Die Entscheidung der Bundesregierung, zur Sanierung des Haushalts (auch) die Bauern zur Kasse zu bitten und die Subventionen für den Agrardiesel auslaufen zu lassen, hat die deutschen Landwirte in den vergangenen Tagen auf die Straße getrieben: Mit tausenden Traktoren machten sie sich auf den Weg in die Hauptstadt, um dort gegen die Sparpolitik zu demonstrieren. Die Proteste sorgten zwar dafür, dass die „Ampel“ die geplante Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer-Befreiung wieder zurücknahm. Und die Steuerbegünstigungen für den sogenannten Agrardiesel, mit denen die Landmaschinen in Deutschland betrieben werden, sollen nun schrittweise abgebaut werden, so dass erst ab 2026 der Dieselkraftstoff für die Traktoren so teuer wird wie der für Pkw oder Lastwagen.
Doch die Bauern konnte die Regierung mit ihrem neuen Plan nicht gewinnen. Müssen sie doch befürchten, dass ihre Kosten für Kraftstoffe und den Betrieb ihrer Landmaschinen in den kommenden Jahren durch die Decke gehen. Auch weil es derzeit angeblich keine ernsthafte, schnell verfügbare und günstige Alternative für dieselbetriebene Traktoren oder Mähmaschinen gibt. Das wird sich wohl auch auf der „Grünen Woche“, der internationalen Landwirtschaftsmesse in Berlin (19. bis 28. Januar) zeigen.
Im Interview mit Prof. Dr. Peter Pickel wollten wir wissen, wie sich Landmaschinen dekarbonisieren lassen – zu vertretbaren Kosten. Der Maschinenbauingenieur ist verantwortlich für Zukunftstechnologien beim European Technology Center von John Deere in Kaiserslautern.
Herr Professor Pickel, der Bauernaufstand hat in den vergangenen Tagen viele Städte lahmgelegt. Können Sie den Ärger der Landwirte – Ihrer Kunden – verstehen?
Ja klar. Wenn man einer Berufsgruppe Geld wegnimmt, tut das weh. Und das kann ich gut nachvollziehen. Zumal die Bundesregierung die Kürzung der Subventionen beim Agrardiesel sehr kurzfristig beschlossen hat. So hatten die Landwirte keine Zeit, sich darauf einzustellen. Die Landwirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der politische Druck auf die Landwirtschaft war auch vorher schon hoch: Die EU möchte, dass die Landwirtschaft bis 2050 klimaneutral arbeitet. Und die Bundesregierung möchte nun durch die Abschaffung der Subventionen für Dieselkraftstoff bis 2026 die Antriebswende auf dem Feld forcieren. Sind das realistische Ziele?
Die Landwirtschaft in Deutschland emittiert etwa 68 Millionen Tonnen CO2 im Jahr – sechs Millionen Tonnen davon durch den Einsatz von fossilen Kraftstoffen. Das sind etwa neun Prozent der gesamten Klimagasemissionen in Deutschland. Der Anteil der Traktoren und Landmaschinen an der Erderwärmung ist also sehr gering, um das hier mal deutlich zu machen. Aber natürlich arbeiten wir daran, die Emissionen zu reduzieren und Lösungen anzubieten. Und ich meine die gesamte Branche.
Welche Lösungen sehen Sie?
Lösung Nummer Eins – und die wird Schritt für Schritt kommen – sind elektrische Maschinen. Aber die wird es aus technischen Gründen nur im unteren Leistungsbereich geben, also bis zu einer Leistung von etwa 100 Pferdestärken. Darüber macht eine Elektrifizierung keinen Sinn. Die Lösung Nummer Zwei sind deshalb Biokraftstoffe. Unsere Maschinen, aber auch die der größten Wettbewerber, sind inzwischen für die Nutzung von HVO freigegeben, also von hydriertem Pflanzenöl. Wir arbeiten aber auch an anderen Biokraftstoffen oder dem Einsatz von reinem Pflanzenöl. Meines Erachtens ist das eine sehr interessante Lösung. Einer unserer Wettbewerber bietet auch schon Schlepper an, die mit Methan betrieben werden. Das hat seine Berechtigung, wird aber eine Nische bleiben.
Aber bevor wir über die alternativen Kraftstoffe reden, lassen Sie uns doch kurz bei den Elektro-Schleppern verweilen. Warum macht die Elektrifizierung von großen Traktoren keinen Sinn? Auch große Lastzüge fahren inzwischen batterieelektrisch.
Das liegt an der Art, wie diese Maschinen betrieben werden. Kleine Traktoren werden meist Hof-nah eingesetzt und auch nur wenige Stunden am Tag. Bei Umschlagarbeiten auf dem Hof besteht eine gute Möglichkeit, die Akkus zwischendurch aufzuladen. Mittelgroße und große Traktoren sind häufig einen ganzen Arbeitstag im Einsatz auf dem Feld, wo sie unter Volllast arbeiten. Da hat man keine Zeit für lange Ladevorgänge und keine Möglichkeiten dazu. Wenn Sie zehn oder zwölf Stunden pflügen müssen, können Sie nicht vier Stunden zusätzlich laden.
