Das Angebot an Elektroautos ist derzeit denkbar knapp. Bei Neufahrzeugen betragen die Lieferzeiten derzeit wenigstens sechs Monate, bei vielen Modellen sogar zwölf Monate und mehr – es mangelt den Herstellern an Computerchips, Akkuzellen, Kabelbäume und manch anderen Teilen. Bei Gebrauchtwagen ist die Verfügbarkeit etwas besser. Auf der Plattform mobile.de sind derzeit immerhin knapp 1000 Stromer verfügbar. Jede Menge Smart Fortwo, reihenweise BMWs vom Typ i3, ein Haufen Zoes, Teslas und Porsche Taycan, zu Preisen zwischen über 200.000 und 9.000 Euro, mit Kilometerständen von im Schnitt 30.000 Kilometern. Kein Wunder: Bei den meisten Fahrzeugen handelt es sich um Leasing-Rückläufer.

Natürlich sind die Fahrzeuge alle „top in Schuss“ und „so gut wie neu“, auch wenn sie bereits zehn Jahre auf dem Buckel haben. Und bei Batteriekapazität und Reichweite werden meist nur die Firmenangaben zitiert – für den Neuwagenzustand. Aber wie fit ist der Akku im Fahrzeugboden tatsächlich noch?

Batterie ist das teuerste Bauteil

„Anders als bei konventionell angetriebenen Autos hat der Kilometerstand bei einem Elektroauto nur eine untergeordnete Bedeutung“, sagt Roland Denk von Aviloo aus Österreich. Das Startup aus dem Süden Wiens hat in zweijähriger intensiver Forschung ein herstellerunabhängiges Testverfahren für Lithium-Batterien in Elektro- und Plug-in-Fahrzeugen entwickelt und bietet dieses inzwischen über verschiedene Automobilclubs und Prüforganisationen an.

Partner in Deutschland ist die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung mbH. Zu einem Preis von 99 Euro erhalten Kunden hier innerhalb weniger Tage eine Batterie-Diagnose samt Batterie-Zertifikat. Das Geld ist gut angelegt: Die Traktionsbatterie kann bis zu 50 Prozent des Fahrzeugwerts ausmachen, daher ist ihr Zustand für die Ermittlung eines marktgerechten Restwerts entscheidend. „Die Bremsen eines Elektroautos“, so Denk, „weisen oft nach drei Jahren keinerlei Verschleißerscheinungen auf. Und Rost ist nach so kurzer Zeit ohnehin kein Thema.“

Unser Geschäftswagen, eine Renault Zoe R135 aus Dezember 2019 – eine der ersten der so genannten Phase 2 – ist mittlerweile knapp 34.000 Kilometer gelaufen. Zum Jahresende läuft der Leasingvertrag aus, da heißt es Abschied nehmen. Der Wagen ist in tadellosem Zustand, bei der jüngsten Inspektion musste lediglich der Luftfilter turnusmäßig getauscht werden. Und die Batterie? „Scheint in Ordnung“, urteilte der Kfz-Meister in der Renault-Niederlassung, als er bei der Sofortannahme die Zoe auf die Hebebühne fuhr und von unten begutachtete. Ein TÜV-Prüfer würde bei einer Hauptuntersuchung wahrscheinlich zu dem gleichen Schluss kommen. Denn auch dort ist derzeit nur eine Sichtprüfung vorgesehen.

Stylisher Aviloo-Tester kommt per Post

Wir wollten es genauer wissen und haben uns kurzentschlossen über die GTÜ den Aviloo-Tester ins Büro liefern lassen. Er kam mit der Post kurze Zeit später in einer stylishen weißen Kiste, die eher nach Apple iPad denn nach Werkstattausrüstung aussah. Im Innern: Jede Menge Kabelsalat und ein weiß-blauer Kohlebrikett-großer Klotz – verschiedene Adapter, ein Netzgerät und der eigentliche Tester. Dazu eine kleine Bedienungsanleitung. Das war’s.

