Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis Ende kommenden Jahres auf den deutschen Straßen sehen. Das Ziel erschien 2019 ehrgeizig bis vermessen, doch inzwischen sieht es so aus, als könnte das Ziel noch in diesem Jahr erreicht werden – wenn man die Teilzeitstromer mit E-Kennzeichen hinzurechnet.

Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamt (KBA) waren Ende 2020 bereits 716.000 Steckerautos unterwegs, davon rund 374.400 reine Batterieautos (BEVs). Tendenz steigend – Umweltbonus und Innovationsprämie, die sich bei einigen Fahrzeugherstellern und Modellen zu Preisvorteilen von bis zu 11.000 Euro summieren, werden auch weiterhin ihre Wirkung entfalten. Nach einer Hochrechnung des Reiner Lemoine-Institut für das Bundesverkehrsministerium und die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur könnten bis zum Jahr 2030 in Deutschland insgesamt 14,8 Millionen Elektro-Fahrzeuge zugelassen sein, 9,6 Millionen BEVs und über fünf Millionen Plug-in-Hybride. Das wäre dann etwa ein Drittel des heutigen Pkw-Gesamtbestandes.

13 E-Autos müssen sich einen Ladeplatz teilen

Und damit stellt sich schon in diesem Jahr immer drängender die Frage, wo all diese E-Mobile ihre Akkus laden werden. An den öffentlichen Ladepunkten in der Stadt oder daheim.

Im öffentlichen Raum, das belegen die aktuellsten Zahlen von Theon DATA und CIRRANTiC für den Charging Radar von EDISON, stehen mittlerweile immerhin fast 55.000 Ladepunkte zur Verfügung – 46.956 so genannte „Scharchlader“ mit Ladeleistungen von bis zu 22 kW Wechselstrom sowie knapp 8.000 mit Gleichstrom betriebene Schnellladepunkte mit Ladeleistungen von 50 kW und mehr. Rein rechnerisch mussten sich somit etwa 13 Elektroautos einen Ladeplatz teilen.

Ende Oktober betrug die Relation noch 10:1 – nach Ansicht des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) wie der Bundesregierung ist das der Idealzustand, da der Großteil der Ladevorgänge immer noch am Arbeitsplatz oder in der heimischen Garage stattfindet.

Langsam kippt es
Als ideal gilt ein Verhältnis von 10 E-Autos pro (öffentlichen) Ladeplatz. Die stark wachsende Anzahl von Steckerautos – inklusive der Plug-in-Hybride – hat bis Ende Dezember den Lade-Index aus dem Gleichgewicht gebracht. Grafik: Constanze Fischer

Der Ausbau des Ladenetzes geht weiter voran – aber nicht mit den gleichen Zuwachsraten wie bei den Neuzulassungen von Elektroautos. Die größte Dynamik gibt es nach den Erhebungen beim Bau der so genannten „Hypercharger“ mit Ladeleistungen jenseits von 150 kW. So genannte Schnellladeparks – mit mehreren Schnellladern unter einem Dach wie auf dem Aufmacherfoto, das den Ladepark von Fastned in Limburg zeigt – könnten zusammen mit der wachsenden Reichweite der Elektroautos dazu führen, dass der Bedarf an öffentlichen Ladestationen in den Städten deutlich sinkt und es zu keinen Staus vor den Ladepunkten kommt.

Nach Ansicht von Experten lässt sich aus solchen Strom-Tankstellen auch noch am ehesten ein Geschäftsmodell entwickeln. Das erklärt vielleicht, warum mit Shell und Aral/BP inzwischen auch Mineralölgesellschaften begonnen haben, Ultra-Schnelllader unter ihren Tankstellendächern zu errichten. Allein Aral will bis zum Monatende 100 ultraschnelle Ladepunkte an 25 Stationen in Betrieb nehmen.

