Molly Taylor ist derzeit wahrscheinlich die erfolgreichste Frau im Motorsport. Die 36-jährige Australierin gewann in ihrer Heimat bereits mit 18 Jahren ihre erste Rallye-Meisterschaft e und der vierfachen Australischen Rallyemeister-Co-Fahrerin Coral Taylor. Zwischen 2007 und 2018 kamen sechs weitere Meisterschaften in Australien und Großbritannien hinzu, die allesamt mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen errungen wurden. 2020 wechselte sie in den elektrischen Motorsport, heuerte beim Team Rosberg in der Elektro-Rennserie Extreme E an – und gewann gleich im Jahr darauf den ersten Meistertitel mit dem 544 PS starken Elektro-Geländewagen. Seit 2023 fährt sie für das Team von E.On Veloce, das dem Formel-1-Meistertechniker Adrian Newey und Formel-E-Pilot Jean-Éric Vergne gehört. Zusammen mit ihrem Co-Piloten, dem Schweden Kevin Hansen, führt sie vor den vier letzten Läufen die Gesamtwertung an. Wir trafen uns mit ihr im Testing Lab ihres Hauptsponsors E.On Drive in Essen, wo sie sich über neue Techniken für Elektroautos und Ladevorrichtungen informierte.

Hi Molly, in der Rennserie Extreme E läuft es derzeit sehr gut für Sie. Beim letzten Lauf, der in einer ehemaligen Kohlemine in Schottland ausgetragen wurde, haben Sie zusammen mit Kevin Hansen einen Sieg und einen dritten Platz eingefahren, stehen damit jetzt an der Spitze der Teamswertung. Es läuft alles nach Plan?

Ja. Dass wir in Schottland die Führung in der Meisterschaft übernommen und zwei Siege in Folge errungen haben, war für das ganze Team unglaublich. Es steckt viel harte Arbeit dahinter, und das Feld ist sehr, sehr konkurrenzfähig, so dass man um die Positionen kämpfen muss. Umso schöner, wenn dann alles zusammenpasst.

Die nächste Meisterschaft in der Rennserie ist also zum Greifen nah?

Sie zu erringen ist auf jeden Fall unsere Absicht, und wir wissen, dass wir alle dafür notwendigen Zutaten haben. Im Motorsport gibt es aber immer viele Unbekannte, so dass nichts sicher ist. Letztes Jahr wurden wir nur Dritter aufgrund einiger unglücklicher Zwischenfälle. Aber wir wissen, dass wir auf der Strecke die Schnellsten sein können. Und wenn alles zusammenpasst wie in Schottland, muss sich die Konkurrenz schon schwer anstrengen, um uns zu schlagen.

Die beiden nächsten Läufe finden auf Sardinien statt. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Wir sind schon im vergangenen Jahr auf Sardinien gefahren, wir kommen also an einen vertrauten Ort. Einer der Schlüssel zu einem guten Abschneiden bei der Extreme E ist die schnelle Anpassung an die Bedingungen vor Ort. Aber groß vorbereiten kann man sich darauf nicht: Vier Runden werden zum Training gefahren – und anschließend geht es direkt in den Wettbewerb.

Jubel ist angesagt
Beim sogenannten „Hydro X Prix 2024“, der auf dem Gelände einer ehemaligen Tagebau-Kohlenmini in Schottland ausgetragen wurde, errangen Mitte Juli Molly Taylor und Kevin Hansen (Mitte) einen Sieg und einen dritten Platz.

Zwischen den Läufen bleibt keine Zeit für das Training?

Nicht mit dem Fahrzeug. Aber wir fahren ein paar Rallycross-Veranstaltungen mit E.ON in der RX2E-Kategorie, der zweithöchsten Kategorie der Rallycross-Weltmeisterschaft. Wir haben bereits ein Rennen in Schweden absolviert und werden am Wochenende vor dem nächsten Lauf der Extreme E auf Sardinien ein weiteres Rennen fahren. Das ist eine fantastische Vorbereitung ist, weil wir in einem Elektroauto gegeneinander antreten. Es sind völlig andere Fahrzeuge, aber vieles lässt sich auch auf die Extreme E übertragen.

