Manchmal braucht es zwei Versuche, um den großen Wurf zu landen. Der ist BMW mit dem elektrischen Mittelklasseroller CE 04 gelungen. Die Ziffer 4 steht für eine vergleichbare Leistungsklasse bei Verbrennern mit einem Hubraum von 400 ccm3. Ihren ersten elektrischen Roller in diesem Segment brachten die Münchner schon 2014 auf den Markt: 275 Kilogramm schwer, 14.000 Euro teuer – und mit dem verheißungsvollen Namen „C evolution„.

Diesem Anspruch wurde der Roller allerdings nicht gerecht – die Entwicklung führte in die Sackgasse. Nach dem Verkauf von nur 8.000 Stück weltweit wurde die Produktion 2020 eingestellt. Das Fahrzeug war zu schwer und war entsprechend unhandlich. Und der Preis war für einen Elektroroller mit nur knapp 100 Kilometern Reichweite viel zu hoch. BMW für seinen ersten Versuch in dieser elektrischen Fahrzeugklasse einiges an Lehrgeld bezahlt – aber auch Erfahrungen und Wissen für den zweiten Wurf bekommen.

Info-Display mit Sonnenschutz und Windabweiser 
Die Informationsanzeige kennt man in ähnlicher Form aus dem BMW i3. Die Reichweite ist allerdings deutlich kleiner. Fotos: BMW
Info-Display mit Sonnenschutz und Windabweiser
Die Informationsanzeige kennt man in ähnlicher Form aus dem BMW i3. Die Reichweite ist allerdings deutlich kleiner. Fotos: BMW

Denn etwa die Hälfte aller „C evolution“ rollert derzeit im Großraum Paris. Die französische Metropole gehört mit Rom und Barcelona zu den Roller-Hauptstädten Europas. Dort nutzen die Menschen solche Fahrzeuge gerne, um den überfüllten Untergrundbahnen zu entfliehen und dem dichten Autoverkehr nicht nur auf der Périphérique ein Schnäppchen zu schlagen. Roller sind dafür ideal: Sie sind wendig, obendrein schmal und preiswert. Sie verfügen über einen kleinen Stauraum fürs Gepäck. Und eine Verkleidung bietet zumindest ein wenig Wetterschutz.

Verbrennungsmotor hat ausgedient

Deshalb war den Designern und Entwicklern bei BMW klar, dass der nächste elektrische Roller konsequent auf den urbanen Raum ausgerichtet sein müsste. Herausgekommen ist ein optisch völlig neues Fahrzeugkonzept. Etwas, das es in der Form noch nie gab. BMW hat mit dem CE 04, so viel lässt sich schon jetzt sagen, eine neue Fahrzeugklasse für die individuelle Mobilität in Ballungsräumen geschaffen. Eine echte Revolution. Mit elektrischem Antrieb, versteht sich – etwas anderes werden die Kommunalpolitiker in Zukunft ohnehin nicht mehr akzeptieren. Einige Städte in Deutschland fördern die Antriebswende deshalb schon mit Prämien.

BMW Motorrad wird deshalb für solche Märkte auch künftig keine neuen Verbrenner mehr anbieten. „Bis 2025 werden wir nun mindestens alle 18 bis 24 Monate ein neues elektrisches Fahrzeug für den urbanen Verkehr auf den Markt bringen“, kündigte Walter Schramm, Leiter von BMW-Motorrad, bei der Vorstellung des CE 04 in Barcelona an. Der Ort passt bestens zum Einsatzzweck des Gefährts, das den Anfang der Elektrifizierungsstrategie von BMW für urbane Räume macht. Ab Frühjahr wird das Zweirad in 38 Ländern weltweit angeboten werden.

Wie aus einer anderen Zeit 
Design-, aber auch antriebstechnisch ist der BMW-Roller CE 04 der Konkurrenz deutlich voraus. Preislich allerdings auch.
Wie aus einer anderen Zeit
Design-, aber auch antriebstechnisch ist der BMW-Roller CE 04 der Konkurrenz deutlich voraus. Preislich allerdings auch.

