Aber Clarios bleibt im Niederspannungsbereich?
Vor zehn bis 15 Jahren hat unsere damalige Mutter Johnson Controls Hochspannungs-Akkus produziert und unter anderem für Autos von Mercedes mit Hybridantrieb geliefert. Aber damals hat noch keiner so richtig an die Technik und die Antriebswende geglaubt.
Eine Fehleinschätzung, aus heutiger Sicht.
Vielleicht. Der Hochspannungs-Markt ist sehr wettbewerbsintensiv. Die Japaner und Chinesen haben eine wesentlich längere Erfahrung damit.
Die hatten Sie aber auch.
Und die nutzen wir heute auch bei der Fertigung unserer Lithium-Ionen-Batterie. Clarios ist einer der größten Zulieferer von Lithium-Ionen-Akkus für den Niederspannungsbereich. Wir haben das Know-how und auch etliche Patente auf die Technologie.
Clarios arbeitet auch an Superkondensatoren zur Stromspeicherung. Was versprechen Sie sich davon?
Das ist eine hochspannende Technik. Die Ultra Caps habe eine sehr interessante elektrische Eigenschaft: Sie können Energie sehr schnell aufnehmen – und sehr schnell, in Millisekunden, wieder abgeben. So etwas könnte zur Stabilisierung des Fahrzeug-Chassis hilfreich sein. Es braucht sehr viel Energie, um ein Fahrzeug in einer schnellen Kurve gerade zu halten. Die Superkondensatoren könnte dabei elektrische Stoßdämpfer unterstützen. Auch als zusätzlicher Energieversorger im Fahrzeug, als Ergänzung zur AGM- oder Lithium-Ionen-Batterie, könnten sie Sinn machen. Wir haben gerade Projekte laufen, bei denen Lithium-Ionen-Akkus und Superkondensatoren zusammen mit einer Elektronik ein hybrides System bilden.
Früher war die Batterie eines der letzten Bauteile, die ins Auto kamen – heute ist Ihre Expertise wesentlich früher gefragt, vermute ich.
Eine Starterbatterie war früher für die Autohersteller eine Blackbox. Die Bordspannung stand fest, festgelegt wurde vom Einkauf nur die Speicherkapazität. Heute hat ein Auto, erst recht ein Lastzug, so viele elektrische Teile und Verbraucher an Bord, dass die Stromversorgung mit unterschiedlichen Leistungen ein hochkomplexes Thema ist. Wir können das gesamte System noch vor dem Produktionsanlauf simulieren und dann genau sagen, wie die beste Lösung für das Fahrzeug aussieht. Wir sprechen heute mit den Herstellern über Autos, die erst in vier bis fünf Jahren auf den Markt kommen – und wesentlich stärker als heute Software-definiert sind. Elektrifizierung und Digitalisierung sind die großen Treiber unseres Geschäfts. Unsere neuen Services sollen beides miteinander verbinden.
Es geht also mehr in Richtung Energiemanagement, nicht mehr allein um Energiespeicherung?
Richtig. Die Entwicklung von Speicherlösungen ist wichtig, aber wichtiger ist die Weiterentwicklung des Systems, des Bordnetzes. Die Akquisition der Batteriesparte von Paragon hilft uns dabei.
Ist das Pkw-Technik komplexer oder die für Nutzfahrzeuge?
Beides ist ähnlich komplex. Bei den Nutzfahrzeugherstellern spielt nur der Aspekt „Cost of Ownership“ eine größere Rolle: Wie reduziert man die Kosten der Fahrzeugs im Betrieb. Beiden Bereichen gemeinsam ist aber der steigende Energiebedarf jährlich um etwa 15 Prozent. Früher hat ein Pkw weniger als ein Kilowatt Strom gebraucht, heute sind wir bei etwa zwei Kilowatt -und es geht rauf bis auf sechs Kilowatt und mehr, wenn die Fahrzeuge erst einmal hochautomatisiert fahren.
Wie lange wird es überhaupt noch Bleibatterien geben? Seit dem 18. August darf der Bleianteil in Gerätebatterien, die in Europa vertrieben werden, maximal 0,01 Prozent betragen.
Wenn man wie wir den gesamten Blei-Lifecycle beherrscht und das eingesetzte Blei nahezu vollständig recycelt, dann ist eine Bleibatterie eine sehr gute Lösung. Ich denke, wir werden die Bleibatterie noch lange im Straßenverkehr sehen. Die Lösung bietet einfach zu viele Vorteile.
Die Politik sitzt Ihnen da also nicht im Nacken?
Es gab im vergangenen Jahr einigen Druck aus Brüssel. Aber mittlerweile haben sie wohl auch dort erkannt, dass es sehr schwierig würde, eine Ersatzlösung zu finden, die ähnlich günstig darstellbar wäre: Im Unterschied zu Lithium ist das Rohmaterial Blei auch weltweit gut verfügbar. Deshalb ist auch das Natrium-Ionen-Projekt für uns so wichtig: Natrium basiert auf Salzen und lässt sich überall gut gewinnen. Wir bemühen uns deshalb, den neuen Batterietyp so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen.
Die Zellen für die Lithium-Ionen-Batterie produziert Clarios in USA selbst. Ließen die sich auch in einer Hochvolt-Batterie einsetzen?
Nein. Der Aufbau einer Zelle für eine Niedrigspannungs-Batterie ist ganz anders. Die Zellen für eine Antriebsbatterie brauchen eine hohe Energiedichte. Wir hingegen brauchen für unsere Batterie eine hohe Leistungsdichte. Die Konstruktion der Zelle ist deshalb anders. Auch sind unsere Anode und Kathode dicker als die im Hochspannungsbereich. Für Antriebsbatterien lassen sich unsere Zellen also nicht nutzen.
Vielen Dank für das Gespräch.