abscheidung von CO2 ihn blau färben. Aber am Ende muss der Wasserstoff komplett grün sein, keine Frage. Aber auf dem Weg dahin darf man nicht nur auf die Autobranche schauen. Die Industrie produziert heute 70 Millionen Tonnen Wasserstoff durch Dampfreformierung und andere großtechnische Verfahren. Wenn die EU bis 2050 klimaneutral sein will, dann muss man da ansetzen. Im „Green Deal“ ist das auch vorgesehen – große Investitionen in Elektrolyseuren zur Produktion von grünem Wasserstoff. Und das nicht nur in Europa, sondern auch in Saudi-Arabien und anderen afrikanischen Ländern. Darüber wird ein großes Momentum entstehen. Und davon wird dann natürlich auch der Verkehrssektor profitieren.

Sie denken also, grüner Wasserstoff wird bald in großen Mengen zur Verfügung stehen?

Es ist noch zu früh, darüber eine Aussage zu treffen. Es ist eine große Herausforderung, aber ich denke, es ist zu schaffen.

Um eine große Flotte von Brennstoffzellenautos in Europa betrieben zu können, wird aber auch noch das Tankstellennetz massiv ausgebaut werden müssen. Aktuell lässt sich europaweit nur an etwas mehr als 100 Plätzen Wasserstoff tanken. Was muss da noch passieren, damit der Ausbau schneller voran geht?

Auf einer Konferenz haben die Gasbranche kürzlich angekündigt bis zum 2030 das Netz auf insgesamt 1500 Wasserstoff-Tankstellen auszubauen. Wenn in Zukunft eine große Zahl von Lastzügen mit Wasserstoff fahren soll, braucht man eine solch große Zahl. Aber mit dem Ausbau des Netzes allein ist es nicht getan: Wenn nur einmal in der Woche ein Toyota Mirai an einer dieser Tankstellen vorbei kommt, dann entsteht darüber kein nachhaltiges Geschäftsmodell für die Betreiber. Wir wollen deshalb mit den Gesellschaften zusammenarbeiten, die Wasserstoff produzieren oder verteilen, um gemeinsam die Nachfrage zu stimulieren. Die Nachfrage wird zum größten Teil aus dem Transportgewerbe kommen, aus dem Betrieb von Lastzügen, Bussen und Taxifahrzeugen. Hier wollen wir den Hebel ansetzen.

650 Kilometer Reichweite in fünf Minuten
Der neue Toyota Mirai kommt weiter mit einer Tankfüllung und ist preisgünstiger als ein Batterieauto gleicher Reichweite. Ein Handicap ist aktuell noch das dünne Tankstellennetz.

Ich hatte kürzlich Gelegenheit, den Toyota Mirai der zweiten Generation zu fahren. Er kommt jetzt auf eine Reichweite von etwa 650 Kilometer. Das ist beachtlich – allerdings wiesen mich auch Tesla-Fahrer darauf hin, dass sie die Batterie ihres Autos genauso weit trägt. Wird Toyota da noch etwas drauflegen können?

Natürlich nehmen wir den Wettbewerb an. Aber die große Reichweite ist ja nicht die einzige Stärke des Brennstoffzellenautos. Es ist auch die kurze Tankzeit: Es braucht keine fünf Minuten, um den Tank des Mirai wieder zu füllen. Da kommt kein Tesla mit. Auch nicht am Supercharger. Und natürlich sind in puncto Reichweite leicht noch weitere Verbesserungen möglich. Durch eine Vergrößerung des Tankvolumens oder eine weitere Optimierung des Antriebs. Die zweite Generation des Mirai ist schon deutlich sparsamer als die erste. Und wir sprachen eben über das Thema Infrastruktur: Im vergangenen Sommer habe ich Bilder von Warteschlangen von Elektroautos vor Ladestationen gesehen. Auch dort muss noch einiges verbessert werden.

Und der Aspekt Gewicht ist ja auch nicht zu vernachlässigen: Ein Elektroauto mit einem 100 kWh-Akku ist deutlich schwerer als ein Auto, das den Fahrstrom in einer Brennstoffzelle selbst erzeugt.

Richtig. Und vergessen Sie die Kosten nicht: Den Preis für den neuen Mirai konnten wir deutlich senken. Er kostet in Deutschland nun 63.000 Euro. Ein Batterieauto mit gleicher Reichweite und 100 kWh-Batterie würde wenigstens 77.000 Euro kosten- Und es gibt noch einiges Potenzial, um den Brennstoffzellen-Antrieb noch preisgünstiger darzustellen. Bei den Batterien wird sich auch noch einiges tun, aber 70 Prozent der Kosten dort hängen am Material. Bei einer Brennstoffzelle sieht das völlig anders aus. Die Kosten hier hängen wesentlich von der Fertigung ab: Wenn die Stückzahlen steigen, sinken die Kosten. Unser Ziel ist es, das Brennstoffzellenauto in absehbarer Zeit zum Preis eines Hybridautos anzubieten.

Eines Hybridautos mit oder ohne Stecker?

Die Variante ohne Stecker. Das ist die Herausforderung.

Wie lange wird es dauern, um dorthin zu kommen?

Das ist schwer zu sagen. Wir sehen, wo wir seit der Einführung des ersten Mirai Fortschritte gemacht haben. Die Kosten sind um rund 20 Prozent gesunken. Die nächsten Schritte sind absehbar. Viel hängt jetzt von der Entwicklung der Stückzahlen ab. Darüber sollten einige Skaleneffekte zu erzielen sein.

Toyota Proace City Elektro
Den Kleintransporter gibt es ab Herbst 2021 auch mit einem 100 kW (136PS) starken Batterieantrieb – aus der Kooperation mit der französischen PSA-Gruppe. Foto: Toyota

Kommen wir noch einmal zurück zur Eingangsfrage: Batterie oder Brennstoffzelle. Sie würden sagen: Wir brauchen beides?

Unbedingt. Ich denke, der Batterieantrieb ist ideal für Stadtautos und Kleinwagen. Sie brauchen dafür nur eine Reichweite von etwa 200 Kilometer oder weniger. Bei einem größeren und schwereren Auto macht der Brennstoffzellenantrieb mehr Sinn. Das ist so ähnlich wie beim Benziner und beim Diesel: Der Dieselmotor hat sich in Klein- und Stadtwagen nicht durchgesetzt, da war der Benziner erste Wahl.

Gutes Stichwort: Wie lange werden wir nach Ihrer Ansicht noch Autos mit Verbrennungsmotor im Neuwagengeschäft sehen?

Wie gesagt: Bis 2050 soll die Toyota-Flotte komplett emissionsfrei sein. Da ist dann kein Platz mehr für Verbrennungsmotoren.

Auch wenn diese vielleicht mit E-Fuels betrieben werden?

Diese Möglichkeit müssen wir natürlich auch weiterhin im Sinn haben. Wir brauchen ein Portfolio von Technologien und müssen uns immer wieder aufs Neue fragen: Welche Technologie ist die beste, die effizienteste, die brauchbarste für den jeweiligen Zweck? Aber wir müssen auch realistisch bleiben: E-Fuels wird es nicht in beliebigen Mengen geben. Ich sehe das Einsatzfeld für solchen Sprit deshalb auch eher in der Luftfahrt.

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1 Kommentar

  1. Gerd

    Wow, ein BEV-Markteintritt mit einer „Silhouette“. Ist ja fast Daimler-Style.

    Da muss die Not aber groß sein, vom Markt überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

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