Und Megawatt-Charging am Ackerrand hat die Bundesregierung in ihren Plänen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur ja auch nicht vorgesehen.
So kann man es sagen, ja. Außerdem würden die Fahrzeuge, wenn man sie mit einer Batterie entsprechender Größe versehen wollte, sehr, sehr groß und sehr, sehr schwer: Allein die Batterie würde mehr als zehn Tonnen wiegen. Es bräuchte dann Raupenantriebe, um die Boden nicht massiv zu verdichten. Und natürlich würden die Schlepper extrem teuer werden.
Wenn wir die Landwirtschaft dekarbonisieren wollen, kommen wir aus Ihrer Sicht also nicht um alternative Kraftstoffe herum?
Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht. Wir träumen natürlich weiter von einem Wunder-Akku und haben auch bereits skizziert, wie ein vollelektrischer Traktor im Jahr 2040 oder 2045 aussehen könnte. Aber vorher sehe ich dafür keine technischen Möglichkeiten, die realistisch sind.
Der Elektro-Traktor, den John Deere für 2026 angekündigt hat, wird also nur etwas für Arbeiten auf dem Hof oder für Obstbauern sein?
Ja, eine solche Maschine mit 100 PS haben wir und diese ist vor allem für Spezialkulturen und für Hofarbeiten vorgesehen. Eine Besonderheit ist der autonome Einsatz. Zusammen mit New Holland, Fendt und Claas werden wir auf der Grünen Woche in Berlin zeigen, was heute möglich ist. Und man wird sehen: Der eVario von Fendt ist ein recht kleiner Traktor.
John Deere hat mit dem GridCON vor bald fünf Jahren mal den Prototypen eines kabelbetriebenen Elektro-Traktors vorgestellt. Das Konzept verfolgen Sie nicht mehr?
Vorläufig nicht. Das gehört in die Schublade mit der Aufschrift „Nach 2040“. Um so etwas umsetzen zu können, braucht es noch viele Schritte. Da fehlt es beispielsweise noch an einer Infrastruktur. Sie brauchen feldnahe Anschlusspunkte. Und für einer Antriebsleistung von 300 kW reicht keine Haushaltssteckdose. Da müsste man sich erst einmal mit den Stromversorgern unterhalten, was da möglich ist. Wir haben das Konzept damals entwickelt und auch in Stahl und Kupfer umgesetzt, um der Welt zu zeigen, was möglich ist und um Denkanstöße zu geben.
Warum gibt es noch keine Elektro-Traktoren oder Maschinen, die mit Wasserstoff und Brennstoffzelle stromern?
Das kann man sich vorstellen, so etwas schauen wir uns auch an. Aber bei mittelgroßen und großen Traktoren haben Sie da die gleichen Probleme wie bei Batterie-Traktoren – sie werden zu groß, zu schwer, zu teuer. Zudem ist die Brennstoffzellentechnologie für Einsätze auf Feldern und in Wäldern noch nicht robust genug. Und die Frage ist, wo der benötigte Wasserstoff herkommt. Die Verfügbarkeit ist derzeit bekanntlich noch nicht gut.
Ist die Verfügbarkeit bei den erwähnten Bio-Kraftstoffen denn besser?
Pflanzenöl aus Raps oder Sonnenblumen kann der Landwirt selbst produzieren oder in einer hofnahen Ölmühle gewinnen. Der Raps-Presskuchen, welcher bei der Produktion übrig bleibt, kann als Viehfutter eingesetzt werden. Das ist ein wertvoller Eiweißträger. Damit hätte man einen schönen runden und hocheffizienten Kreislauf.
Für den Anbau der Pflanzen müssten aber große Flächen aufgewendet werden, die heute für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt wird. Es läuft also auf den bekannten Tank-oder-Teller-Konflikt hinaus.
Die sogenannten ILUC-Debatte (kommt von „indirect land use change“ und thematisiert Verdrängungseffekte, die durch eine zusätzliche Nachfrage – beispielsweise nach Bioenergieträgern – ausgelöst werden, Anm. d. Red.) wird nicht ganz korrekt geführt. Natürlich können wir nicht überall Sonnenblumen und Raps anbauen, um den Bedarf an Kraftstoffen im Transportsektor zu decken und Dieselkraftstoff zu ersetzen. Wir glauben aber, dass ein begrenzter Einsatz von Biokraftstoffen in der Landwirtschaft Sinn macht. Wegen der hohen Effizienz und wegen des Koppelprodukts. Der erwähnte Presskuchen wird in der ganzen Tank-oder-Teller-Debatte nicht korrekt bewertet. Es ist ein wertvoller Eiweißträger, der in der Viehfütterung genutzt werden kann und über die Tiere dann wieder in die menschliche Nahrungskette gelangt. Es ist also eine Tank UND Teller-Diskussion. Und wir sparen darüber auch Soja-Importe. Für die Tierhaltung importiert die EU jedes Jahr etwa 35 Millionen Tonnen Soja aus Übersee.
