Karin Rådström, die neue CEO von Daimler Truck, hat von ihrem Vorgänger Martin Daum eine gewaltige Hausaufgabe übernommen: Von der ehemaligen Scania-Managerin aus Schweden wird erwartet, dass sie den mit einer Jahresproduktion von über 500.000 Lastern und Bussen und einem Umsatz von rund 56 Milliarden Euro (2023) größten Nutzfahrzeughersteller der westlichen Welt auch zum Unternehmen mit den höchsten Margen in der Branche macht. Wettbewerber erreichen aktuell Renditen zwischen 14 und 15 Prozent erreichen – dieses Jahr werden die Stuttgarter wohl auf maximal 9,5 Prozent kommen.
Große Hoffnung liegt dabei auf der einstigen Mitsubishi-Tochter Fuso, an der Daimler seit 2011 gut 90 Prozent der Anteile hält. Und hier vor allem an der Modellreihe Canter. Der Leicht-Lkw, der als 6,0-, 7,5- sowie als 8,55-Tonner angeboten wird, ist wendig, relativ preisgünstig und vielseitig einsetzbar – und ein Verkaufsschlager. Seit der Markteinführung 1963 wurden bislang mehr als 4,5 Millionen Fahrzeuge des Typs produziert und auf über 70 Märkten weltweit abgesetzt. Damit zählt der Fuso Canter im Sprachgebrauch von Daimler Truck zu den „globalsten Fahrzeugen im Konzern“.
Seit 2017 gibt es mit dem eCanter auch eine elektrische Variante, die in zweiter Generation für europäische Kunden in Portugal hergestellt wird. Karl Deppen, der im Vorstand von Daimler Truck für das Asiengeschäft und damit auch für Fuso zuständig ist, ist ein großer Fan der Baureihe.
Herr Deppen, was macht den Fuso Canter und insbesondere die elektrische Version – nur die interessiert uns hier – so besonders?
Gleich mehrere Dinge. Herausragend ist fraglos die hohe Nutzlast bei kleiner Grundfläche. In seiner Grundkonzeption ist es ein extrem flexibles und vielseitiges Fahrzeug, das eine Vielzahl von Anwendungen abdeckt. Deswegen ist er auch so wichtig beim Umstieg auf Elektromobilität. Das Zweite, was ihn besonders macht, ist State-of-the-Art Batterietechnologie, nämlich Lithium-Eisen-Phosphat-Zelltechnologie, die sich besonders im Nutzfahrzeugeinsatz durch Robustheit und Langlebigkeit auszeichnet. Es war von Anfang an unser Entwicklungsziel, mit dem eCanter ein echtes Arbeitstier darzustellen. So, wie es die Kunden auch vom Diesel gewohnt sind.
Auch besonders ist: Wir haben keine Batterie am, sondern unterm Rahmen installiert. In Verbindung mit der e-Achse bietet das viel Anbaufläche für Aufbauhersteller und die gleiche Flexibilität wie in den Dieselvarianten. Das führt dazu, dass wir heute schon 85 Prozent der Dieselvarianten als Elektrofahrzeug abbilden können. Damit machen wir den Umstieg zur Elektromobilität für die Kunden so einfach wie möglich.
Ist der eCanter also so etwas wie eine Allzweckwaffe?
So weit würde ich nicht gehen. Aber wir haben eine spezifische Kundengruppe mit bestimmten Anforderungen, die wir mit dem Modell erfüllen. Hinzu kommt das Thema, das in Deutschland vielleicht nicht ganz so wichtig ist: Südeuropäische Märkte, wo in Kommunen aufgrund enger Gassen die Wendigkeit ganz wichtig ist. Solche Anwendungsfälle sind durch einen Mercedes Actros schlicht nicht abzubilden.
Wo ist der Canter besonders stark?
Grundsätzlich stark ist Fuso in südostasiatischen Märkten, zum Beispiel Indonesien. Das gleiche gilt auch für die Mena-Region (Mittlerer Osten und Nordafrika, Anm. d. Red.), also Länder wie Saudi Arabien. In Saudi Arabien hat Fuso seit zwei Jahren ein Werk, wo wir eine CKD (Completely Knocked Down)-Fertigung betreiben. Es gibt Nachfrage aus diesen Märkten. Da bestehen starke Händlerbeziehungen, das Netzwerk hat sich vergrößert.
Den eCanter gibt es seit 2017. Was ist seitdem passiert?
Vor sieben Jahren wurde der eCanter als erstes Fahrzeug im Segment elektrischer Leicht-Lkw eingeführt. Sprich: Dieses Fahrzeug ist jetzt auch schon sieben Jahre in Betrieb, hat in dieser Zeit zig Millionen Kilometer gesammelt und ist seit letztem Jahr mit Folgemodell und entscheidenden Verbesserungen auf dem Markt. Das ist eine Expertise gerade in der jetzigen Konkurrenzsituation.
Und der Markt in China? Ist er eine Chance oder ein Problem?
Der Markt in China ist natürlich ein schwieriger Markt. Er hat nach der Pandemie nicht zu seiner ursprünglichen Größe zurückgefunden, stagniert jetzt das dritte Jahr in Folge auf einem erheblich geringeren Niveau als in der Vor-Pandemiezeit. Mit hohen zweistelligen Einbrüchen. Gleichzeitig ist im chinesischen Markt auch eine erhebliche Überkapazität vorhanden. Und so wie bei den Pkw drängt diese Überkapazität in internationale Märkte. Das sah man auch auf der IAA Transportation 2024 und auf anderen Messen. Wie immer ist mehr Wettbewerb aber auch mehr Ansporn, sich dem zu stellen. Das tun wir bei Daimler Truck.