Der deutsche Markt für Elektroautos boomt. 13,5 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw haben mittlerweile einen elektrischen Antrieb. Und fast zehn Prozent bewegen sich ausschließlich mit dem Strom, der im Akku des Fahrzeugs gespeichert ist. Geladen wird der Stromspeicher zu über 80 Prozent zu hause oder am Arbeitsplatz, wie aus den Daten von CIRRANTiC und THEON Data für den „Charging Radar“ hervorgeht. Kein Wunder: Dort ist der Strom deutlich billiger als an den öffentlichen Ladestationen.

Entsprechend groß dynamisch entwickelt sich der Markt für Wallboxen – privaten „Stromtankstellen“ mit Ladeleistungen bis zu 22 Kilowatt (kW). Zumal die „Errichtung neuer Ladestationen für Elektroautos im nicht öffentlich zugänglichen Bereich von Wohngebäuden“, wie es im Beamtendeutsch heißt, seit 24. November vergangenen Jahres auch staatlich gefördert wird: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zahlt einen Investitionszuschuss von 900 Euro pro Ladepunkt, sofern dieser mit Ökostrom betrieben wird, er maximal 11 kW abgibt und netzdienlich ausgelegt ist – also die Ladeleistung bei einer hohen Belastung des Stromnetzes gedrosselt werden kann.

Das Geschäft mit Wallboxen boomt

Seitdem brummt das Geschäft mit den Wallboxen. Die Liste der förderfähigen Anlagen auf der Website der KfW wächst beinahe täglich. 150 Anbieter von Wallboxen sind dort mittlerweile aufgeführt. Darunter ist auch der Autozulieferer Webasto. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 3,7 Milliarden Euro kennt man als Hersteller von Dachsystemen, von Schiebe-, Panorama-Cabriodächern, auch als Lieferant von Standheizungen und Kühlsystemen. Ein Wachstumsfeld ist aber auch die Elektromobilität: Webasto liefert Batteriesystem für die Autoindustrie und seit 2016 auch Ladelösungen.

Geleitet wird die Sparte Charging Systems von der Diplom-Ingenieurin Anna-Lena Majer aus Bad Tölz. Wir sprachen mit ihr über die Entwicklung des Geschäftsbereichs – und innovative Ladelösungen für Elektroautos, an denen Webasto gerade arbeitet.

Anna-Lena Majer
Vice President Charging Systems beim Autozulieferer Webasto. Foto: Webasto

Frau Majer, wie hat sich das staatliche Förderprogramm für die Anschaffung privater Ladestation für Elektroautos auf ihr Geschäft ausgewirkt?

Unsere Verkaufszahlen haben sich seitdem verdoppelt.

Was heißt das in absoluten Zahlen?

Wir arbeiten gerade am Jahresabschluss, deshalb sind die Zahlen noch nicht fix. Aber im Dezember lag der Umsatz 360 Prozent über dem eines durchschnittlichen Monatsumsatzes. Da sieht man sehr deutlich die Auswirkungen der Fördermaßnahme, aber auch unserer Verkaufsaktion zum Black Friday, die sehr gut angenommen wurde. Insgesamt glauben wir, dass sich ein großer Teil der ausgeschöpften Fördermittel auch noch in den kommenden Wochen in den Verkäufen niederschlagen wird.

Wie viele Wallboxen produziert Webasto durchschnittlich im Jahr?

Wir fahren eine Doppelstrategie, verkaufen Wallboxen nicht nur an Endkunden, sondern auch an gewerbliche Kunden im Automotive-Umfeld.

An Autohändler, Fahrzeughersteller.

Richtig. Unser Auftragsbestand steigt stetig und liegt für das Geschäftsfeld Elektromobilität inzwischen bei etwa drei Milliarden Euro. Im Bereich Charging produzieren wir Ladetechnik – das bedeutet Wallboxen und Ladekabel – in Stückzahlen liegen wir bei diesem Auftragsbestand etwa im zweistelligen Millionenbereich.

Das sind ja in der Tat beeindruckende Zahlen – für eine Sparte, die erst vor fünf Jahren aus der Taufe gehoben wurde.

Das lässt sich so erklären: Jedes ausgelieferte Elektroauto hat schon einmal ab Werk ein Ladekabel im Kofferraum liegen. Webasto ist der führende Anbieter im Direktgeschäft mit den Herstellern von Elektroautos. Dazu produzieren wir für viele Autohersteller die Wallboxen, die diese ihren Autohäusern und auch ihren Endkunden anbieten. Dann haben wir noch das sogenannte Aftermarket-Geschäft, gemeint ist der Verkauf an Vertriebspartner und direkt an Endkunden über unseren Online-Shop. Und hinzu kommt auch noch, dass inzwischen viele Energieversorger eigene Lösungen anbieten wollen. Für die produzieren wir auch. Wenn man das alles zusammenrechnet, da kommt man schon auf eine ganz ordentliche Größenordnung.

