Da hat die Smart-Gemeinde gerade erst die Tränen getrocknet, die sie über das endgültige Ende des ForTwo geweint hat – und schon schockt sie der mittlerweile von Geely adoptierte Mercedes-Ableger mit dem nächsten dicken Ding. Und das darf man durchaus wörtlich nehmen. Schließlich bringen die Chinesen jetzt den #5 an den Start, der mit 4,70 Metern Länge zum größten Smart aller Zeiten aufsteigt. Smart #1 und #3 sehen da fast schon wieder zierlich aus. Und selbst der Countryman wirkt dagegen fast noch Mini. Doch „daheim“ in China hat die Marke weniger historischen Ballast als bei uns im Westen. Auch ist die SUV-Welt hier noch größer, bunter und verheißungsvoller. Auf der Party will Smart künftig kräftig mittanzen.
Wer sich auf dieses Abenteuer bei einer Jungfernfahrt in Peking einlässt und zumindest vorübergehend die Erinnerung an den Smart Fortwo ausblendet, der kann nicht anders, als den Chinesen rechtzugeben. Denn wenn der Smart #5 in diesem Sommer zu Preisen ab 45.900 Euro nach Europa kommt, sehen viele Elektromodelle der Konkurrenz (oder der entfernten Verwandtschaft) plötzlich ganz schön alt aus. Und das gilt nicht nur die MEB-Familie aus dem VW-Konzern, sondern mehr noch für Mercedes EQA und EQB. Da müssen sie in Stuttgart ganz gut kauen, wenn sie sich an diesem XXL-Smartie nicht verschlucken sollen.

Das noch von Mercedes verantwortete Design, das die einen an den seligen GLK erinnert und andere an ein Ufo mit Übergewicht, ist eine Geschmackfrage.
Das noch von Mercedes verantwortete Design, das die einen an den seligen GLK erinnert und andere an ein Ufo mit Übergewicht, ist freilich eine Geschmackfrage. Aber selbst wenn daran außer dem Logo nichts mehr an die alten Zeiten bei Smart erinnert, fällt der #5 sogar auf Pekings Straßen auf und bleibt im Sinn. Und das will bei gefühlt hundert Konkurrenzmodellen schon was heißen.
Gleichstrom laden mit 400 kW
Seine Punkte macht er aber ohnehin mit seinen Proportionen, sondern mit seiner Plattform, die von der neuen Mutter Geely beigesteuert wird. Im Basismodell ist die noch vergleichsweise konventionell bestückt mit einem LFP-Akku von 76 kW Kapazität für 465 Kilometer, der auf 400 Volt-Basis läuft und mit maximal 150 kW lädt. Aber alle anderen Versionen des #5 bekommen eine 800 Volt-Architektur, die in gleich mehreren Disziplinen Bestwerte setzt: Der Akku hat gewaltige 100 kWh Kapazität, was im Normzyklus für 590 Kilometer Reichweite gut ist. Und er schafft an der Ladesäule dank einer maximalen Ladeleistung von 400 kW in 18 Minuten den Sprung von 10 auf 80 Prozent Füllstand.

