Das Rennen ist jetzt auch bei den Elektro-Lkws eröffnet. Wie bei den Autos will ein US-amerikanisches Start-up den beiden deutschen Platzhirschen Daimler Truck und MAN das Wasser abgraben. Natürlich verfügt Nikola nicht den Tesla-Punch, aber auch die Truppe aus Arizona weiß, was sie tut. Ähnlich wie es zum Beispiel der britische Sportwagenbauer McLaren macht, konzentrieren sich die Nikola-Ingenieure auf das Wesentliche, also die Integration der Systeme beginnend mit den Controllern bis hin zur Software. Für den Rest holen die Amerikaner erfahrene Unternehmen aus der Transportbranche in Boot.

Iveco liefert Fahrgestell und Kabine

Beim vollelektrischen Truck ist das Fiat Powertrain, beziehungsweise Iveco, in deren Fabrik in Ulm der Stromer-Lastesel auch gebaut wird. Noch dieses Jahr soll die Sattelzugmaschine in Deutschland auf den Markt kommen, also früher als Daimlers eActros LongHaul oder der MAN eTGM. Die Strategen der beiden deutschen Unternehmen werden angesichts dieser Tatsache vermutlich leicht schmunzeln und höflich darauf hinweisen, dass die Lade-Infrastruktur für vollelektrische Lastzüge in Europa ohnehin noch nicht gut genug ausgebaut ist. Dennoch ist jeder Kilometer während des harten Alltagseinsatzes ein Zugewinn an Erfahrung.

Deswegen sind wir in den USA schon einmal in die Führungskabine des Nikola Tre BEV geklettert und haben einige Kilometer auf der elektrischen Achse absolviert.

Von außen gleicht der Stromer einem klassischen europäischen Lkw, denn die aus vielen Highway-Filmen bekannte, für einen US-Truck typische Motorhaube fehlt. Klar, es muss kein großvolumiger Verbrennungsmotor untergebracht werden, da die Power von einer elektrischen Achse kommt. Die stammt von Fiat Powertrain Technologies (FTP) und das Führerhaus von deren Tochtergesellschaft Iveco, mit denen Nikola eng zusammenarbeitet. Das Cockpit ist dagegen typisch für ein amerikanisches Elektro-Vehikel. Im Zentrum des Cockpits befindet sich ein zum Fahrer geneigter 17 Zoll großer Touchscreen, während die virtuellen Instrumente auf einem 12-Zoll-Monitor direkt hinter dem Lenkrad den Fahrer mit Informationen versorgen.

In 30 Sekunden auf Tempo 100

Um den E-Motor zum Leben zu erwecken, muss die Tür komplett geschlossen sein – erst dann kann man den Automatikhebel auf D stellen. Wir steigen bedächtig aufs Gas. Kein Anrucken, der Elektro-Laster lässt sich genauso gewohnt analog bewegen wie ein Diesel-Lkw. Doch der Punch kommt beim Beschleunigen: Sobald wir die Leistung von 480 kW / 652 PS anfordern, steht diese sofort parat. Da unterscheidet sich der Nikola Tre BEV nicht von einem Elektro-PKW, aber sehr wohl von einem traditionellen Lkw mit Selbstzünder.

Alternative Antriebe
Die Sattelzugmaschine Tre von Nikola gibt es wahlweise mit Batterieantrieb (links) oder mit einem Elektroantrieb, der seine Energie aus einer Brennstoffzelle schöpft. Nutzlast und Reichweite des Brennstoffzellen-Trucks sind deutlich größer.
Alternative Antriebe
Die Sattelzugmaschine Tre von Nikola gibt es wahlweise mit Batterieantrieb (links) oder mit einem Elektroantrieb, der seine Energie aus einer Brennstoffzelle schöpft. Nutzlast und Reichweite des Brennstoffzellen-Trucks sind deutlich größer.

„Wir brauchen voll beladen von null auf 100 km/h nur knapp 30 Sekunden. Also nur halb so lange wie ein Diesel-Truck“, erklärt Chefingenieur Kyle Ness. Das wird auch bei der Europa-Version des Nikola Tre BEV der Fall sein, die aufgrund der geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Straßen des „alten Kontinents“ eine längere Übersetzung erhält.

Neun Akkus mit 733 kWh Kapazität

Das reduziert die Drehzahl und hilft bei der Reichweite. Der Nikola Tre BEV – den es alternativ auch mit Brennstoffzellenantrieb gibt – hat neun Akku-Pakete mit einer Gesamtkapazität von 733 kWh und einem Gewicht von insgesamt rund 4,5 Tonnen verbaut. In Europa kommen die Energiespeicher zunächst vom US-Hersteller Proterra und haben fünf kWh mehr Speicherkapazität als die Fahrzeuge für die USA. Nikola betont, dass die Akkus speziell für ihren Truck entwickelt wurden. Im Gegensatz zur US-Variante, in der wir unterwegs sind, wird die Euro-Version des Sattelschleppers auch nur in einer 4×2-Konstellation, also mit zwei anstatt drei Achsen, verfügbar sein. Der Euro-Truck bekommt außerdem die weiterentwickelte, kompaktere, leichtere und effizientere Version des Silizium-Carbon-Wechselrichters. Das soll den Verbrauch reduzieren.

Powered by Fiat und Proterra

Die Reichweite beträgt rund 530 Kilometer. Das ist natürlich deutlich weniger als ein Diesel-Lkw, aber im Bereich der europäischen Elektro-Konkurrenz. Für viele Logistiker ist das genug, da der Fahrer nach vier Stunden ohnehin eine Ruhepause einlegen muss. Die kann dann genutzt werden, um die Akkus wieder zu füllen. Der Nikola Tre BEV lädt derzeit mit maximal 350 kW. An einer entsprechenden Ladesäule dauert es bestenfalls rund 90 Minuten, bis die Batterien von 10 auf 80 Prozent geladen sind.

Bis zu 800 kW an Rekuperations-Leistung

Wir lassen den Theorieteil sacken und fahren derweil weiter. Beim Handling ohne Hänger schlägt sich der Tre BEV gut, auch bei der Rekuperation. Da bieten die Amerikaner sechs Stufen plus Segeln an. „Die maximale Rekuperationsstärke beträgt 800 kW“, erklärt Kyle Ness. Da bei uns die Batterien noch zu 84 Prozent geladen war, schaufelten wir nur 254 kW zurück in den Speicher. Jede der sechs Einstellungen verzögerte so geschmeidig, dass das übliche Kopfnicken beim Gangwechsel ausblieb. Der Tre BEV beherrscht auch das One-Pedal-Fahren, aber die Nikola-Techniker tüfteln noch am Übergang von der digitalen zur analogen Bremse, um eine Überhitzung zu vermeiden. Das ist bei unserer Testfahrt gelungen. Allerdings haben wir auch keine langen Steigungen überwinden müssen.

In den USA wird der batterie-elektrische Nikola Tre zu Preisen zwischen 120.000 und 150.000 Dollar angeboten. Wie teuer der Stromer in Europa ist, steht noch nicht fest.

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2 Kommentare

  1. Jürgen Baumann

    Mit Renaults Trucks konnte man im Winter schon vollelektrisch ans Nordkap fahren. Siehe Nordkap Challenge 2023.

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    • Panzer wolfgang

      kann man mitbatterielaster nikola vonberlin bis zum nordkap fahren

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