So etwas wie einen Rennsimulator wie den Teams der Formel E steht Ihnen also nicht zur Verfügung?

Nicht wirklich. Wir machen zwei Tage vor dem Rennen eine Streckenbesichtigung. Und für die Vorbereitung auf Sardinien stehen uns die Daten aus dem Vorjahr zur Verfügung. Aber oft sehen wir die Strecken zum ersten Mal an einem Donnerstagnachmittag – und am Tag darauf fahren wir sie schon mit voller Geschwindigkeit. Wir müssen also vieles spontan machen. Aber das macht auch für uns Fahrer den Reiz der Extreme E aus.

Sie haben Ihre Karriere im Motorsport mit benzingetriebenen Autos begonnen. Wie schwierig war der Umstieg auf elektrisch angetriebene Rennwagen?

Elektroautos sind natürlich etwas ganz anderes, die sofortige Beschleunigung ist fantastisch. Aber es war für mich keine große Umstellung, eher eine Neukalibrierung. Man hat nur zwei Pedale und muss nicht schalten, also weniger zu tun. Aber mechanisch ist es immer noch ein Auto. Und die Art und Weise, wie alles funktioniert, kann leicht übertragen werden.

In der Formel E hängt der Rennerfolg vor allem vom Energiemangement…

Wir müssen nicht auf den Ladestand der Batterie achten und keine Energie sparen. Wir können im Grunde genommen vom Start bis ins Ziel Vollgas geben.

Reichweitenängste kennen Sie also nicht. Wo liegt dann die große Herausforderung?

Neben den Örtlichkeiten ist es vor allem die Größe des Autos: Im Vergleich zu Rallye-Autos bewegen wir ein kleines Monster durchs Gelände. Das bringt Veränderung im Fahrstil mit sich, auch wegen des höheren Schwerpunkts. Und das hohe Fahrzeuggewicht von 1650 Kilogramm merkt man natürlich auch beim Wenden, Bremsen und Beschleunigen.

Was mitunter zu spektakulären Unfällen führt. Wie gefährlich sind die Rennen? Jutta Kleinschmidt musste nach einem Unfall im vergangenen Jahr ihre Karriere in der Extreme E beenden.

Motorsport ist von Natur aus gefährlich, egal in welcher Form man ihn betreibt. Aber ich denke, die Autos sind unglaublich stabil gebaut. Ja, es ab in den drei Staffeln von Extreme E einige schwere Unfälle. Aber glücklicherweise sind alle glimpflich ausgegangen. Wir wissen, wie viel Vorbereitung in den Bau und die Entwicklung dieser Autos geflossen ist, das Risiko ist also nicht unkalkulierbar. Deshalb können wir uns ganz darauf konzentrieren, eine gute Leistung zu erbringen.

Green Engineering
Die Teilnehmer der Extreme E beteiligten sich am Rande der Rennen in Schottland an der Regenerierung des Flusses Nith und seiner Nebenflüsse. Zusammen mit Professor Lucy Woodall und Professor Richard Washington vom "Extreme E-Wissenschaftskomitee reinigten sie die Laichgewässern des Atlantik-Lachses. Foto: Alastair Staley / LAT Images)
Green Engineering
Die Teilnehmer der Extreme E beteiligten sich am Rande der Rennen in Schottland an der Regenerierung des Flusses Nith und seiner Nebenflüsse. Zusammen mit Professor Lucy Woodall und Professor Richard Washington vom „Extreme E-Wissenschaftskomitee reinigten sie die Laichgewässern des Atlantik-Lachses. Foto: Alastair Staley / LAT Images)

Gegründet wurde die Rennserie mit dem hehren Ziel, die Aufmerksamkeit auf die bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels zu lenken. Einige Umweltschützer sagen jedoch, das sei eine Art Greenwashing, weil die Rennen an den exotischen Orten, an denen sie ausgetragen werden, mehr Schaden als Nutzen anrichte. Wie stehen Sie dazu?

