Jene Jaguar-Fans, die dem britischen Autobauer nach dem großen, viele verstörenden Aufschlag des Konzeptautos „Type 00“ auf der Art Basel in Miami vor einem Jahr die Stange gehalten haben, müssen sich noch etwas gedulden. Der offizielle Neustart der Marke nebst erstem Modell wird noch etwas länger als ursprünglich geplant auf sich warten lassen. Denn bis zum Spätsommer 2026 wird das erste neue Modell der britischen Traditionsmarke, ein über 5,20 Meter langer Gran Turismo, noch unter Verschluss bleiben. Die ersten Kunden dürften nach aktuellem Stand sogar erst im Frühjahr 2027 in dem Luxus-Stromer Platz nehmen, der bei Jaguar alles bisher dagewesene auf den Kopf stellen wird.
Auch wenn einige Automarken wie Ford gerade der Elektromobilität abschwören: Der nächste Jaguar wird nicht nur riesengroß, sondern auch rein elektrisch bleiben. Projektmanager Rawdon Glower: „Wir setzen weiterhin uneingeschränkt auf eine rein elektrische Zukunft und befinden uns in der finalen Entwicklungsphase unseres neuen vollelektrischen Jaguar GT. Da ich ihn selbst gefahren bin, kann ich Ihnen versichern, dass sich das Warten gelohnt hat.“

Der neue Elektro-GT kommt auf breiter Spur und mit 5,20 Metern Länge mächtig daher. Und äußerst kräftig mit drei Elektromotoren.
Ein Ausflug nach Gaydon, in die streng gesicherte Entwicklungsabteilung von Jaguar Land Rover, zeigt: Selbst unter der schwarz-weißen Tarnfolie ist der kommende Viertürer imposant, ja geradezu gewaltig. Die Front mit schmalen LED-Schlitzen macht einem mehr Angst als der düstere Himmel und die Heckansicht mit dem heftig herausgearbeiteten Radhäusern ist nicht weniger eindrucksvoll. In den Radkästen drehen sich stattliche 23-Zoll-Walzen auf geschundenen Prototypenfelgen, die schon einiges mitgemacht zu haben scheinen.
Drei Elektromotoren mit 735 kW Leistung an Bord
Die 23 Zoll sind serienmäßig und nicht nur als Option, wie Glower betont. Dazu kommen technische Finessen wie Allradlenkung und Luftfederung, während für den Vortrieb drei Elektromotoren, einer vorne und zwei hinten, sorgen. Die Gesamtleistung: rund 735 kW oder 1.000 PS bei weit mehr als 1.000 Newtonmeter Drehmoment. Die Reichweite soll durch das rund 120 kWh große Batteriepaket bei rund 700 Kilometern liegen. Das ist schon mal eine Ansage.

Mit den in Pink und hellblau lackierten Konzeptautos sowie einer woken Werbekampagne schockte Jaguar auf der Art Basel in Miami vor einem Jahr die traditionelle Jaguar-Community. Der Vergleich mit dem Prototypen zeigt: Der kommende GT wird konventioneller.
Zu was dieses Antriebspaket im Stande ist, zeigt sich auf dem Beifahrersitz eines der rund 150 durch die Welt fahrenden Prototypen. Die Sitzposition ist ungewöhnlich niedrig und ungemein leise geht es auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke, auf der Testingenieur Navid Shamshiri nach ein paar lockeren Einführungsrunden plötzlich in Sekundenbruchteilen auf mehr als 200 km/h beschleunigt. Die Elektro-GT liegt dabei wie ein Brett auf der Piste. Dazu ein langer Radstand und eine breite Spur – dieses Paket passt zum Briten, der im britischen Solihull von Band laufen wird.
Verkaufspreise ab 150.000 Euro
„Um ein Auto zu entwickeln, das sich so gut fährt, wie es aussieht, haben wir das umfassendste Jaguar-Entwicklungsprogramm aller Zeiten durchgeführt“, erläutert Testfahrer Shamshiri und lässt die elektrisch surrende Katze nochmals von der Leine, bevor er den Kreisverkehr nahezu unbemerkt vorbeifliegen lässt und das Ganze auf einer weiteren Runde auf der Piste nochmals wiederholt.
Innen geht es hinter den dunklen Tarnmatten ebenso nüchtern wie edel zu. Echtes Leder allenthalben, weiche Teppiche und bequeme vier Einzelsitze – okay, das bieten wohl einige. Doch die Instrumente sind kleiner als erwartet und das zentrale Bediendisplay könnte auch ein iPhone 17 Pro Max sein. Beifahrer- oder Head-Up-Display sucht man zumindest in diesem Erprobungsträger vergeblich.

Projektmanager Rawdon Glower (rechts) erläutert unserem Autor die Vorzüge des vollelektrischen Jaguar GT, der 2026 enthüllt wird.
Ob das reicht, wird sich zeigen, denn Jaguar hat sich nicht nur neu erfunden und das eigene Image auf links gedreht. Auch bei den Preisen wurde die Schraube nicht nur einfach nach oben gedreht, sondern das Niveau geradezu in eine andere Sphäre katapultiert: Unter 150.000 Euro dürfte beim kommenden Jaguar Elektro-GT kaum etwas gehen. Da wird die Luft dünn und alles muss passen.
„Neues, mutiges Kapitel“ in der Firmengeschichte
Die Fensterflächen des Jaguar GT sind klein, die Karosserieflächen ungewöhnlich groß und immer wieder fallen diese mächtigen Walzen ins Auge, die den verkleideten Prototypen wie eine nicht allzu realitätsnahe Studie erscheinen lassen. Auch auf der Handlingstrecke glänzt der Zukunfts-Brite in den Händen von Testpilot Shamshiri trotz schlechten Wetters mit seiner ausgewogenen Abstimmung – straff, aber alles andere als hart. Gefedert wird vorne wie hinten mit Luft.

Die 150 Prototypen sind zwar noch mit wilden Tarnfolien beklebt. Aber die Grundform des Viertürers lässt sich bereits gut erkennen.
„So einen Jaguar hat es noch nicht gegeben“, unterstreicht Rawdon Glower. „2026 erleben wir die Rückkehr von Jaguar und schlagen ein neues, mutiges Kapitel auf. Der erste einer neuen Generation luxuriöser Elektrofahrzeuge ist ein GT – der technisch fortschrittlichste Jaguar aller Zeiten und ein Auto, das in Aussehen und Fahrgefühl unvergleichlich ist.“
Jetzt müssen nur noch Marketing und Neupositionierung der Marke klappen, denn diese Baustelle scheint größer als noch jede so komplexe Fahrzeugentwicklung: Im August wurde der langjährige Jaguar-CEO Adrian Mardell durch den indischen Tata-Manager Richard (PB) Balaji ersetzt. Und kürzlich machten in England Meldungen die Runde, wonach Jaguar seinen langjährigen Designchef Gerry McGovern, 69, gefeuert habe. Erst mit zwei Wochen Verzögerung dementierte das Unternehmen diese Berichte.