Der noch junge Fünfer-BMW soll insbesondere als Elektroversion i5 leistungsverliebte Kunden ins Elektrolager holen. Nachdem es beim Basismodell i5 eDrive 40 bei der Höchstgeschwindigkeit mächtig hapert und eine sinnvolle Allradversion erst jetzt mit Verspätung nachgezogen wurde, ist die Wahl des Langstreckenmodells einfacher als gedacht. Der BMW i5 xDrive M60 war bis vor kurzem sogar noch das Topmodell der 5er-Reihe. Doch die Münchner stellten jüngst den BMW M5 Plug-in Hybrid vor, dessen Kombination aus V8-Doppelturbo und Elektromotor bereits in der Basisvariante mit 535 kW Leistung, 1.000 Newtonmeter Drehmoment und eine Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h viele M-Fans frohlocken ließ.

In dieser Powerliga kann der aktuell stärkste i5 nicht mitspielen, aber mit 442 kW und allemal mächtigen 820 Nm muss sich hinter dem griffigen Lederlenkrad niemand Sorgen machen, nicht sportlich glänzen zu können. Optisch gibt sich der M60er trotz leicht geänderter Front für einen Sportler eher zurückhaltend. Keine ausgestellten Radhäuser oder gar ein umfangreich wie beim M5 modifiziertes Fahrwerk. Der xDrive M60er ist eher sportlichste i5-Version denn echte Sportversion.

Dreiländer-Tour über 3500 Kilometer

Die mehrtätige Europatour verspricht umfangreiche Erfahrungen in Sachen Alltagsnutzen und Langstreckentauglichkeit, denn nach dem Start in München stehen Innsbruck, Bozen, Brescia, Mailand, Turin, Grenoble, Clermont-Ferrand, Tour, Le Mans, Paris, Straßburg und Stuttgart auf dem Fahrprogramm. In Summe rund 3.500 Kilometer, auf denen der elektrische Bayern glänzen soll und – dies vorweggenommen – auch tat.

Zum Start gibt es jedoch die erste Enttäuschung, denn der zu 99 Prozent vollgeladene Akku schafft es nicht, die in App und Fahrerdisplay angezeigte Reichweite auf über 400 Kilometer zu drücken. Das 81,2 kWh große Akkupaket im Unterboden sorgt für eine in Aussicht gestellte Reichweite von lediglich 382 Kilometern. Erwartet waren 455 bis 516 Kilometer. Und selbst diese Werte sind für eine Oberklasselimousine eigentlich bescheiden – erst recht für Menschen, die bisher mit einem BMW 540d xDrive nur alle 700 Kilometer eine Tankstelle ansteuern mussten.

Alles im Blick 
Auf den Landstraßen weiß der BMW i5 fahrtechnisch zu glänzen. Das teilautomatisierte Fahren auf Level 2plus bietet jedoch keine Entlastung: Wer die Augen nur kurz von der Fahrbahn nimmt, bekommt nervigste Warnklänge zu hören.
Alles im Blick
Auf den Landstraßen weiß der BMW i5 fahrtechnisch zu glänzen. Das teilautomatisierte Fahren auf Level 2plus bietet jedoch keine Entlastung: Wer die Augen nur kurz von der Fahrbahn nimmt, bekommt nervigste Warnklänge zu hören.

Es geht über die Autobahn nach Süden Richtung Norditalien, doch die schnelle Fahrt über A99 und A8 Richtung Innsbruck sorgt zusammen mit einem leichten Durstgefühl dafür, dass kurz vor der Grenze in Kiefersfelden der erste Ladestopp eingelegt wird, da kaum mehr als 200 km Reichweite angezeigt werden, ob schon der über 600 PS starke Allradler auf der linken Spur weitab seiner früh bei 230 km/h abgeregelten Höchstgeschwindigkeit unterwegs war.

30,6 kWh für 24,18 Euro

Nachgeladen wird mit einem Spitzenwert von knapp 180 kW – da ist noch etwas Raum bis zu den 205 kW, die der Hersteller verspricht. Mehr sind aufgrund der verbauten 400-Volt-Technik ohnehin nicht drin. In dem Punkt die BMW-Modelle noch hinter so manchem Wettbewerber her, die dank 800- oder 900-Volt-Bordnetz Ladeleistungen von mittlerweile 270, 310 oder – wie ein Lotus Emeya – bis an die 400 kW ermöglichen. Immerhin liegen die 180 kW beim i5 relativ lange an. Und so geht es nach der Aufnahme von 30,6 kWh zu einem Preis von 24,18 Euro weiter gen Brescia.

