In wenigen Monaten schon könnten in Grünheide bei Berlin die ersten Elektroautos von Tesla vom Band rollen. Die Bauarbeiten an der Gigafactory gehen zügig voran, dieser Tage wurden nach Medienberichten bereits die ersten Roboter für das geplante Karosseriewerk geliefert, mit denen die Karosserien des Model Y geschweißt und lackiert werden sollen. Doch das Problem ist: Für die Fabrik hat Tesla noch keine offizielle Hauptgenehmigung – gebaut wird immer noch mit vorläufigen Zulassungen und auf eigenes Risiko.

Eigentlich sollte die Baugenehmigung schon Ende vergangenen Jahres erteilt werden. Doch aktuell prüft das Land Brandenburg immer noch 416 Einwändungen von Anliegern, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden gegen das Gesamtvorhaben, die bei einer achttägigen Mammut-Anhörung Anfang Oktober vergangenen Jahres gegen die Tesla-Fabrik vorgetragen worden waren. Das Protokoll darüber füllt insgesamt 1233 Seiten. Sollte das Land Brandenburg den Kritikern Recht geben und die Genehmigung versagen – was theoretisch durchaus noch möglich ist – müsste Tesla die Fabrik wieder abreißen.

Tesla-Chef Elon Musk platzt der Kragen

Kein Wunder, dass Tesla-Chef Elon Musk jetzt der Kragen platzte. In einem 10-seitigen Brandbrief an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich die „Tesla Manufacturing Brandenburg SE“ – der Ableger des Weltkonzerns, der in Grünheide die Tesla-Gigafactory Berlin-Brandenburg errichtet – im Auftrag von Musk Unverständnis über die schleppende Arbeitsweise der deutschen Behörden geäußert.

Schöner Schein
Teslas Elektroauto-Fabrik in Grünheide im Architektenentwurf. Foto: Tesla

„Der deutsche Genehmigungsrahmen für Industrie- und Infrastrukturprojekte sowie für die Raumplanung steht in direktem Gegensatz zu der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendigen Dringlichkeit der Planung und Realisierung solcher Projekte“, kritisiert der US-Elektroautohersteller in dem Brief. Es sei „besonders irritierend“, dass es 16 Monate nach dem Antrag noch keinen Zeitplan für die Erteilung einer endgültigen Genehmigung gebe. Die Ursache dafür sehen die Tesla-Vertreter in Deutschland darin, dass in den Genehmigungsverfahren Projekte, die der Umwelt schaden genauso behandelt werden wie solche, die den Klimawandel bekämpfen – wie der Bau einer Fabrik für E-Autos.

Tesla unterstützt Deutsche Umwelthilfe

Die Erklärung gab Tesla im Rahmen eines Verfahrens ab, dass die Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Bundesrepublik vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg angestrengt hat. Die DUH möchte mit der Klage ein konkretes Regierungsprogramm zur Umsetzung des von Deutschland unterzeichneten Pariser Klimaschutzabkommens erzwingen.

Tesla hatte in dem so genannten Amicus Curie-Brief zur Unterstützung der DUH-Klage nicht nur scharfe Kritik an der deutschen Bürokratie geäußert, sondern auch gleich zehn Maßnahmen vorgeschlagen, um Verfahren für nachhaltige Projekte wie die Gigafactory von Tesla („Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die globale Energiewende zu beschleunigen, die maßgeblich zur Bekämpfung des gefährlichen Klimawandels beiträgt“) zu beschleunigen.

Gefordert wurde, das Genehmigungsrecht für Energiewendeprojekte in Deutschland durch eine Vereinfachung zu beschleunigen: Es sei heute ein „eklatantes Problem“ dass ein Projekt, das den Klimawandel bekämpft wie eine Elektroautofabrik, gleich behandelt werde „wie ein Projekt, dass die den Klimawandel beschleunigt und die globale Erwärmung verschlimmert (wie z.B. ein Kohlekraftwerk).“ Für nachhaltige Projekte sollte es nach Ansicht von Tesla einen „Fast Track“ geben mit einer „refokussierten“ Beteiligung der Öffentlichkeit bei Genehmigungs- und Raumplanungsverfahren. Aktuell würden in Deutschland einige Bestimmungen über Öffentlichkeitsbeteiligungen „zu Missbrauch einladen“. Das Veranstaltungsformat „belohnt letztlich Lautstärke statt Substanz“. Auch eine Wortlaut-Protokollierung von Anhörungen hält das Unternehmen für kontraproduktiv. Es erhöhe nur den Verwaltungsaufwand und bremse die Abläufe.