Kabelsalat 
Das Test-Set enthält neben der Aviloo-Box ein Netzgerät sowie verschiedene Kabel und Adapter, um die Box über den OBD-Stecker mit dem Auto verbinden zu können. Bei Tesla scheint das nicht so einfach zu sein.
Kabelsalat
Das Test-Set enthält neben der Aviloo-Box ein Netzgerät sowie verschiedene Kabel und Adapter, um die Box über den OBD-Stecker mit dem Auto verbinden zu können. Bei Tesla scheint das nicht so einfach zu sein.

Im nächsten Schritt gilt es, die Aviloo-App aufs Smartphone herunterzuladen, dort die Fahrzeug- und Kontaktdaten einzugeben. Später wird die kleine Box über das Netzgerät aufgeladen und von Aviloo fern-upgedatet – mit den spezifischen Fahrzeugdaten. Das dauert nicht lange – jedenfalls deutlich kürzer als das Laden des Fahrzeugakkus. Denn zu Testbeginn will der zu 100 Prozent gefüllt sein. Noch schnell die Box mit dem entsprechenden Kabel mit dem Onboard-Diagnose (OBD)-Stecker im Fußraum der Zoe verbinden – und schon läuft die Zeit: Es gilt, das Fahrzeug fleißig zu bewegen und den im Akku gespeicherten Strom bis zu einem Ladestand (State of Charge, SoC) von 10 Prozent zu zu nutzen. „Sie können über die 7 Tage“, so hieß es, „so oft und so lange Pause machen, wie Sie wollen. Sie dürfen nur nicht die AVILOO Box über die Testzeit ausstecken oder das Auto aufladen.“

10 Prozent nach 251 Kilometern

Die sieben Tage haben wir nicht gebraucht – die 251 Kilometer, die es brauchte, um die Zoe „leer“ zu fahren (oder ziemlich leer), waren schon nach drei Tagen zurückgelegt. Die Smartphone-App informierte regelmäßig über den aktuellen Stand des Tests und zeichnete nebenbei auch die zurückgelegten Strecken auf – so erfuhren wir per Ferndiagnose auch, wo sich die Zoe gerade so in der Landschaft bewegte.

Anschluss gesucht
Aviloo-Box im Fußraum der Renault-Zoe.
Anschluss gesucht
Aviloo-Box im Fußraum der Renault-Zoe.

Und wie wir feststellten, misst der Aviloo-Tester den Akkustand des Autos deutlich genauer als der Bordcomputer: Als der bereits vor einer Restreichweite von 50 Kilometern warnte und das Einschalten des Eco-Modus anmahnte, zeigte uns die App nur über zehn Prozent SoC an. Erst kurz vor dem Wechsel in den Schildkröt-Modus war das Testziel erreicht, sind alle Daten beisammen und per Smartphone in die Aviloo-Cloud geschickt. Kurz darauf bimmelt es im Postfach des Handys: „Gut gemacht, Franz! Du hast das Ziel von 10% erreicht“, hieß es in einer Mail aus Neu-Wien. „Dein AVILOO-Zertifikat“, so versprach der Absender, „wird Dir innerhalb der nächsten zwei Werktage zugesandt.“

Und so war es denn auch. Zwei Tage später gab es eine weitere Gratulation und – nun auf Englisch – einen Hinweis, wo ich das unterschriebene Batterie-Zertifikat herunterladen könne. Und das Ergebnis? Konnte sich sehen lassen. Auf zwei Seiten, unterschrieben von den Aviloo-Gründern Wolfgang Berger und Nikolaus Mayerhofer sowie dem Finanzchef Marcus Berger, wurde uns mitgeteilt, dass der 52 kWh große Akku im kleinen Stromer von Renault nach gut 33.000 Kilometern nur sechs Prozent seiner ursprünglichen Kapazität verloren habe. Von den 52 kWh seien immer noch 48,63 kWh nutzbar. Bei voller Ladung sollten wir damit auf eine Reichweite von 361 Kilometern kommen – statt 386 Kilometer bei der Übernahme des fabrikneuen Elektroautos.