Größter Treiber dieser Entwicklung hierzulande ist allerdings die EnBW: Die Stuttgarter haben im vergangenen Jahr EnBW hat 2020 knapp die Hälfte aller HPC-Schnellladestandorte in Deutschland gebaut und betreiben inzwischen nach eigenen Angaben 1385 Schnellladepunkte an 468 Standorten – mehr als Tesla (847) und Ionity (406) zusammen.

Ladestationen werden intensiver genutzt

Und die Ladestationen werden inzwischen auch rege genutzt, belegt der Charging Radar. Im Dezember wurden trotz Lockdown Light an den öffentlichen Ladestationen knapp 710.000 Ladevorgänge registriert – neun Prozent mehr als im November und insgesamt so viel wie nie zuvor. Pro Ladestation waren das im Schnitt 13 Ladevorgänge im Monat.

Klar, dass die Betreiber der Ladestationen (CPOs), aber auch die so genannten E-Mobility-Provider (EMP) damit immer noch nicht auf einen grünen Zweig kommen. Plugsurfing hat deshalb mit Wirkung zum 15. Januar die Preise an allen Ladepunkten in Deutschland, auf die der EMP Zugriff hat, „angepasst“: Der Preis für die Kilowattstunde (kWh) Wechselstrom stieg von 44 auf 49 Cent/kWh und für Gleichstrom von 55 auf 69 Cent/kWh. Heftig fiel der Zuschlag an den Schnellladern von Ionity aus: Statt 85 Cent zahlen Kunden von Plugsurfing 1,09 Euro/kWh. Da ist es günstiger, direkt über die Ionity-App zu zahlen: Dann werden nur 79 Cent/kWh fällig.

Wahlweise Benzin, Diesel oder Autostrom
Aral hat im Dezember in Wuppertal die ersten ultraschnellen Ladesäulen unter einem Tankstellendach in Betrieb genommen. Bis ende Januar sollen es schon 100 sein. Foto: Aral

Auch andere drehen an der Preissschraube, bei RheinEnergie in Köln werden seit dem 11. Januar erstmals Strompreise erhoben – in Höhe von 39 Cent /kWh. Hinzu kommen 10 Cent pro Minute, wenn das Elektroauto länger als vier Stunden am „Schnarchlader“ und länger als eine Stunde an einem Schnelllader steht. Wie EnBW will RheinEnergie auf diese Weise verhindern, dass die Ladestationen zugeparkt werden.

Autostrom kostet im Schnitt über 60 Cent

Nach den Erhebnungen von TheonDATA und CIRRANTiC für den Charging Radar liegt aufgrund dieser und anderer Maßnahmen der Durchschnittspreis für die Kilowattstunde Autostrom an den öffentlichen Ladestationen inzwischen bei 61 Cent für Wechselstrom (AC) und bei 77 Cent für Gleichstrom (DC). Preisvergleiche – etwa mithilfe der Moovility-App – lohnen sich in jedem Fall: Beim aktuell günstigsten Anbieter (EnBW) kostet die Kilowattstunde AC im Vorteilstarif 29 Cent, die Kilowattstunde DC 39 Cent. Im Standardtarif – ohne Vertragsbindung – sind es 39 bzw. 49 Cent.

Schuld an den hohen Autostrompreisen ist die enorme Abgabenlast, die aufgrund der Energiewende hierzulande auf den Strompreisen liegt: Ohne EEG- und Offshore-Umlage sowie die Konzessionsabgabe könnten die Strompreise um ein Viertel niedriger liegen.

Und möglicherweise wird sich demnächst der Autostrom weiter verteuern, wenn die Einnahmen des Staates aus der Mineralölsteuer aufgrund der steigenden Zahl von Elektroautos sinken. Entsprechende Pläne hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angeblich schon länger in der Schublade liegen, erfuhr EDISON aus dem Büro des Bundestagsabgeordneten Andreas Rimkus. Der Sozialdemokrat aus Düsseldorf glaubt allerdings nicht, dass die Pläne so bald umgesetzt werden. Wichtiger wäre aus seiner Sicht die Abschaffung des EEG („Grünstrom darf nicht belastet werden“) und die Ladesäulenpflicht im Gebäudesektor – das von der CDU geführte Bundeswirtschaftsministerium bremse die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes allerdings aus.