Mehr als 180 kW sind nicht drin 
Das 400-Volt-Bordnetz des knapp 100.000 Euro teuren BMW i5 M60 limitiert die Ladeleistung - da sind viele Wettbewerber in der Preisklasse inzwischen deutlich besser aufgestellt.
Mehr als 180 kW sind nicht drin
Das 400-Volt-Bordnetz des knapp 100.000 Euro teuren BMW i5 M60 limitiert die Ladeleistung – da sind viele Wettbewerber in der Preisklasse inzwischen deutlich besser aufgestellt.

Die Ladeinfrastruktur an den norditalienischen Autobahnen sorgt zumindest außerhalb der Ferienzeiten für Entspannung. So werden nahe der Autobahn in Affi im Südosten des Gardasees nochmals 75 kWh nachgetankt, nachdem die Restreichweite unter die Zehn-Prozent-Marke gerutscht war. Kosten diesmal: 59,25 Euro, also 79 Cent pro Kilowattstunde.

Auf der Landstraße glänzt der BMW i5

Auf der Langstrecke kann der stärkste aller BMW i5 glänzen. Die Sitze sind ebenso wie das Platzangebot top, das Geräuschniveau auch ohne Dämmglas angenehm gering und an die etwas kniffelige Bedienung einiger Sekundärfunktionen hat man sich schnell gewöhnt. Die beiden Displays sind gestochen scharf, könnten jedoch in Relation zu so manchem Wettbewerber für ein 2024er-Modell größer sein. Und einen Beifahrerbildschirm – auf dieser Singletour ohne Bedeutung – gibt es beim noch jungen Viertürer gar nicht.

Kein Grund zur Panik 
Der Ladeplaner an Bord des BMW i5 arbeitet sehr akkurat. Da muss eine geringe Restreichweite nicht schrecken.
Kein Grund zur Panik
Der Ladeplaner an Bord des BMW i5 arbeitet sehr akkurat. Da muss eine geringe Restreichweite nicht schrecken.

Auf den Landstraßen kann der knapp 2,4 Tonnen schwere Allradler sogar strahlen. Die präzise Lenkung ist top, der tiefe Schwerpunkt gefällt insbesondere in engen Kurven. Und die Bremsen zeigen nicht jenen etwas holprigen Übergang von Rekuperation zur Scheibenbremsung, wie man ihn von manchem Elektroauto kennt. Das ist gerade auf den Landstraßenetappen ein echter Genuss.

400 Kilometer Reichweite? Eher weniger

Navigation, Bedienung und Komfort in den überfüllten Innenstädten von Mailand oder Turin sind exzellent, wobei der Bayer hier und da ein paar Kilowatt Leistung nachtankt, ehe es in seichten Kurven über die Alpen Richtung Frankreich geht. Der Zöllner nimmt sich den grauen i5 im Sportdress vor der Einfahrt in den Grenztunnel ebenso umfangreich wie wortkarg vor und kann schließlich ebenfalls nur nicken. Passt für ihn scheinbar ebenfalls.

Auf der Autobahn A43 geht es auf der französischen Seite deutlich flotter zu als bei der vergleichbaren Schnellstraße im Herzen des Ruhrgebiets – mit viel weniger Baustellen. Der Wechsel nach Frankreich bietet zudem einen deutlichen Schritt in Richtung Elektromobilität und besserer Infrastruktur. An jeder Raststätte an der Route gibt es auch saubere, helle und bestens gepflegte Schnelllader, an der das elektrifizierte Oberklassemodell aus Dingolfing sein Ladekönnen zeigen kann, während der Pilot snackt oder entspannt.

Leichtes Rennfieber 
Recht einsam ist es, wo vor kurzem noch das legendäre Langstreckenrennen rund um Le Mans Millionen von Menschen in den Bann zog. Heute ist der BMW i5 xDrive M60 hier konkurrenzlos. Fotos: Grundhoff
Leichtes Rennfieber
Recht einsam ist es, wo vor kurzem noch das legendäre Langstreckenrennen rund um Le Mans Millionen von Menschen in den Bann zog. Heute ist der BMW i5 xDrive M60 hier konkurrenzlos. Fotos: Grundhoff

