Viel Mühe hat sich die Designabteilung von BMW mit dem neuen Elektroauto nicht gegeben: Man muss schon genau hinschauen, um den neuen Stromer von seinen Schwestermodellen mit Benzin- oder Dieselmotoren oder einem Hybridantrieb unter der Haube zu unterscheiden. Eine neue Front- und Heckschürze, dazu ein paar in Applikationen in „Electric Blue“ sowie ein Felgensatz mit einer glatten Oberfläche – das musste genügen, um dem neuen BMW iX3 eine „eigenständige Ausstrahlung“ zu verleihen. Bloß keine Design-Experimente wie beim i3 oder i8, nichts, was traditionsbewusste Kunden verschrecken könnte. Null Risiko – und alles zurück ins Glied. Denn das Fahrzeug soll sich rechnen und auf große Stückzahlen kommen. Zunächst in China, wo das neue Modell gebaut wird, dann, 2021, im Rest der Welt

Bis zu 460 Kilometer in einem Rutsch

Wesentlich stärker als die Designer waren die Ingenieure gefordert. Denn der Antriebsstrang soll „Wegbereiter der jüngsten Entwicklungsstufe für
elektrifizierte Antriebssysteme“ sein. Es wird nicht nur den iX3 bewegen, sondern auch den geplanten i4 sowie den so genannten iNEXT, der wohl 2022 als i5 auf den Markt kommen wird. Dafür wurde ein neuer Synchronmotor mit 210 Kilowatt beziehungsweise 286 PS Leistung und einem Wirkungsgrad von 94 Prozent samt Getriebe und Leistungselektrik in einem untergebracht, um Bauraum und Gewicht zu sparen. Mit einem maximalen Drehmoment von 400 Newtonmetern sollen trotz eines Gewichts von über 2,5 Tonnen rasante Ampelstarts möglich werden. Mit Rücksicht auf die Batterie und die Sicherheit im Straßenverkehr wird der Vortrieb allerdings bei Tempo 180 ausgebremst – auch im Elektroauto gibt es schließlich kein „Recht auf Rasen“, wie es der Parteivorsitzende der Grünen dieser Tage formulierte.

Dafür gibt es ein Recht auf Mobilität. Und das lässt sich im iX3 deutlich besser durchsetzen als etwa im i3. Dafür sorgt der 518 Kilo schwere und flüssigkeitsgekühlte Hochvolt-Speicher im Fahrzeugboden, der 80 Kilowattstunden (kWh) Strom speichern kann und angeblich „das Optimum des derzeit Darstellbaren“ bietet. 74 kWh können praktisch genutzt werden um mit einer Akkuladung unter alltäglichen Bedingungen bis zu 460 Kilometer weit zu fahren. Theoretisch sollen sogar Reichweiten von 520 Kilometer möglich sein. Dann sind allerdings nur Spitzengeschwindigkeiten von 120 km/h drin.

Viele Intelligenz beim Segeln und Laden

Und unterwegs muss dann auch fleißig gesegelt und Energie im Schubbetrieb zurückgewonnen werden. BMW hat sich dafür allerhand einfallen lassen. So wird unterwegs automatisch die Segel-Funktion aktiviert, sobald der Fahrer (m/w/d) den Fuß vom Fahrpedal nimmt oder beispielsweise den Blinker setzt: Anhand der Daten, die das Navigationssystem liefert, weiß der Bordcomputer, wo sich der Stromer gerade befindet und was aktuell das Beste für ihn ist.

Eine ähnliche Intelligenz soll auch die Ladevorgänge steuern. Wechselstrom nimmt der Onboard-Lader mit einer Leistung von bis zu 11 Kilowatt. Am Gleichstrom-Schnelllader sind Ladeleistungen von bis zu 150 kW möglich. Beim i3 waren bislang maximal 50 drin. Was die BMW-Ingenieure mit noch mehr Stolz erfüllt, ist die Tatsache, dass der iX3 das weltweit erste Fahrzeug ist, bei dem die Funktionen des Spannungswandlers, der Ladeelektronik, der Stromverteilung sowie das Hochvolt-Management in einem Gerät integriert sind. Na Elon, da staunste, was?

Der Rest hingegen ist schnöde Großserientechnik? Ja, bis auf die neue Klangwelt, die der Elektro-SUV offeriert, seinen Insassen, aber auch dem Publikum am Straßenrand. Hollywood-Legende Hans Zimmer („Gladiator“, „König der Löwen“ und „Fluch der Karibik“) himself hat den „ikonischen“ Antriebssound komponiert, der über Innen- und Außenlautsprecher ausgesendet wird und dem Fahren eine neue „emotionale Tiefe“ (Pressetext) verleihen soll.

Wir dürfen also gespannt sein. Auch was dieses Extra in höchster Ausprägung kosten wird – serienmäßig ist im 68.040 Euro (inklusive 16 Prozent Mehrwertsteuer) nur das Vorspiel.

Artikel teilen

4 Kommentare

  1. Hans Wurscht

    Die Marketingabteilung bei BMW arbeitet mal wieder auf Hochtouren. Es werden unwichtige Banalitäten wie z.B. der (ohnehin fragwürdige) Innenraumsound aufgebauscht um von den wirklich relevanten technischen Details abzulenken. Ein Auto mus innen leise sein! Wenn ich Sound möchte kann ich diesen über die Musikanlage erzeugen und zwar genau den, den ich möchte. Dazu brauche ich keine Hollywoodlegende (die das Ganze vermutlich auch nicht ehrenamtlich gemacht hat).

    Aber vielleicht (bzw. für BMW hoffentlich) gibt es genügend Menschen, die ab dem nächsten Jahr zu diesen Preisen ein Auto kaufen, dessen technische Daten (Akkukapazität/Praxisreichweite vermutlich weniger als 300km, trotzdem mäßige Fahrleistungen, kein Allradantrieb) schon heute nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen (zumindest nicht in dieser Preisklasse).

    Antworten
  2. RK

    Dir Frage ist ja, ob die Integration aller Funktionen in einem Gerät tatsächlich so ein großer Vorteil ist. Bei einem Defekt muss vermutlich das komplette Modul, anstatt einzelner Komponenten getauscht werden.
    Ist aber nur eine Vermutung

    Antworten
  3. Gerd

    Zitat „Na Elon, da staunste, was?“ – peinlicher geht es nicht, wenn man über einen umgebauten Verbrenner mit Marktreife 2021 schreibt.

    Aber OK, wenn er mindestens 20% effizienter als ein 2021er MY wird und in D mit ordentliche Leasingkonditionen angeboten wird, gebe ich ihm vielleicht eine Chance.

    Antworten
  4. haarthhoehe

    Ich bin der Meinung, dass das erste Fahrzeug mit einer integrierten Elektro- und Elektroniksteuerung der Prius war und immer noch ist. Aber wieder nur ein Beispiel für die hochfliegenden Sprüche aus den Hochglanzprospekten rein zum Zwecke der Verkaufsförderung. Aber für den Preis kann man schon etwas Besonderes erwarten.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert