Für Teamchef James Barclay war es ein versöhnliches Ende eines Grand-Prix-Wochenendes in Monte Carlo. Den ersten Lauf auf der Lieblingsstrecke des Jaguar CTS-Teams im Fürstentum am Mittelmeer hatten seine beiden Fahrer nur mit Plätzen im hinteren Drittel des Starterfelds beendet. Den zweiten Lauf unter feuchten Bedingungen beendete Nick Cassidy mit seinem Jaguar I-Type 7 mit einem dritten Platz. Für das amtierende Weltmeister-Team war es im sieben Lauf erst der zweite Podiumsplatz. Ein in vielen Teilen neues Auto, dazu ein Reglement, das neuerdings bei einigen Rennen einen Ladestopp vorsieht – da will sich erst einmal alles wieder einspielen.
Aber in der Formel E ist Jaguar immerhin noch im Rennen, wetteifert die Marke mit Porsche, Maserati und McLaren sowie mit Nissan, der VW-Tochter Cupra und DS aus der Stellantis-Gruppe vor Millionen Menschen auf fünf Kontinenten um die Krone im elektrischen Formel-Sport. Aus dem globalen Automobilgeschäft hingegen ist die britische Traditionsmarke erst einmal raus: Die Serienfertigung der meisten Modelle endete bereits im Sommer vergangenen Jahres. Und die Produktion des letzten Modells vom Typ F-Pace im LandRover-Stammwerk Solihull läuft in Kürze aus. Den Jaguar-Händlern steht dann eine kleine Durststrecke voraus, die sie mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen – oder dem Absatz von Fahrzeugen der Schwestermarke LandRover überbrücken müssen.

Wozu braucht es eine lange Motorhaube, wenn sich darunter nur ein kompakter Elektromotor versteckt? Jaguar will mit den Proportionen einen Bogen zum legendären E-Type aus den 1960er-Jahren schlagen, die noch von einem Zwölfzylinder befeuert war.
Das Neuwagengeschäft beginnt erst wieder Anfang 2026, wenn die ersten Exemplare des revolutionär neuen Elektro-GT in den Handel kommen. Zum Einstiegspreis von über 100.000 britischen Pfund, umgerechnet etwa 120.000 Euro. Der genaue Preis des Luxus-Stromers steht noch ebenso wenig fest wie der Name des Modells. Immerhin gibt die „Designvision“ Type 00 Interessenten eine Ahnung, wie das Fahrzeug aussehen wird: alles andere als klassisch, sondern stark avantgardistisch, mächtig bis protzig – und ganz sicher unverwechselbar. Erstmals gezeigt wurde der „Zero Zero“ mit der riesigen Motorhaube Anfang Dezember vergangenen Jahres während der Kunstmesse „Miami Art Week“. Seine Deutschland-Premiere feierte das Konzeptauto am zurückliegenden Wochenende im Münchner Haus der Kunst. Und auch bei der Formel E wird es immer wieder aufscheinen, um das staunende Publikum auf die neue Markenwelt von Jaguar und den kommenden viertürigen Gran Tourismo einzustimmen.
Jaguar I-Pace lieferte erste E-Erfahrungen
Die elektrische Rennserie ist dafür eine gute Plattform. Einerseits, weil sich an Veranstaltungsorten wie Monte Carlo, Miami, Tokio und Shanghai gerne die zahlungskräftige Zielgruppe der Marke einstellt. Zum anderen, weil man hier demonstrieren kann, dass Jaguar die Elektromobilität auch in ihrer dynamischsten Form beherrscht.

Mit Flügeltüren, aber ohne Heckscheibe kommt der Jaguar 00 daher. Auf den „Leaper“, das traditionelle Markensymbol kann das Modell verzichten – es ist selbst schon ein Statement der Stärke und Dynamik. Da kann auch der Jaguar-Schriftzug klein ausfallen.
Erste Erfahrungen mit der Elektrotraktion sammelten die Briten noch unter deutscher Führung bereits 2018 mit der Einführung des Jaguar I-Pace. Das 4,68 Meter lange und 400 PS starke Allradler mit einem 90 kWh-Akku war zwar kein Verkaufsschlager: In Deutschland wurden zwischen Markteinführung und Produktionsende im vergangenen Dezember lediglich 3.717 Fahrzeuge des Typs abgesetzt. Aber Jaguar sammelte mit dem Modell viele wertvolle Erfahrungen, sowohl hardware- wie softwareseitig. Vor allem lernte das Unternehmen, wie wichtig das Thema Thermomanagement ist: Die von LG Chem zugelieferten Batteriezellen überhitzten schnell und gingen mitunter in Flammen auf. Jaguar sah sich deshalb in den USA gezwungen, einige tauend Exemplare zurückzukaufen.
Waymo will I-Pace-Produktion wieder aufnehmen
Aber ganz so schlecht kann der Stromer nicht gewesen sein: Die Alphabet-Tochter Waymo hat kürzlich bekannt gegeben, den I-Pace in Zusammenarbeit mit dem Auftragsfertiger Magna International neu auflegen und in Arizona ab 2026 in mehreren tausend Exemplaren wieder bauen zu wollen. Eingesetzt werden sollen die hochgerüsteten Stromer als Robotaxen in verschiedenen Städten Kaliforniens, in Texas und Florida, wo Waymo mit dem Jaguar bereits hochautomatisierte Fahrdienste betreibt oder künftig anbieten will.

