Für ein Auto, das nicht weniger als die Marke BMW neu erfinden soll, ist das iX3-Design fast schon überraschend zurückhaltend. Da haben die Bayern in der Historie schon wildere Kreation auf ihre verwöhnten Kunden losgelassen. Viel wichtiger, dass der übertrieben penetrierte Begriff der „Neuen Klasse“ nun einem Auto gewichen ist, das nicht nur in seiner Klasse Maßstäbe setzt. Der BMW iX3 als erstes Modell eines neuen Sechserpacks und eines Neustarts für die Bayern, der so manchem Konkurrenten Angst machen könnte. Nach den ersten offiziellen Testfahrten in Spanien kann hier keine Entwarnung gegeben werden. Denn der elektrische Mittelklasse-Crossover fährt exzellent, lädt pfeilschnell und hat eine Reichweite, die viele staunend zurücklassen dürfte. Wenn sich mit der Modellreihe für BMW auch noch Geld wie einst in der Verbrennerwelt verdienen lässt, ist die Antriebswende geschafft – zumindest in München.

Der neue BMW iX3 macht Freude beim Fahren. Er lenkt fein, federt exzellent und beschleunigt trotz seines hohen Gewichts rasant.
Der 4,78 Meter langer Mittelklasse-SUV startet bei stattlichen 68.900 Euro – nur knapp unter dem Preis, der für einen i5 zu entrichten wäre (70.200 Euro). Dafür gibt es einen Premium-SUV, der fein lenkt, exzellent federt und die sprichwörtliche Freude am Fahren verbreitet. Und das trotz eines Leergewicht von fast 2,4 Tonnen – das gewaltige Batteriepaket mit seinen fast 110 kWh Kapazität zwischen den Antriebsachsen fordert Tribut.
Vierspeichen-Lenkrad ist ein Fremdkörper
Aber der Bayer, gebaut im ungarischen Debrecen, überspielt das hohe Gewicht auch bei schneller Gangart gekonnt. Natürlich schiebt er beim Bremsen und in Kurven mächtig nach vorn, doch das Fahrwerk gibt einem das Gefühl, einen Crossover zu führen, der Lust auf Kurven und noch viel mehr hat. Vermisst man Luftfederung oder eine Hinterachslenkung? Ehrlich gesagt, nein.
Etwas mehr Komfortniveau im Cruisermodus wäre trotzdem verlockend. Die Spitzenleistung von 345 kW oder 469 PS in alter Währung ist auch dank des maximalen Drehmoments von 675 Newtonmetern eindrucksvoll und imposant, aber nicht derart wild wie bei so manchem Wettbewerber aus Fernost. Und die Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h dürfte auch notorische Raser zufrieden stellen.

Gewöhnungsbedürftig sind das serienmäßige Vierspeichen-Lenkrad und das nach links geneigte Zentraldisplay über der Mittelkonsole.
Was den Fahrer stört, sind nicht die Fahrgeräusche: Der iX3 ist prächtig gedämmt. Doch beim Kurvenvergnügen auf der Landstraße ist das Lenkrad ein Fremdkörper. Es sieht weder gut noch besonders wertig aus und fühlt sich mit seinen vier seltsam angeordneten Speichen auch nicht so an. Das Steuerrad ist auf das neue Bedienkonzept abgestimmt, das die Instrumente hinter dem Lenkrad verschwinden lässt und in einen schmalen Streifen an der Unterseits der Windschutzscheibe packt. Dieser lässt sich nahezu frei konfigurieren, doch ein wirklicher Fortschritt ist das neue Bedien- und Informationssystem nicht. Auch der keck angeschrägte 16-Zoll-Zentralbildschirm ist Geschmacksache. Deutlich besser ist das große (aufpreispflichtige) Head-Up-Display.
Über 800 Kilometer Reichweite sind drin
So präzise der BMW iX3 einlenkt, so gut er bremst und sich den Kurvenvorgaben seines Piloten unterordnet, so sehr muss man sich an den Innenraum gewöhnen. Das Gefühl nach Hause zu kommen, gibt es mit dem Erstlingswerk nicht. Das erste Modell der neuen Klasse wirkt so modern wie erwartet, doch ein paar mehr Direkttasten oder bekannte Bedienelemente hätten die Umgewöhnung auf die neue Ära wohl leichter gemacht. Die Sitze sind bequem, könnten aber mehr Kontur vertragen und sind im Fond gänzlich ohne Seitenhalt. Das Platzangebot geht jedoch allemal in Ordnung. Und wer die Rückbank umlegt, vergrößert den 520 Liter großen Laderaum von 520 auf 1.750 Liter. Für Kleinteile und das Ladekabel gibt es einen 58 Liter fassenden Frunk unter der Fronthaube.

Der Kofferraum des iX3 fasst bei voller Bestuhlung 520 Liter. Wer die Rückbank umlegt, vergrößert das Packvolumen auf 1.750 Liter
Die zweite große Stunde des Elektroneulings schlägt beim Nachladen. Dank 800-Volt-Bordnetz und einem 108,7 kWh großen Batteriepaket sind 800 Kilometer oder mehr bis zum Ladestopp drin. Bei vollem Akku zeigte unser Testwagen sogar 897 Kilometer an – das ist stattlich und ist nach den ersten 100 Kilometern nicht merklich geschrumpft. Ist das Batteriepaket einmal erschöpft, lädt das Crossover am Schnelllader mit bis zu 400 kW nach. In zehn Minuten werden so 370 Kilometer Reichweite gewonnen. Das ist stattlich und kann sich mit der mancher Chinesen wie dem Xpeng G6 oder G9 durchaus messen. Serienmäßig kann an einer Wallbox mit 11 kW nachgeladen werden – wer 22 kW möchte, muss einen Aufpreis entrichten. Kostenlos ist immerhin die Fähigkeit zum bidirektionalen Laden.
Autonomes Fahren auf Level 2plus gegen Aufpreis
Neben dem polarisierenden Anzeige- und Bedienkonzept wird aber manchen Interessenten ein Ausstattungsdetail fehlen, das schon der klassenhöhere BMW iX bringen sollte und bis heute schuldig blieb: die Fahrerassistenzstufe drei. Auch der neueste BMW bietet trotz modernster Sensoren und vernetzter Elektrohirne selbst bei der Ausstattung mit dem „Autobahn- und City-Assistenten“ (1450 Euro Aufpreis) nur die Stufe 2 plus. Hände weg vom Steuer auf freigegebenen Autobahnen bis 130 km/h klappt, doch die Augen müssen vorerst weiter wachsam und auf den Verkehr gerichtet bleiben. Schade.