Wir überlegen unter anderem, wie man verhindern kann, dass man sich im Winter an Ladekabeln die Finger schmutzig macht, wenn das Elektroauto außerhalb einer Garage geladen wird.

Kann man sagen, für welche Autohersteller Webasto Wallboxen fertigt?

Alle können wir natürlich nicht nennen.

Weil es zu viele sind.

(Lacht) Genau. Wen man nennen kann, ist Ford. Die launchen gerade unterschiedliche Produkte von uns.

In Deutschland?

Weltweit. Wir sind einer der wenigen Hersteller von Ladetechnik, die weltweit agieren. In den USA haben wir vor zwei Jahren von AeroVironment (AV) in Kalifornien eine Sparte übernommen und uns so einen Zugang zum US-Markt verschafft. In China produzieren wir in Wuhan. Dazu kommt das europäische Geschäft. Damit bedienen wir alle Regionen, in denen Elektromobilität eine Rolle spielt, mit lokalen Produktionen.

Woher kommen die Wallboxen für Kunden in Deutschland?

Aus dem schönen Wörth-Schaidt in der Pfalz.

Ein Wettbewerber von Ihnen, Heidelberger, hat dieser Tage bekannt gegeben, die Produktionskapazitäten für Wallboxen wegen der gestiegenen Nachfrage auszubauen. Gibt es ähnliche Pläne bei Ihnen?

Wir fahren in allen Regionen die Produktion hoch. Durch Multi Product Lines sind wir beim Skallieren des Produktionsvolumens sehr flexibel und können auf die Kundenwünsche schnell und kostengünstig reagieren.

Das reicht?

Durch die Flexibilität sind hochvolumige Aufträge schnell umsetzbar. Wir verfolgen auch an unseren europäischen Standorten eine modulare Strategie. Die Produktionsline sind hochflexibel, so dass wir schnell auf eine erhöhte Nachfrage reagieren können ohne gleich neue Linien bauen zu müssen.

Die preisgünstige Wallbox Pure Black von Webasto ist trotzdem gerade ausverkauft. Wie kommt’s?

Wir hatten eine sehr hohe Nachfrage nach dem Modell und bereiten gerade den Launch einer neuen Modellgeneration vor, die das Laden zuhause noch bedienungsfreundlicher gestalten wird.

„Durch die Flexibilität sind hochvolumige Aufträge schnell umsetzbar“
Produktion von Wallboxen im Webasto-Werk Wörth-Schaidt in der Pfalz. Foto: Webasto

Was ist denn an einer Wallbox noch zu verbessern? Eigentlich sind es ja nur ein paar Kabel, Schalter und Sicherungen.

Die Wallboxen sind unterschiedlich intelligent. Die Welt digitalisiert sich gerade und dementsprechend entwickeln sich auch die Wallboxen. Wir packen immer mehr Intelligenz in die Wallbox, nicht nur für die Kommunikation mit dem Fahrzeug, sondern auch mit dem Haus und einem Home-Management-System. Wir versuchen auch den Komfort für den Endverbraucher zu erhöhen.

Wie zum Beispiel?

Wir überlegen unter anderem, wie man verhindern kann, dass man sich im Winter an Ladekabeln die Finger schmutzig macht, wenn das Elektroauto außerhalb einer Garage geladen wird.

Durch induktives Laden?  

Wir denken eher an ein robotergestütztes Laden. Wir haben uns ganz bewusst gegen das induktive und für das konduktiv-automatisierte Laden entschieden.

Warum?

Weil es eine Kernkompetenz von Webasto ist: Ein elektrisches Cabriodach hat schon die Komplexität, die es für einen Laderoboter braucht. Hier vereinen wir unser Know-how.

Wann ist ein solcher Laderoboter für Einsätze im privaten Bereich zu erwarten?

Hier sind wir noch in der Entwicklung. Einen genauen Zeitpunkt können wir leider noch nicht nennen.  

Die Ladeboxen, die Sie im Augenblick anbieten, kosten bereits um die 1600 Euro. Das sind schon hohe Beträge.

Unsere Kunden haben unterschiedliche Anforderungen. Viele haben bereits eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Hauses oder einen Heimspeicher. Hier möchte der Kunde, dass alle Systeme miteinander kommunizieren können. Dementsprechend aufwändig wird das System und umso smarter muss die Wallbox sein. Wenn eine Kommunikation zwischen Auto und Wallbox für den Kunden ausreicht, genügt die nur mit dem ein einfacheres Modell. Entsprechend bauen wir unser Portfolio auf: Von einer einfachen Wallbox bis hin zu einem vollvernetzten Produkt.

Die wachsende Zahl von Elektroautos wird vor allem in den Städten zum Problem, belegen aktuelle Zahlen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Der Verband der Automobilindustrie schlägt bereits Alarm. Laden

Wir reden gerade nur von Wallboxen. Gibt es auch Pläne, das Portfolio in Richtung von DC-Ladestationen auszubauen?