Das Design des CE 04 ist spektakulär und etwas nie Dagewesenes. Die Designer haben alle Freiheiten beim Zeichnen des Rollers genutzt, die ein Elektroantrieb bietet. Roller mit Verbrennern bündeln ihre Masse am Hinterrad, weil dort der Motor sitzt und das Rad antreibt. Das BMW-Hinterrad hingegen ist frei von Ballast und wird über einen Zahnriemen angetrieben. Der Motor sitzt deutlich vor dem Hinterrad, daneben die Elektronik und davor die Akkuzellen. 40 Stück hintereinander – deshalb ist das Fahrzeug mit etwa 2,3 Metern ziemlich lang geraten. Eine Vespa ist einen halben Meter kürzer. Über den Batterien befindet sich ein großes Staufach, in das neben dem Helm auch noch Haushaltseinkäufe passen. Das ist praktisch für den Alltag.

Fliegender Teppich auf Rädern

Neben der Länge ist die Form des Fahrzeuges außergewöhnlich. Die BMW hat die Grundform einer langen, schmalen und rechteckigen Kiste, die tief auf zwei weit voneinander entfernten Rädern sitzt. Darüber ein Sattel in Form eines schmalen Bretts, das scheinbar wie ein fliegender Teppich über dem Unterbau schwebt. Das macht den Roller luftig. Wie bei Rollern neuen Typs üblich hat der CE 04 keinen Durchstieg für die Beine. Die müssen beim Aufstieg über die niedrige Sitzbank geschwungen werden. Das geht aber ganz leicht. Die Räder haben mit 15 Zoll einen für Roller unüblich großen Durchmesser, was nicht nur optisch Stabilität suggeriert und sich im Fahrbetrieb bezahlt macht.

Der Schwerpunkt liegt ebenfalls untypisch für einen Roller im Vorbau. Dort sitzt die Verkleidung, die beim Sitzen auf dem gut gepolsterten Brett nur bis zu den Hüften reicht und deshalb nur Knie-abwärts Schutz vor Regen bietet. Die Beine und Füße dürften bei Regen also trocken bleiben, obwohl die Beinverkleidung schmal ausfällt. Völlig bedeutungslos für den Schutz vor schlechtem Wetter ist das winzige Windschild. Einen praktischen Nutzen hat es keinen, aber es sieht cool aus – wie das gesamte Fahrzeug überhaupt.

Sitz- statt Rollbrett 
Der Sattel der BMW hat die Form eines schmalen Bretts. Wie ein fliegender Teppich schwebt er über dem Fahrgestell.
Sitz- statt Rollbrett
Der Sattel der BMW hat die Form eines schmalen Bretts. Wie ein fliegender Teppich schwebt er über dem Fahrgestell.

Ein Roller ist der CE 04 jedenfalls nicht mehr. Er wird zwar von BMW selbst in diese Klasse einsortiert, weil der CE 04 der am Nächsten kommt und es für solche Fahrzeuge noch keine Modellbezeichnung gibt. Vielleicht wird irgendwann ein passender Begriff erfunden.

Zwei E-Maschinen zum gleichen Preis

Bei der Technik nutzt BMW Bewährtes aus dem Automobilbereich. Dazu zählt die E-Maschine, die ähnlich den Elektromotoren ist, die in den Hybridautos von BMW wie dem allradgetriebenen 225xe Active Tourer verbaut werden. Angeboten werden zwei Motoren mit Maximalleistungen von 23 kW (31 PS) und 31 kW (42 PS). Die Höchstgeschwindigkeit beträgt für beide Ausführungen 120 km/h und auch der Preis ist für beide Versionen identisch.

Für den starken Antrieb mit 31 kW wird allerdings der Motorradführerschein benötigt, beim schwächeren Motor genügen eine Fahrerlaubnis der Klasse A1, die schon mit 16 Jahren erworben werden kann. Alternativ reicht eine Erweiterung des Autoführerscheins B196, weil die dafür entscheidende Nenndauerleistung bei 15 PS liegt. Mit dieser Erweiterung dürfen Autofahrer solche leichten Krafträder unter bestimmten Bedingungen fahren: Die Führerscheinbesitzer müssen mindestens 25 Jahre alt sein, seit wenigstens fünf Jahren eine Fahrerlaubnis der Klasse B oder der alten Klasse 3 haben sowie eine Schulung mit vier Theorie- und fünf Praxiseinheiten in einer Fahrschule absolviert haben.