Immerhin habe dieses jetzt ein Gesetz gestoppt. das es Energieversorgern erlaubt hätte, Ladesäulen für Elektroautos im öffentlichen Raum – aber auch Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen – stundenweise den Saft abzudrehen. Rimkus: „Vorher müssen noch einige Dinge geklärt werden.“

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7 Kommentare

  1. Christoph Ziebell

    „…
    Die Stromtankstellen rechnen sich aktuell noch nicht, da die Auslastung der Ladeinfrastruktur immer noch zu gering ist“, sagt BDEW*-Chefin Kerstin Andreae.
    …“ (08.10.2020, ZEIT online)

    *Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) ist ein Lobby- und Interessenverband der deutschen Strom- und Energiebranche.

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    • Franz W. Rother

      Die Aussage würde ich nicht in Zweifel ziehen. Die Refinanzierung ist in der Regel auf 15 Jahre angelegt, da kann man nicht schon im ersten oder zweiten Jahr einen Gewinn erzielen mit durchschnittlich 13 Ladevorgängen im Monat. Selbst dann nicht, wenn die Kilowattstunde ein 1 Euro kostet.

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      • Christoph Ziebell

        Da stimme ich gerne zu.

        Mir ging es um die vom BDEW beklagte geringe Auslastung der Ladeinfrastruktur. Diese Aussage steht im Widerspruch zum Tenor des Edison-Beitrags und bestätigt meine mehrjährige Erfahrung.

        Langstrecke mit Schnellladern ist überhaupt keine Problem, aber es fehlen Ladepunkte mit geringer Leistung dort, wo E-Autos ohnehin längere Zeit stehen – in Wohngebieten und am Arbeitsplatz.

        Am Rande:
        Etwa 47,5 Mio. „Verbrenner“ teilen sich in Deutschland ca. 14.400 Tankstellen, davon ca. 360 BAB-Tankstellen. Zur Anzahl der Zapfstellen (=Ladepunkte) sind mit leider keine Zahlen bekannt.

        Geht man großzügig von 20 Zapfstellen pro Tankstelle aus, teilen sich 165 PKW mit Verbrennungsmotor eine Zapfpistole.

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  2. Raimund Dold

    „Schuld an den hohen Autostrompreisen ist die enorme Abgabenlast, “ soso, drei Viertel des Preises ist unabhängig von den Abgaben. Da steckt doch auch noch etwas dahinter. Die hohen Ladepreise kann man doch nicht ernsthaft mit der EEG Umlage begründen.

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    • Franz W. Rother

      Stromsteuer, EEG-Umlage, KWKG-Umlage, §19 StromNEV-Umlage, Offshore-Netzumlage, §18 AbLaV-Umlage, Konzessionsabgabe, Netznutzungsentgelt – ich empfehle mal einen genaueren Blick auf die Stromrechnung. Für die reine Energiebeschaffung sind aktuell zwischen 4 und 6 Cent pro Kilowattstunde anzusetzen. Gilt auch für Ökostrom.

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      • Raimund Dold

        Ja klar, die lese ich schon auch. Da ist man aber ziemlich weit weg von den 60Cent die im Schnitt abgerufen werden.

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        • Franz W. Rother

          Der Aufbau der Ladeinfrastruktur, Wartung, Betrieb und Service fließen natürlich auch in den Preis ein. Obendrauf kommen die Handling-Fee bei Roaming-Anbietern sowie die Personalkosten in Höhe von 10 Cent/kWh. Unterm Strich müsste die Kilowattstunde AC demnach zwischen 31 und 33 Cent kosten, die Kilowattstunde DC zwischen 49 und 58 Cent – je nachdem, ob die Ladesäule eine steuerliche Förderung erfuhr oder nicht.

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