Der 4.50 Meter lange #5 ist der größte jemals gebaute Smart. Und mit einem Leergewicht zwischen 2,2 und 2,4 Tonnen (in der Brabus-Version) auch der schwerste. Für den Ertrag pro Fahrzeug sollte in China das gleiche gelten – bei uns schöpft die EU einiges davon ab.
Und gibt es den Smart auf Wunsch auch mit zwei Motoren. Denn die Offroad-Optik ist nicht nur Show und Shine, sondern der #5 will wirklich für Abenteuer gewappnet sein. Und natürlich auch für die Überholspur. Schon ohne das Bodybuilding bei Brabus kommen die beiden E-Maschinen zusammen auf 432 kW Leistung – nach alter Währung also fast 590 PS. Da gelingt der Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,9 Sekunden und Schluss ist erst bei 200 km/h. Alternativ gibt es im Basismodell mit kleinem Akku 340 oder mit großem Akku 363 PS. Und wer es wirklich wissen will, bestellt die Brabus-Version, zahlt bei uns 60.900 Euro und bekommt dafür eine Trumpfkarte, die im Autoquartett fast jeden Porsche 911 sticht: 646 PS und 3,8 Sekunden auf Tempo 100 sind Supersportwagen-Niveau.
Infotainment-System auf Top-Niveau
Zwar geht auch diesseits des Brabus jeder Kickdown auf den Nacken. Doch zumindest bei den China-Modellen ist vom sportlichen Anspruch im Alltag wenig zu spüren. Klar gibt es unterschiedliche Fahrprofile mit entsprechend gespannten Muskeln und scharfen Sinnen. Doch im Grunde ist der stärkste Smart aller Zeiten so gutmütig und freundlich abgestimmt, als sei er gerade aus dem Bällebad der Cityflitzer gestiegen und nicht auf dem Weg ins Haifischbecken der Kompaktklasse.

Zwei riesige OLED-Displays prangen im Cockpit des Smart. Und vor dem Fahrer wirft ein Head-Up-Display mit Augmented Reality informative Grafiken auf die Windschutzscheibe.
Zu dem zumindest aus europäischer Perspektive bis dato konkurrenzlosen Antrieb gibt es ein Infotainment-System, gegen das selbst die MB-UX-Generation des kommenden Mercedes CLA fast schon wieder verstaubt wirkt. Zwei riesige OLED-Displays prangen im Cockpit des Smart, die bis vor den Beifahrer reichen. Über die Frontscheibe flimmert ein Head-Up-Display mit Augmented Reality-Grafiken und auf dem AMD-Highspeed-Prozessor läuft ein Smartbot, dessen künstliche Intelligenz so viel Gesprächstalent und vor allem Verständnis hat wie Chat GPT.
Startpreis von 45.900 Euro in Deutschland
Und auch beim Preis haben die Chinesen die Nase vorn: Denn der Grundpreis von 45.900 Euro liegt zwar zehn Prozent über dem für den Smart #1 – und umgerechnet über 15.000 Euro über dem in China (239.900 Yuan). Doch zum deutlich kleineren und elektrisch lange nicht so gut ausstaffierten EQB bleiben so fast 10.000 Euro Abstand. Vom elektrischen GLC ganz zu schweigen, zumal der erst in über einem Jahr an den Start geht.

Das Design des Smart #5 kommt aus Deutschland – der Rest allerdings aus China.
Innen wächst der Smart mit – und das gilt bei 2,90 Metern Radstand nicht nur für das formidable Platzangebot mit Liegesitzen für die Ladepause, mehr Beinfreiheit im Fond als bei einer langen E-Klasse und den für Smart-Verhältnisse fast schon expeditionstauglichen Kofferraum mit mehr als 1600 Litern Ladevolumen.
Qualität auf Mercedes-Niveau
Den bei Mercedes beständig ignorierten Frunk von 72 Litern noch nicht einmal mitgerechnet. Auch die Wertigkeit hat zugelegt. Sah es in früheren Smarts immer ein wenig nach Kaugummi-Automat aus, starrt der #5 jetzt vor Lack und Leder. In punkte Verarbeitungsqualität steht der Chinese den Produkten der Stuttgarter Muttermarke in nichts nach. Auch haben die Chinesen Sennheiser als Partner für den Sound ins Boot geholt, so dass die Musikanlage fast so vollvolumig aufspielt wie die in der S-Klasse.
Fast doppelt so lang wie der Ur-Smart und mehr als doppelt so teuer – natürlich ist der #5 für echte Smart-Fans schwere Kost. Aber Dirk Adelmann hat einen Verdauungshelfer parat. Die Schwaben und ihr chinesischer Partner Geely arbeiten mit Hochdruck an einem Nachfolger für den Fortwo, verspricht der Europa-Chef. Denn auch wenn sie sich jetzt aufs Land wagen, wollen sie die Großstadt nicht der Konkurrenz überlassen.