Definitiv. Wir entwickeln bereits eine DC-Wallbox. Allerdings wird Webasto nicht in das öffentliche Schnellladen einsteigen – unser Fokus liegt auf Märkten mit hohen Stückzahlen.

Also keine HighPowerCharger?

Nein. Wir gehen bei der Ladeleistung bis 66 Kilowatt hoch und haben auch das Thema Bidirektionalität im Blick.

Wer braucht denn eine Wallbox, die 66 kW Gleichstrom liefert? Sicherlich kein Privathaushalt.

Nein, sicher nicht. Wir denken eher an gewerbliche Anwender, Lieferbetriebe und Logistikunternehmen, die elektrische Kleintransporter einsetzen und sich keine langen Ladepausen erlauben können.

Das bidirektionale Laden funktioniert derzeit nur mit Fahrzeugen aus asiatischer Produktion mit CHAdeMO-Anschluss.

Das ist schon einmal ein Anfang. Aber wenn man an Vehicle2Grid denkt, also an virtuelle Kraftwerke, dann führt an der Bidirektionalität kein Weg vorbei –  das gilt auch für Europa. Da werden wir mit unserer DC-Wallbox einsteigen.

Wir gehen bei der Ladeleistung bis 66 kW hoch und haben das Thema Bidirektionalität im Blick.

Wann?

Wir planen mit einer sukzessiven Einführung in den Markt ab 2022.

Bundeswirtschaftsminister Altmaier würde gerne die Wallboxen fernsteuern, bei allzu großer Nachfrage von Ladestrom auch drosseln können. Sie erwarten, dass das so kommt?
Ich denke, dass es in Zukunft sehr intelligente Lösungen geben wird. Unsere smarten Wallboxen sind bereits voll kommunikationsfähig und mit der online Updatefähigkeit auch auf kommende Anforderungen vorbereitet. Damit kann man beispielsweise die Ladeleistung reduzieren oder erhöhen, um das Netz zu stabilisieren. Man kann zudem eine tarifoptimierte Ladung steuern, so dass nach Tages- und Nachtzeiten geladen werden kann, zu denen der Strom besonders preisgünstig ist. Aber auch die einfachste Ansteuerung mittels Schaltkontakt über den bis heute verwendeten Rundsteuerempfänger ist mit unseren Produkten möglich.

Die nächste Generation
Die neue „Pure“-Wallbox wird nochmals intelligenter – und bald verfügbar sein. Foto: Webasto

Webasto-Chef Holger Engelmann hat kürzlich angekündigt, ein Milliardengeschäft mit der Elektromobilität machen zu wollen. Welche Potenziale sieht sie in dem Geschäftsfeld noch, was Produkte und Dienstleistungen anbetrifft?

Wir sind im Bereich „New Technologies“, zu dem auch das Geschäftsfeld Charging Systems zählt, mit einem Auftragsbestandin einer Größenordnung von drei Milliarden Euro befasst.

Welcher Kunde fehlt Ihnen denn noch?

Wir haben im vergangenen Jahr China mit einem großvolumigen Auftrag erschlossen. Was darüber hinaus im Bereich Charging noch ansteht, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen.

Was wollen Sie denn noch dazukaufen?

Wir haben im vergangenen Jahr China mit einem großvolumigen Auftrag erschlossen. Was darüber hinaus im Bereich Charging ansteht, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen.

Dann frage ich mal so: Was fehlt Ihnen denn noch zur Vervollständigung des Portfolios – technisch wie nach Regionen?

Wir werden 2021 dazu nutzen, um die APAC Region weiterauszubauen…

…das heißt?

Den asiatischen Raum Asien insbesondere Korea, Indien und Japan.

Und technologisch?

In einem stark wachsenden Markt kann man nie sagen. Wir haben derzeit ein sehr breites Portfolio von Cordsets und AC Wallboxen, bauen nun noch weiter aus mit DC Wallboxen und automatisierten Systemen. Wir haben bereits Firmen mit Charging-Expertise zugekauft. Aber ich würde auch nicht ausschließen, dass wir auch noch weiter zukaufen, wenn sich die Gelegenheiten ergeben sollte. Mit Blick auf unsere Mitarbeiter haben wir sehr gute Spezialisten an Board, haben im letzten Jahr deutlich Personal aufgebaut – und stellen weiterhin ein.

Wie viele Menschen sind inzwischen in Ihrem Bereich tätig?

Im gesamten Bereich Elektromobilität sind es rund 630 weltweit.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Sie fahren selbst auch schon elektrisch?

Zumindest teilelektrisch: Ich fahre einen Plug-in-Hybrid.

Zu einem rein elektrischen Auto fehlte der Mut?

Nein, aber als ich meinen Dienstwagen bestellt habe, gab es die Option für ein Elektroauto noch nicht. Mein nächstes Auto wird definitiv rein batterieelektrisch fahren.

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