Die Marketingkampagne, mit der Jaguar Ende vergangenen Jahres die neue Ära einläutete und ein junges Publikum anzusprechen versuchte, polarisierte stark. Inzwischen hat sich Jaguar von der verantwortlichen Kreativagentur wieder getrennt. Foto: Jaguar.
Bei Jaguar ist der I-Pace längst Vergangenheit, konzentrieren sich alle Kräfte seit vier Jahren schon auf den Neubeginn, der mit dem geplanten Luxusstromer eingeläutet wird. Über die Technik des Fahrzeugs, das jeden Porsche Taycan in den Schatten stellen und auch den geplanten Bentley EXP 100 GT übertrumpfen soll, mögen die Jaguar-Ingenieure und -Designer noch nichts verraten. Erst einmal gilt es, das Publikum auf die neue Ära einzustimmen. Die „Reimagine“-Kampagne, die Jaguar im Vorfeld der Art Miami Art Week gestartet hatte, sorgte bei vielen Jaguar-Traditionalisten für einen Kulturschock. Auch wir mussten uns an den neuen Jaguar-Schriftzug, das neue Logo und den Verzicht auf den springenden Jaguar auf der Motorhaube erst gewöhnen. Erst recht an die Optik der Marketing-Kampagne, die in den Sozialen Medien heftigen Widerspruch ausgelöst hatte. Mit dem Ergebnis, dass sich Jaguar kürzlich von der dafür verantwortlichen Kreativagentur trennte.
Jaguar 00 verfehlt seine Wirkung nicht
Aber das in einem matten Ultramarin lackierte Konzeptauto hat immerhin einige Reize – wenn man es denn in natura sieht. Das bullige, über fünf Meter lange Sportcoupé sieht aus, als wäre es aus einem Aluminiumblock herausgefräst. Unter Verzicht auf Schnörkel jeder Art – ganz gradlinig. Die lange Motorhaube mag zwar markentypisch sein und an den legendären Jaguar E erinnern. Aber bei dem war unter der Haube ein Zwölfzylinder montiert – Elektromotoren brauchen deutlich weniger Bauraum. Spektakulär sind die Flügeltüren des Jaguar 00. Und der holz- und lederfreie Innenraum des Zweisitzers, der sich dahinter öffnet. Das Auge fällt erst auf feine Messingdetails und edle, mit Stoff bespannte Sitze, dann auf zwei großflächige Monitore, die auf Knopfdruck aus dem Armaturenträger herausfahren. Ähnliches kannte man bislang nur aus der Möbelproduktion.

Avantgardistisch kommt das Konzeptauto auch im Innenraum daher, sowohl was die Formgebung als auch die Materialien anbetrifft.
In Monte Carlo verfehlte das auf einer Plattform im Hafenbecken ausgestellte und kunstvoll illuminierte Konzeptauto die von den Marketingstrategen erhoffte Wirkung nicht: Die Resonanz des Publikums war – so weit feststellbar – ausnahmslos positiv. Das macht den Jaguar-Managern Hoffnung, dass die Neuerfindung der Marke gelingen könnte. Das Serienauto, so deuteten sie an, werde Ende des Jahres präsentiert. Vielleicht auf der IAA Mobility im September? Nein, auf der deutschen Automesse werde das Unternehmen nicht teilnehmen – Jaguar brauche einen feineren Rahmen, hieß es in Monte Carlo. Wir sind gespannt, auch wann die ersten Autos tatsächlich auf den Markt kommen werden. Auf Testfahrten im hohen Norden wurde das noch stark getarnte Fahrzeug bereits gesichtet – da kann es bis zur Markteinführung nicht mehr so weit hin sein.