Klar, Audi muss dringend raus aus der Krise. Es kommen von den Ingolstädtern gerade kaum neue Fahrzeuge auf die Straße, und mit dem Finanziellen und der Rendite der betont anspruchsvollen Marke sieht es ja auch nicht so toll aus. „Vorsprung durch Technik“, das funktioniert bei den Stromern des Hauses nicht in jedem Fall, und alle in der Branche wissen, dass der Absatz von Elektroautos in diesen unsicheren Zeiten leider gerade einen Hänger hat. Von den vorpreschenden Preisverderbern aus China wollen wir da noch noch gar nicht reden.

Insofern ist dieser neue Q6 e-tron, der bereits bestellbar ist und ab Mitte Juli bei den deutschen Händlern steht, natürlich ein ziemlich wichtiges Auto, in das Audi große Hoffnungen setzt. „Der Q6 e-tron auf der neuen PPE-Plattform ist der nächste Technologiesprung in der elektrischen Premiummobilität für unsere Kunden und Kundinnen“, hatte Audi-Chef Gerold Döllner im März bei der Vorstellung des Autos vollmundig verkündet. PPE-Plattform? Das ist diese völlig neue technische Stromer-Basis, die Audi gemeinsam mit Porsche entwickelt hat.

Maskuline Kraftlinien
Der Audi Q6 e-tron macht mit einer dynamischen Seitenlinie und den starken Schultern, die sie bei Audi nostalgisch „quattro-Blister“ nennen, durchaus was her. Von den auf Wunsch bis zu 21 Zoll großen Rädern ganz zu schweigen.
Maskuline Kraftlinien
Der Audi Q6 e-tron macht mit einer dynamischen Seitenlinie und den starken Schultern, die sie bei Audi nostalgisch „quattro-Blister“ nennen, durchaus was her. Von den auf Wunsch bis zu 21 Zoll großen Rädern ganz zu schweigen.

Womit beginnen? Am besten mit dem optischen Eindruck. Was kann denn das Design dieses neuen Q6 e-tron? Ist schließlich noch das Werk des inzwischen geschassten Marc Lichte (55). Den hat Audi erst im Juni durch den Italiener Massimo Frascella (52) ersetzt, der zuletzt bei Jaguar und Land Rover den Hut aufhatte. Und dessen Credo nach eigener Aussage so eine Art „kühner Einfachheit“ ist. Zeitlos, aber anspruchsvoll. Genau das könnten sie bei Audi wirklich gebrauchen, offenbart uns der erste Blick auf diesen neuen stromernden Mittelklasse-SUV.

„Maskulines“ Karosseriedesign

Logisch, dass Audi dessen Design in höchsten Tönen lobt. Müssen sie ja auch. „Seine markante SUV-Optik sorgt für einen imposanten und zugleich sportlichen Auftritt“, heißt es dazu im nett vorbereiteten Presse-Text. Tatsächlich macht diese dynamische Seitenlinie mit den starken Schultern, die sie bei Audi nostalgisch „quattro-Blister“ nennen, durchaus was her. Von den auf Wunsch bis zu 21 Zoll großen Rädern ganz zu schweigen. Natürlich müssen sie bei Audi auch die „maskuline Kraft“ dieses Karosseriedesigns beschwören, als ob sie dieses oberbayrische Ding nur für besonders stramme Jungs gebaut haben. Und schon fällt uns ein, dass der FC Ingolstadt 04 mit Sabrina Wittmann nun definitiv eine Frau als Cheftrainerin hat, damit wieder etwas Schwung in den Laden kommt.