Die Extreme E und die Umweltprojekten, die wir an den Veranstaltungsorten realisieren, haben die Absicht, jeden der Orte in einem besseren Zustand zu hinterlassen, als wir ihn vorgefunden haben.

Das klingt erst einmal gut. Aber gelingt das auch?

Ich bin davon überzeugt. Ja, wir nutzen die Orte, um unsere Rennen auszutragen. Aber wir stellen auch sicher, dass wir überall, wo wir hinkommen, einen positiven Nettoeffekt hinterlassen. Wir verbinen den Motorsport also mit etwas, was uns sehr am Herzen liegt – der Umwelt. Und wir können die Plattform nutzen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und unser Publikum für wichtige Themen zu sensibilisieren. Das halte ich für eine wirklich starke Sache. Auch habe durch die Gespräche mit den Wissenschaftlern, die uns begleiten, viel gelernt.

Worüber?

Nicht nur über die Klimakrise, sondern auch über all die Technologien und die Arbeit, die zur Bekämpfung der Klimakrise geleistet wird. Ich habe so viel gelernt, dass es sich definitiv auch auf meinen Alltag ausgewirkt.

Sie glauben, dass die Serie einen Einfluss auf die Klimaschutz-Debatte hat?

Ich denke schon. Es geht nicht darum, vom ersten Tag an absolut perfekt zu sein und alle Antworten parat zu haben.Aber wir müssen diesen Prozess beginnen, und ich denke, das haben wir in den drei Jahren seit dem Start der Rennserie 2021 getan.

Die Kollegen der Formel E betrachten ihre Rennserie auch als Testfeld für die Erprobung neuer Technologien und Komponenten. Profitieren die Autohersteller auch von den Erfahrungen aus der Extreme E?

Ich denke schon. Wir testen unsere Elektroautos wirklich auf Herz und Nieren, auch in verschiedenen Klimazonen, um die Antriebsleistung zu maximieren. Es geht darum, alles Komponenten unter härtesten Bedingungen kühl zu halten. Nicht nur die des Autos, sondern auch die Ladetechnik. Und das beispielsweise mitten in der Wüste Saudi-Arabiens, wo wir den Strom aus wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen beziehen. Das liefert viele Erkenntnisse, die sicher auch auf Serienfahrzeuge übertragbar sind und dabei helfen, das Beste aus Elektroautos herauszuholen.

Stichwort Wasserstoff: In der kommenden Saison wird aus der Extreme E die Extreme H – angetrieben werden die 400 kW starken Autos künftig von Brennstoffzellen.

Richtig, aber angetrieben werden die Räder immer noch von den gleichen Elektromotoren, die wir jetzt schon nutzen. Nur kommt die Energie dann statt aus einer Batterie aus einer Brennstoffzelle.

Extreme H 
Ab der kommenden Saison werden die 440 kW starken Elektro-Buggys der Extreme E nicht länger aus Batterien, sondern von Brennstoffzellen mit Fahrstrom versorgt, um die Leistungsfähigkeit der Technik zu demonstrieren. Fotos: Extreme E
Extreme H
Ab der kommenden Saison werden die 440 kW starken Elektro-Buggys der Extreme E nicht länger aus Batterien, sondern von Brennstoffzellen mit Fahrstrom versorgt, um die Leistungsfähigkeit der Technik zu demonstrieren. Fotos: Extreme E

Was ist der Grund für diese Umstellung? Um eine größere Reichweite zu erzielen oder das Fahrzeuggewicht zu reduzieren?

Nein, die Fahrzeuge werden eher noch schwerer und die Renndistanzen sollen eine ähnliche Länge haben wie heute. Ich denke, dass die Extrem E neue Pionierarbeit leisten und eine neue Technologie unter Extrembedingungen erproben soll.