Noch 94 Prozent Restkapazität

„Das ist ein guter Wert“, interpretiert Marketingleiter Denk einen Tag später telefonisch das Ergebnis des Batterie-Checks. Der „State of Health“ (SoH), also der Gesundheitszustand, liefere keine Indikatoren, die auf einen Zellfehler hinweisen, weder im Ruhezustand noch unter Belastung. Darauf deuteten die Zelltemperaturen und die Zellspannungen, die zwischen dem Start und dem Ende des Tests gemessen wurden – alle fünf Sekunden. Das regelmäßige sanfte Laden des Elektroautos mit 16 Ampere per Juice-Booster an der CEE-Steckdose habe dem Akku gut getan, die zahlreichen Ladevorgänge an den DC-Schnellladern entlang der Autobahnen auf Dienstreisen offenbar nicht geschadet. Und dass der Akku häufig zu 100 Prozent geladen wurde, scheint ihn auch nicht besonders gestresst zu haben.

Schwarz auf Weiß 
Das Batteriezertifikat von Aviloo und die vielen Detailinformationen darin sollten helfen, den Restwert des Stromers zu bestimmen.
Schwarz auf Weiß
Das Batteriezertifikat von Aviloo und die vielen Detailinformationen darin sollen helfen, den Restwert des Stromers zu bestimmen.

Und wie muss man das einordnen? Über 1000 Batterie-Tests hat Aviloo inzwischen immerhin durchgeführt, zu 70 Prozent im Auftrag von E-Auto-Besitzern, die wissen wollten, wie sich ihr Stromer schlägt. „95 von 100 Autos sind voll ok, auch nach drei Jahren noch auf mindestens 90 Prozent der Ausgangskapazität“, verrät Denk. Was möglicherweise auch damit zu tun habe, dass die erste Generation der Elektromobilisten sehr rücksichts- und verständnisvoll mit den Autos umgehen – „ganz im Unterschied zu den Fahrern von benzin- oder dieselgetriebenen Neuwagen.“ So hätte man schon manchen BMW i3 gemessen, der nach fünf Jahren Betrieb noch auf einen SoH von 98 Prozent gekommen sein. Denk: „Das ist beeindruckend gut“.

Ladevorgänge lassen Akkus altern

Die Batterien der Elektroautos halten sich also offenbar gut – bei guter Pflege. Das betonte dieser Tage auch Renault in einer Pressemitteilung: Über 99 Prozent aller seit 2013 in der Zoe verbauten Akkus seien noch voll funktionsfähig und weisen nach Felduntersuchungen noch „mindestens 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität auf. Das gelte für die Fahrzeuge der ersten Generation mit 22 kWh-Akku ebenso wie für die neuen Modelle mit 52 kWh-Akku. Bedenken wegen nachlassender Performance seien deshalb unbegründet.

Na ja, vorausgesetzt, der Akku wird nicht zu heftig gestresst – etwa durch viele Ladevorgänge. Je häufiger das Elektroauto an die Steckdose kommt, desto schneller altert die Batterie, desto deutlich verliert sie an Leistung – Experten sprechen von Degradation.

Je kleiner der Akku, desto größer der Stress

Aber es gibt Unterschiede – je nach Zelltypen: „Manche Batteriezellen altern am Anfang schneller und dafür später langsamer, bei anderen ist es umgekehrt“, zeigen Aviloo-Manager die Ergebnisse aus den Feldtests. Und fast jeder Ladevorgang stresse eine Batterie. Demzufolge sei das Risiko einer Degradation bei einer kleinen Batterie größer als bei einem Energiespeicher mit hoher Kapazität. Und wer sein Elektroauto mit hohen Geschwindigkeiten bewegt, treibt nicht nur den Stromverbrauch in die Höhe – er erhöht auch die Zahl der Ladevorgänge und forciert somit die Degradation.

Alles logisch, aber vielen Fahrern von Elektroautos sei das noch nicht bewusst, sagt Denk. Er rät dazu, das Elektroauto mit einem SoC zwischen 30 und 70 Prozent zu bewegen, den Akku nie bis zur Neige zu leeren und im Alltagsverkehr idealerweise auch nicht bis auf 100 Prozent aufzufüllen. Eine volle Batterie brauche es lediglich dann, wenn es auf die Langstrecke geht. „Im Alltag ist die Reichweite meist irrelevant.“

 

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