Yugo hat es in den 1980ern vorgemacht, Dacia hat es perfektioniert und Skoda gezeigt, was als günstige Automarke alles möglich ist – selbst im so anspruchsvollen Europa. Jetzt will das US-Start-up Slate (auf deutsch: Schiefertafel) zeigen, dass so etwas auch in den USA möglich ist. Ebenso sehenswerte wie praktische Autos mit zeitgemäßer Technik zum günstigen Preis – so wie einst das Model T von Ford.
Zwei der reichsten Männer der Welt treten damit erstmals auf dem Elektroauto-Markt gegeneinander an. Elon Musk hat es mit Tesla vorgemacht und den Autohersteller zu einer Elektro-Ikone werden lassen, der mit dem Tesla Model Y das meistverkaufte Fahrzeug der Welt produziert. Ihm folgt nunmehr US-Milliardär und Amazon-Gründer Jeff Bezos, der mit Slate das nächste Massenprodukt unter die Konsumenten bringen möchte. Bezos ist zwar nicht Inhaber von Slate Auto, jedoch einer der größten finanziellen Unterstützer.
Slate ist keine neue Art der Mobilität, sondern ein einfaches Auto, das auf seiner variablen Plattform einen zweisitzigen Pick-Up ebenso darstellen kann wie eine fünfsitzigen SUV. Niedrige Entwicklungs- und Produktionskosten gepaart mit einer minimalen Varianz sorgen für günstige Preise. Nach Abzug der entsprechenden steuerlichen Vergünstigungen soll das Basismodell „The Blank Slate“ („die unbeschriebene Tafel“) nur rund 20.000 US-Dollar kosten.
Radikale Plattform
„Die Definition dessen, was erschwinglich ist, ist zerbrochen“, sagt Slate-Chefin Chris Barman, die früher unter anderem für Fiat Chrysler und den Energiemanagement-Spezialisten Eaton Industries tätig war. „Slate existiert, um die Macht zurück in die Hände der Kunden zu legen, die von der Autoindustrie ignoriert wurden. Slate ist eine radikale Nutzfahrzeug-Plattform, die so anpassbar ist, dass sie sich von einem zweisitzigen Pickup zu einem fünfsitzigen SUV verwandeln kann.“

Auf einen großen Touchscreen müssen die Käufer eines Slate aus Kostengründen ebenso verzichten wie auf zahlreiche Assistenzsysteme für das teilautomatisierte Fahren. Es sind alles nur Kostentreiber, sagen die Entwickler. Airbags immerhin gibt es.
Das Design des 4,44 Meter langen Pick Ups ist einfach, geradlinig, schnörkellos und irgendwie sympathisch. Ein bisschen Ford Bronco, etwas Jeep Wrangler oder Ford Maverick mit einem Hauch Rivian. Mit seinem Radstand von 2,76 Meter bietet der spartanische Pick-up im Führerhaus Platz für zwei bis drei Personen, die sich über die karge Instrumentierung genauso wundern wie über Fensterkurbeln und Stahlfelgen. Ein kleines Infodisplay für den Fahrer, den Rest erledigt das eingeclipste Smartphone oder Tablet der Insassen – abseits der USB-Ports keinen Schnick-Schnack, doch vielleicht auch etwas viel automobile Kargheit für die zweite Hälfte der 2020er Jahre.
53 kWh-Akku für Einsteiger
Doch der Slate Pick-up will in erster Linie ein praktisches Nutzfahrzeug sein. Mit zahlreichen Modulen und praktischen Details lassen sich die Modelle maximal individualisieren. Für den Antrieb sorgt zumindest in einem ersten Schritt nur ein Elektromotor an der Hinterachse mit 150 kW oder 204 PS Leistung und 264 Nm maximalem Drehmoment. Das reicht für 150 km/h Spitze und dank eines Akkupakets von knapp 53 kWh für 150 Meilen oder 240 Kilometer. Optional ist ein 84 kWh großes Batteriepaket zu bekommen, mit dem fast 400 Kilometer bis zum nächsten Ladestopp drin sein sollen.
Nachgetankt wird entweder an der Wallbox mit elf Kilowatt oder 120 Kilowatt an einem Schnelllader. Das ist nicht viel, aber ausreichend für viele der Kunden, die zumeist Gewerbetreibende sein dürften. Der knapp 1,7 Tonnen schwere Pick-up kann auf seiner offenen Ladefläche immerhin 650 Kilogramm zuladen und leichte Anhänger bis 450 Kilogramm an den Haken nehmen.

Ganz nach dem persönlichen Geschmack lässt sich der unlackiert Slate vom Käufer leicht folieren. Assistenzsysteme und anderer teurer „Schnickschnack“ sind hingegen nicht vorgesehen.
Der elektrische Pick-up, unterwegs auf McPherson-Achse vorn und DeDion-Hinterachse mit 17-Zöllern, lässt sich mit Zubehörteilen zu einem SUV oder offenen Crossover umfunktionieren. Auch Außen gibt es zahlreiche Anbauteile und Folien, um den Slate zu einem echten Einzelstück werden zu lassen. Für Sicherheit sorgen entsprechende Regelsysteme und bis zu acht Airbags.
Dass die Slate-Modelle in einer reaktivierten Fabrik in Indianapolis, Indiana, gefertigt werden, dürfte US-Präsident Donald Trump sicher gefallen. Wer Lust bekommen hat – die Vorbestellungen im Konfigurator kosten gerade einmal 50 Dollar. Kein Wunder, dass die Nachfrage riesengroß ist. Die ersten Fahrzeuge sollen Ende kommenden Jahres ausgeliefert werden. Ob die Schiefertafel auch in Europa angeboten wird? Alles andere als unwahrscheinlich.