Sie glauben, Wasserstoff ist das nächste Ding?

Nun, Wasserstoff ist definitiv Teil des zukünftigen Energiemixes. Was Elektroautos leisten können, ist inzwischen hinreichend bewiesen. Die Technologie funktioniert, ist ist robust und zuverlässig. Nun gilt es, den nächsten Schritt zu tun. Wasserstoff spielt auf jeden Fall im Verkehr eine Rolle, im Straßengütertransport auf langen Strecken, auf Schiffen, auch in der Luftfahrt. Aber die Brennstoffzellentechnik hat noch niemand unter Extrembedingungen ausprobiert. Wir wollen bewiesen, dass siesicher ist und funktioniert – auch um ihr den Weg in kommerzielle Anwendungen zu ebnen. Wir werden auch da sicher eine Menge lernen.

Und der eingesetzte Wasserstoff wird grün sein?

Ich bin davon überzeugt.

Subaru Solterra 
Bei ihren Rallyeeinsätzen in Australien wird Molly Taylor von Subaru unterstützt - unter anderem mit dem ersten allradgetriebenen Elektroauto der Marke. Foto: Subaru
Subaru Solterra
Bei ihren Rallyeeinsätzen in Australien wird Molly Taylor von Subaru unterstützt – unter anderem mit dem ersten allradgetriebenen Elektroauto der Marke. Foto: Subaru

Sie sprachen eben davon, dass sich die Rennserie und die Lehren aus den Umweltprojekten auch auf ihr Privatleben ausgewirkt hätten.Sind Sie auch privat schon auf ein Elektroauto umgestiegen?

Teilweise. In meiner Heimat Australien bin ich als Markenbotschafter von Subaru unterwegs. Die Marke hat gerade ihr erstes Elektroauto auf den Markt gebracht.

Den Solterra.

Richtig. Ich habe bereits einige Zeit mit diesem Fahrzeug verbracht. Auch privat. Unser Rallye-Auto zu Hause ist allerdings ein Subaru WRX. Der besitzt zwar einen Verbrennungsmotor, aber wir fahren ihn mit E85, also mit einem Kraftstoff, der zu 85 Prozent aus Bioalkohol besteht. Und ich setze mich auf lokaler Ebene dafür ein, unsere Energieversorgung möglichst auf erneuerbare Quellen umzustellen. Australien liegt in der Beziehung leider ein wenig hinter Europa zurück.

Dabei gibt es bei Ihnen in Australien so viele Möglichkeiten, Solarenergie zu nutzen.

Wir haben so viele Möglichkeiten in Australien, dass es manchmal frustrierend sein kann, zu sehen, wie wir hinter dem zurückbleiben, was möglich ist. Allerdings ist es auch ein Land mit großen Entfernungen. Das ist ein guter Ansatzpunkt für eine Wasserstofferzeugung und für den Einsatz von Brennstoffzellen im Straßenverkehr. Ich freue mich, wenn ich mithelfen kann, diese Entwicklungen voranzutreiben, privat und auch im Motorsport.

Viele Menschen auch in Europa scheuen den Umstieg auf ein Elektroauto noch. Haben Sie eine Idee, wie man das ändern könnte?

Man muss vor allem Vertrauen in die neue Technik schaffen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Viele Leute machen den ersten Schritt mit einem Hybrid- oder Plug-in-Hybrid, um es auszuprobieren. Und viele davon wechseln anschließend zu einem Elektroautos, Das kann ein Weg sein: Je schneller die Menschen Vertrauen in die Technik gewinnen, desto schneller wird das Elektroauto zum Mainstream. Am Anfang habe sich Menschen ein Elektroauto zugelegt, weil es gut für den Planeten ist. Aber inzwischen kann man ein Elektroauto auch kaufen, weil es einfach eine Menge Spaß macht, damit zu fahren.

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