In der Politik scheint das aber noch nicht angekommen zu sein oder Gehör zu finden, weil ultragrüne Kreise die Haltung von Nutztieren gerne komplett verbieten würde. Auch HVO kämpft derzeit in Deutschland um Anerkennung.
Ja, da hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren leider einiges geändert. Zur Jahrhundertwende konnte man noch reinen Biodiesel tanken, zum Teil auch Pflanzenöl. Wir wollen Argumente für eine Neubewertung liefern und ein Umdenken bewirken – in begrenztem Rahmen natürlich. Auch weil die Selbstversorgung der Landwirte mit Biokraftstoffen für eine gewisse Resilienz sorgt: Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in Kriegs- und Krisenzeiten wird auf diese Weise sichergestellt.
Für HVO-Kraftstoffe aus Altfetten gilt das hingegen nicht.
Nein, dafür essen wir nicht genug Pommes. Deshalb ist die Verfügbarkeit von Altfetten begrenzt.
Aber auch Biokraftstoffe stünden – Sie sagten es gerade selbst – nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Fossilen Dieselkraftstoff könnten sie also nicht komplett ersetzen?
Nein, keine Chance, wenn wir an den Kraftstoffbedarf des Transportsektors insgesamt denken. Für die Landwirtschaft würde es aber sicher ausreichen. Wir können etwa sechs bis sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland einsetzen, um die Landwirtschaft mit Biokraftstoffen zu versorgen. In diesem Umfang und vielleicht noch etwas mehr macht das Sinn und ist nachhaltig. Der Verbrauch der Landwirtschaft beträgt etwa vier Prozent des Transportsektors. Dieser Bedarf ließe sich sicher decken. Für größere Mengen aber reichen unsere Flächen nicht.
Das heißt aber, dass eine vollständige Dekarbonisierung der Landwirtschaft in den nächsten 20 Jahren nicht zu erwarten.
Mit ein wenig Elektrifizierung und mit Biokraftstoffen wäre es in Schritten durchaus zu schaffen. Die Arbeitsmaschinen machen, wie erwähnt, ja nur einen kleinen Teil der CO2-Emissionen aus. Der Großteil der CO2-Emissionen kommt aus der Tierhaltung und der Nutzung von Düngemitteln. Die Herstellung von Stickstoff ist mit einem hohen Energieaufwand verbunden. Da lässt sich noch einiges optimieren, in der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln. Wir haben Technologien, um die Menge an Dünger so zu dosieren, dass die Pflanze optimal wächst. An solch smarten Technologien arbeitet unsere ganze Branche. Wir schätzen, dass der Beitrag daraus zum Klimaschutz erheblich größer sein wird als der durch die Umstellung der Landmaschinen auf Biokraftstoffe.
Vielen Dank für das Gespräch!
Der Biodiesel Rapsmethylester hat es nicht gebracht. Zu viel Lachgasemissionen. Es würde, wenn jeder dritte Hektar so angebaut würde, weniger als 10% des Bedarfes erzeugt werden können. Mein Vorschlag wäre BME Bimethylester, das wird unter hohem Druck und Hitze aus Methanol gewonnen. Also aus Ökostrom, etc. Die Traktoren würden als Hybridantriebe und zus. Akkus ausgestattet, da der BME-Motor weniger Drehmoment entwickelt als ein Diesel. Der E-Motor gleicht das wieder aus. BME wäre der Ersatz des Propans/Butans. Schließlich wollen die Köche weiterhin mit Gas kochen. Warum hat das noch keiner gecheckt?
Um nochmal kurz über das HVO-Thema zu sprechen: Die Lufthansa hat 2011/12 eine kurze Zeit lang mit Biokraftstoffen aus Schlachtabfällen (wo das Tank-oder-Teller-Thema auch wegfällt) experimentiert. Chemisch gesehen müsste es möglich sein, aus diesen das Fett zu extrahieren und daraus auch HVO herzustellen. Es gibt noch viele andere Anwendungen: Bahn, Bundeswehr und Bausektor werden wohl kaum auf absehbare Zeit ohne Diesel auskommen. Zum Beispiel in Norwegen findet man häufig Care-Diesel an der Tanke, und auch in unseren unmittelbaren Nachbarländern sind vergleichbare Produkte immer häufiger zu sehen. Scheint, wir haben da in Deutschland wieder mal was verschlafen.