Batteriezellen wie im BMW iX

Die Zellen für den Akku werden übrigens auch im BMW iX verwendet, dem allradgetriebenen Vorzeige-Stromer der Bayern. Während der SUV über Akkus mit Kapazitäten von 76,6 und 111,5 kWh verfügt, steckt im Elektroroller ein Stromspeicher von nur 8,9 kWh. Theoretisch soll der für 130 Kilometer Reichweite gut sein. Im Testbetrieb verbrauchte das Fahrzeug allerdings 7 kWh Strom auf 100 Kilometer – das könnte also knapp werden. Dabei wurde durch eine vorausschauende Fahrweise immerhin 1 kWh Energie rekuperiert – 15 Prozent der Speicherkapazität. Dabei wird der Roller mit dem Handgriff gesteuert und auf Bremsen fast vollständig verzichtet. Das gelingt rasch mit etwas Übung. Für die leistungsreduzierte Variante gibt BMW eine Reichweite von 100 Kilometern an.

Typ-2-Stecker für 6,9 kW-"Schnellader" 
Der Elektroroller kann an der Haushaltssteckdose daheim, aber auch an einer Wallbox oder einer öffentlichen Ladestation geladen werden. Im Idealfall ist der Akku nach 90 Minuten wieder voll. Foto: BMW
Typ-2-Stecker für 6,9 kW-„Schnellader“
Der Elektroroller kann an der Haushaltssteckdose daheim, aber auch an einer Wallbox oder einer öffentlichen Ladestation geladen werden. Im Idealfall ist der Akku nach 90 Minuten wieder voll. Foto: BMW

Aufgeladen wird der Akku entweder an einer Steckdose des Haushaltsstromnetzes, an einer Wallbox oder an einer öffentlichen Ladesäule. Mit dem serienmäßigen Ladegerät beträgt die Ladeleistung 2,3 kW – eine vollständige Ladung dauert dann 4 Stunden und 20 Minuten. Dreiphasig liegen bis zu 6,9 kW an, sinkt die Ladezeit auf etwa eineinhalb Stunden. Nötig ist dafür allerdings ein 850 Euro teures „Schnellladegerät“ – eine sinnvolle Investition, wenn auch längere Strecken zurückgelegt werden sollen.

Bei 11.990 Euro beginnt der Spaß

Der CE 04 verfügt serienmäßig über eine Schlupfkontrolle, einen Anti-Blockier-System (ABS) und drei Fahrmodi. In der schräglagentauglichen großen Variante kosten alle elektronischen Helfer einen Aufpreis. Das 10,25 Zoll große TFT-Display hat eine integrierte Kartennavigation, die vom Handy gespeist wird. Insgesamt verlangt BMW für den CE 04 wenigstens 11.990 Euro. Das ist – verglichen zumindest mit dem „C evolution“ von einst – relativ wenig Geld für ein außergewöhnliches Zweirad mit neuester Technologie und hochwertiger Ausstattung.

Und der Elektroroller bietet zudem eine Menge Fahrspaß. Er beschleunigt zügig, liegt satt auf der Straße und ist trotz seiner Länge ausgesprochen handlich. Durch die überfüllten Straßen Barcelonas geht es rasch voran. Der CE 04 ist spielend leicht zu führen und es macht ein gutes Gefühl, auf einem solch außergewöhnlichen und perfekt funktionierenden Fahrzeug unterwegs zu sein. Und man genießt selbst in einer Stadt mit einer so hohen Rollerdichte wie Barcelona viel Aufmerksamkeit.

Als nächstes Modell in diesem Segment wird BMW übrigens einen CE 02 anbieten. Zu einem Basispreis von „deutlich unter 10.000 Euro“, aber auch mit einer etwas geringeren Reichweite.

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