Politik weist Kritik von Tesla zurück

Die Politik reagierte zurückhaltend bis kritisch auf den Brandbrief von Tesla. Am deutlichsten wurde der Verkehrsexperte Christian Görke von den Linken: „Solange es Tesla nicht schafft, seine Rechnungen für Wasser oder die vorzeitige Genehmigung von Baumaßnamen fristgerecht zu bezahlen und wiederholt gemahnt werden musste, sollte sich das Unternehmen mit Generalkritik zurückhalten.“ Eine Sprecherin der Bundesregierung verwies darauf, dass es im Bundesemissionsschutzgesetz „keine Unterscheidung zwischen scheinbar klimafreundlichen und eher klimabelastenden Investitionen“ gebe.

Auch der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), wies die Kritik von Tesla an den Genehmigungsverfahren zurück. „Ich kenne derzeit kein anderes Projekt, für das auf allen Ebenen so viel getan wurde, um eine schnelle Realisierung zu gewährleisten, wie für das Vorhaben Tesla“, sagte Bareiß dem „Handelsblatt“.

Allerdings räumte Bareiß ein, dass das Tesla-Projekt einen schwer lösbaren, „immer größeren Interessenkonflikt“ zwischen Artenschutz, Umweltschutz und Klimaschutz aufzeige. Politik und Genehmigungsebene müssten immer mehr zwischen „dem Schutz des Lebensraums der Fledermaus oder der Eidechse und andererseits der Einhaltung unserer hohen Klimaschutzziele“ abwägen und Prioritäten setzen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Ist Tesla für Verzug selbst schuld?

Unverständnis über den Brandbrief von Tesla äußerte auch die brandenburgische Landesregierung. Schon jetzt nutze man „im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regeln Beschleunigungsmöglichkeiten“, koordiniere man „Aktivitäten im Zusammenhang mit der Errichtung der Gigafactory in der von der Brandenburger Staatskanzlei geleiteten Task Force“, hieß es in einer Stellungnahme.

Aber der Verzug liege nicht nur an den Behörden, sondern auch an Tesla selbst: Der Autobauer reiche angeforderte Unterlagen oft deutlich zu spät ein und die Dokumente für neue Bauabschnitte seien meist unzureichend, beklagten Regierungskreise.

Ob Tesla wie geplant im Juli die Produktion des Model Y in der Gigafactory Grünheide aufnehmen nehmen kann, ist also aktuell mehr als ungewiss.

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4 Kommentare

  1. haarthhoehe

    Jeder Beteiligte kehrt seine Vorteile heraus, um sich im besten Licht darzustellen. Vielleicht sollte man sich zusammensetzen, um die anstehenden Probleme zu lösen. Wenn es ein Wasserproblem z.B. gibt, dann kann man das Wasser auch mit der Bahn ankarren.
    Witzig finde ich die Selbstdarstellung der Genehmigungsbehörde. Da war doch was? BER. Der gleiche Landkreis?
    Noch etwas: dieser Musk ist ein Hitzkopf. Wenn ihm die Sache gegen den Strich geht, dann kann ich mir vorstellen, dass er das Projekt einstellt und alles verkauft. Und dann Polen?
    Mit diplomatischen Geschick würde ich ihm erzählen, wie es weitergeht und wann er produzieren kann. Man macht aber das Gegenteil. Und das ist es, was nicht in seine Welt passt.

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  2. Tobias

    Ich finde es schon bemerkenswert, dass man als Autokonzern von sich selbst behauptet, man tue etwas gegen den Klimawandel und müsse deshalb bevorzugt behandelt werden.
    So dreist kann das nur ein amerikanisches Unternehmen verlangen.
    Sicher, Tesla ist Wegbereiter einer – auf lange Sicht! – ressourcenschonenderen Automobilindustrie. Aber Fakt ist, dass jedes neu verkaufte Auto, egal mit welchem Antrieb, das Klima schädigt – und jedes neu verkaufte Elektroauto sogar erstmal mehr, als jeder Verbrenner (Stichwort „CO2-Rucksack“).

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    • Klimativist

      jedes nicht gebaute e-Auto führt zu einem gebauten „Verbrenner“.

      DAS ist die eigentlich schlechteste aller Alternativen.

      Man muß sich auf den Weg machen – etwas tun (oder auch lassen, wie zB Öl / Benzin zu verbrennen).

      Es fällt ja soviel leichter zu sagen:
      „ne, das gefällt mir nicht“ – um nichts verändern zu MÜSSEN. Oder „Ich warte / setze auf Wasserstoff – dann dauerts halt noch 20J.

      Ne Leute – so verändert man nichts zum Guten. Lasst Elon mal machen.

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      • Franz W. Rother

        Vielleicht sollten wir Elon auch mal den Ausbau der Windenergie und die Entscheidung über das Endlager für Atommüll fällen lassen – ohne Rücksicht auf Anlieger und Politiker. Wollte er nicht auch neue Atomkraftwerke bauen? „Ich bin nicht gegen Atomkraft“, sagte er bei seinem jüngsten Besuch in Berlin, „dort, wo keine Gefahr von Naturkatastrophen wie Erdbeben besteht, ist das Risiko der Nuklearenergie sehr klein.“

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