Übermotivierter Haufen
Der geschlossene, dreidimensionale Singleframe, maskenmäßig eingefasst, wirkt auf unseren Autor etwas wurschtig. Ziemlich das Gegenteil von clean und cool. Bilder: Audi

Sorry, wir schweifen gerade ab. Aber diese Frontpartie des Q6 e-tron, die wir jetzt unbedingt ein wenig kritisieren müssen. Der geschlossene, dreidimensionale Singleframe, maskenmäßig eingefasst, wirkt auf uns einfach etwas wurschtig. Ziemlich das Gegenteil von clean und cool. Und überhaupt gibt es hier vorn einen irgendwie übermotivierten Haufen von Kanten, Sicken und Löchern, die nicht in jeden Fall mit einer oberwichtigen Funktion zu tun haben. Möglicherweise eine erste Hausaufgabe für den neuen Herrn Fascella.

Lichttechnik vom Feinsten

Über die Leuchten des Autos wollen wir natürlich nicht meckern, das können sie schon länger lobenswert bei Audi. Und jetzt sogar die „Weltneuheit der aktiven digitalen Lichtsignatur“. Vorn über einen Algorithmus mit zwölf auf- und abdimmenden Segmenten. Wir haben die Wahl. Hinten, und das ist der kleine Wahnsinn, erzeugen sechs OLED-Panels mit insgesamt 360 Segmenten, die hübsch glühenden Kohlen ähneln, alle zehn Millisekunden ein neues Bild. Auf diese Art und Weise kann der Audi auch mit seinem Umfeld palavern, beispielsweise in den Heckleuchten ein aufpoppendes Warndreieck zeigen, falls uns der Hintermann zu dicht auf die Pelle rückt. „Kommunikationslicht“, heißt das jetzt bei Audi, und das könnte sogar den digitalverliebten Chinesen gefallen.

Lichtgestalt
Die OLED-Leuchten vorne sind nicht nur in der Lage, die Fahrbahn auch in der Nacht taghell zu erleuchten. Sie können auch mit über einen Algorithmus mit zwölf auf- und abdimmenden Segmenten kommunizieren, sogar Botschaften senden.
Lichtgestalt
Die OLED-Leuchten vorne sind nicht nur in der Lage, die Fahrbahn auch in der Nacht taghell zu erleuchten. Sie können auch mit über einen Algorithmus mit zwölf auf- und abdimmenden Segmenten kommunizieren, sogar Botschaften senden.

Vor lauter Lichtkram haben wir jetzt beinahe die wichtigsten Eckdaten vergessen. Also: Der Q6 e-tron ist 4,77 Meter lang, satte 1,84 Meter breit und immerhin 1,65 Meter hoch, was das seitliche Design des Autos aber sehr geschickt kaschiert. Auffällig sind die extrem kurzen Überhänge (die neue PPE-Plattform lässt grüßen), die zu einem außergewöhnlich üppigen Radstand von 2,90 Metern führen. Perfekte Proportionen. Ergo muss in diesem Wagen verdammt viel Platz sein, und das wollen wir nun sofort ganz genau wissen.

Ordentlich Platz für Mensch und Gepäck

Richtige, solide Türgriffe (Lob, Lob). Und drinnen in beiden Sitzreihen Platz bis zum Abwinken. Selbst für unsereins mit 1,94 Körpergröße und selbst in der zweiten Sitzreihe, wo unsere riesigen Treter (Schuhgröße 49) easy unter die Vordersitze passen. Garantiert auch auf längeren Touren sehr angenehm hier hinten. Dazu passt das ordentliche Kofferraumvolumen von 526 Litern. Werden die hinteren Sitzbanklehnen (teilbar im praktischen Verhältnis von 40:20:40) fix per Knopfdruck umgelegt, wächst der Stauraum auf 1529 Liter. Nicht schlecht, auch wenn hier Teslas Y über 2000 Liter offeriert. Vorn unter der Haube hat der Audi nun auch einen Frunk, der weitere 64 Liter Ladevolumen bietet, zum Beispiel für eine größere Reisetasche. Alles bestens. Dito die Anhängelast. Erlaubt sind bis zu 2400 Kilogramm (gebremst, ungebremst 750 kg).

Genug der Vorrede. Im zweiten Teil schauen wir uns das Auto genauer an.

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