Die vom Bordcomputer vorgeschlagenen Ladepunkte passen und lassen sich mit etwas Mut auch noch nach hinten schieben, um den Akku noch leerer zu fahren. Doch selbst bei vollem Akku zeigt der Bordcomputer niemals 400 km oder mehr an Reichweite an. Derweil sorgt das vernetzte Soundsystem dafür, dass auch weiterhin Musik nach nationaler Wahl aus den Boxen tönt und die über 900 Kilometer nicht zu lang werden. Beim Hotelstopp in Clermont-Ferrand ist die 22-kW-Lademöglichkeit am Hotel besser als dieses selbst. Für die knapp 67 kWh benötigen das Zusammenspiel aus Ladesäule und Bordelektronik drei Stunden und elf Minuten, ehe 40,04 Euro – also rund 60 Cent pro Kilowattstunde – abgerechnet werden. Angezeigt werden danach wieder nur 367 km Reichweite.

LED-Scheinwerfer müssen reichen

Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Le Mans, einer mittelgroßen französischen Stadt, die kaum mehr als die Rennstrecke mit ihren temporären Erweiterungen auf öffentlichen Landstraßen zu bieten hat. Auf diesen Landstraßen – oftmals mit rauem Fahrbahnbelag – schlägt sich der knapp 100.000 Euro teure BMW i5 xDrive M60 trotz seines imposanten Übergewichts genau souverän wie auf den französischen Autobahnen.

Die Fahrerassistenzstufe zwei/zwei plus, mit der BMW seinen Fünfer anpreist, bietet jedoch keine nennenswerte Entlastung für den Steuermann. Nur kurz kann man die Hände vom Lenkrad nehmen. Und wer die Augen von der Fahrbahn entfernt, bekommt innerhalb von weniger Sekunden nervigste Warnklänge.

Barrierefrei
Die Ladeinfrastruktur an den norditalienischen Autobahnen sorgt zumindest außerhalb der Ferienzeiten für Entspannung. So werden nahe der Autobahn in Affi im Südosten des Gardasees nochmals in aller Ruhe 75 kWh nachgetankt.
Barrierefrei
Die Ladeinfrastruktur an den norditalienischen Autobahnen sorgt zumindest außerhalb der Ferienzeiten für Entspannung. So werden nahe der Autobahn in Affi im Südosten des Gardasees nochmals in aller Ruhe 75 kWh nachgetankt.

Die nächtliche Rückfahrt von Le Mans nach München via Paris und Straßburg und Stuttgart geschieht bei betont schneller Gangart, sehr viel Regen und höheren Tempi auf deutscher Seite. Die LED-Scheinwerfer sorgen dabei für Licht und Sicherheit, doch gerade auf den leeren französischen Autobahnen zwischen Paris, Troyes und Mulhouse hätte ein Laserlicht die Chance gehabt, den Fernbereich die Nacht gleißend hell auszuleuchten. Doch diese Lichtfunktion wurde bei der aktuellen 5er-Generation ebenso gestrichen wie ein Schiebedach, das nur für die USA im Programm bleibt.

Mehr als 230 km/h sind nicht drin

So bleibt die Luke nach oben zu und das Tempo wird abgesehen von den Ladestopps in Fresnoy oder Anthelupt auf das maximal Erlaubte erhöht, wobei das Komfortniveau auch nach mehr als 2.500 Kilometern glänzen kann. Das sorgt allerdings auch dafür, dass der bisherige Durchschnittsverbrauch von 21,4 auf 22,7 kWh auf 100 Kilometern ansteigt. Gerade die deutlich über 200 km/h schnellen Zwischenetappen zwischen Baden-Baden und München via Stuttgart machen sich da bemerkbar, während sich der Fahrer wundert, wieso eine derart sportliche Limousine mit 442 kW schon bei 230 km/h abgeregelt wird.

Ist der BMW i5 xDrive M60 nunmehr eine echte Alternative zu einem leistungsstarken 5er BMW mit Verbrennungsmotor? Wer den sportlichsten aller i5 mit einem Verbrenner vergleicht und nicht jeden Tag hunderte von Kilometern zurücklegen muss, sollte sich den Wechsel allemal überlegen. Insbesondere dann, wenn er zu Hause Solarstrom vom eigenen Dach laden kann. Die Gesamtstromkosten für dem Trip summierten sich auf rund 450 Euro. Wer schier endlose Dieseltouren mit viel Drehmoment, hohen Realgeschwindigkeiten und wenigen Tankstopps schätzt, dürfte kaum zum Stecker greifen. Nicht nur wegen der kurzen Tankstopps, sondern auch mit Blick auf das Konto: Die Energiekosten wären auf gleicher Strecke spürbar niedriger gewesen.

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