Was ist das für ein Zweirad? Motorrad, Roller, Scooter oder BARC-Gleiter? Letzteres kennen Star-Wars-Fans als Biker-Aufklärungskommando-Gleiter der Großen Armee der Republik. Die BMW CE04 oder CE02, nennen wir sie Roller, sehen zumindest sehr futuristisch aus, wie aus einer anderen Galaxy. Und so gar nicht nach BMW Motorrad.

Das ist durchaus gewollt. Motorräder haben sich in den vergangenen 40 Jahren optisch stark verändert. „Früher gab es nur eine Kategorie von Motorrädern: unverkleidete Maschinen, bei denen der Motor die Optik dominiert. Heute würden wir dazu Naked Bikes sagen“, sagt Edgar Heinrich, bis Ende 2023 Design-Chef bei BMW Motorrad. Er verantwortet seit 2012 das Design aller BMW-Maschinen, von der neuen BMW R 1300 GS bis zum nächsten Elektroscooter CE02, der im Frühjahr in den Handel kommt – und so ganz anders aussieht als vergleichbare Zweiräder mit Verbrennungsmotor.

BMW CE04 
„Roller definieren sich über den Nutzwert, wir bei BMW haben aber einen emotionaleren Ansatz gewählt.“
BMW CE04
„Roller definieren sich über den Nutzwert, wir bei BMW haben aber einen emotionaleren Ansatz gewählt.“

Heinrich erklärt das mit der Entwicklung von Motorrädern allgemein. Seit Mitte der 1980er-Jahre entwickeln sich verschiedene Segmente und damit auch das Design von motorisierten Zweirädern. Mit der R 80 G/S kreiert BMW ab 1980 eine Reiseenduro, dazu kommen Sportler, Sporttourer, Chopper und Touring Bikes. „Diese Segmentierung hat das Design stark beeinflusst, heute kommt eine Subsegmentierung hinzu. Jeder Biker wünscht sich seine spezielle Maschine“, erklärt Edgar Heinrich. Das sei bei künftigen E-Motorrädern nicht anders als bei Maschinen mit konventionellem Antrieb.

„Die Proportionen müssen stimmen“

Gutes Design habe viel mit Package zu tun, mit Aussehen und Wahrnehmung. Ganz gleich, ob Motorrad mit Verbrennungsmotor oder Elektroantrieb. „Die Proportionen müssen stimmen, wie die typische Flyline bei der GS, die sich vom Schnabel, über den Tank zum Heck zieht. Wenn das Heck zu weit nach hinten herausragt, stimmen die Proportionen nicht“, erklärt der Designer.

BMW CE02
Motorräder sind generell eckiger, knackiger und kantiger geworden. Das zeigt sich auch bei dem vollelektrischen Kleinkraftrad, das BMW 2024 auf den Markt bringt, um die Mobilität in der Stadt um einen „e-Parktourer“ zu ergänzen.
BMW CE02
Motorräder sind generell eckiger, knackiger und kantiger geworden. Das zeigt sich auch bei dem vollelektrischen Kleinkraftrad, das BMW 2024 auf den Markt bringt, um die Mobilität in der Stadt um einen „e-Parktourer“ zu ergänzen.

Heinrich unterscheidet zwischen drei Ebenen: Neben dem „first read“, den Proportionen, sind es beim „second read“ die Formensprache und Detaillierung. Dazu zählt Heinrich den Kardanantrieb wie Hinterachse, Gabelbrücke, Armaturen oder die Scheinwerfer. Außerdem müssen sich ikonische Designelemente wiederfinden. Bei der GS seien das die Flyline mit dem Schnabel, der Boxermotor und der Kardanantrieb. Zum „third read“ zählt er Details wie Fußrasten.

Fünf Jahre Entwicklungszeit

„Für mich ist entscheidend, dass das Design durchgängig ist. Eine Enduro wie die GS kann weder die Fußrasten eines Sportlers noch die Koffer eines Toures tragen“, sagt Edgar Heinrich. Bis zu fünf Jahre benötigen BMW-Designer für eine Neuentwicklung. Bei BMW arbeiten 33 Designer in vier Teams. Deren Mantra: „Form follows emotion“. Im Mittelpunkt des Designs steht dabei immer der Fahrer selbst.

BMW R32 
Ingenieur Max Fritz drehte den Boxermotor in den Wind und schuf so vor 100 Jahren die Urform des BMW-Motorrads.
BMW R32
Ingenieur Max Fritz drehte den Boxermotor in den Wind und schuf so vor 100 Jahren die Urform des BMW-Motorrads.

Das war nicht immer so: Gutes Motorraddesign gebe es erst seit rund 15 Jahren. Davor ging es vor allem darum, die technischen Komponenten wie Motor, Räder, Tank und Sitzbank miteinander zu verbinden. Bei BMW gelingt mit der K1200 R der Wendepunkt. „Weil es das erste Motorrad von BMW war, das keiner verstanden hat“, lacht Edgar Heinrich.

Der Antrieb steht im Mittelpunkt

Was er meint: Jede Motorradmarke hatte bis dahin ein bestimmtes Image. Das von BMW war: zuverlässig, hochwertig, innovativ, aber nicht besonders stylisch. Typisch deutsch eben. Andere Marken aus England, Italien oder auch Japan waren schicker, cooler, dafür aber nicht unbedingt zuverlässiger. Das änderte sich Ende der 1980er-Jahre. Plötzlich fuhr auch die größte italienische Diva oder britischer Café-Racer zuverlässig. BMW musste reagieren und konnte sich nicht mehr auf sein vorheriges Alleinstellungsmerkmal, neudeutsch USP, verlassen.

BMW Vision AMBY 
2021 zeigte BMW Motorrad mit der „Vision AMBY“, dass es zwischen E-Bike und E-Motorrad noch eine Marktnische gibt. Das leichte Zweirad mit einer Reichweite von etwa 110 Kilometern soll der urbanen Mobilität eine emotionale Note geben
BMW Vision AMBY
2021 zeigte BMW Motorrad mit der „Vision AMBY“, dass es zwischen E-Bike und E-Motorrad noch eine Marktnische gibt. Das leichte Zweirad mit einer Reichweite von etwa 110 Kilometern soll der urbanen Mobilität eine emotionale Note geben.

„Denn Biker kaufen Maschinen aus Leidenschaft, nicht aus Vernunft“, sagt er. Und da spielt der Antrieb, gestern wie heute, eine sehr große Rolle. Ein Motorrad definiert sich immer noch in erster Linie über den Motor, nicht über die Außenhaut wie bei einem Auto. Ganz gleich, ob Harley-V2, BMW-Boxer, Reihenvierzylinder, Sechszylinder oder Einzylinder-Dampfhammer, der Antrieb steht im Mittelpunkt des Bikes und des Designs.

Nutzwert ist beim Motorrad sekundär

Dazu unterscheide sich Motorraddesign stark vom Auto. „Ein Auto ist meist ein Nutzobjekt. Erst wenn Kunden es sich leisten können, kaufen sie emotionale Autos. Ein Motorrad ist primär eine emotionale Entscheidung, der Nutzwert sekundär“, erklärt Edgar Heinrich. Ein Motorrad ist das größte Accessoire, das man tragen kann. So transportiert eine große GS als Reiseenduro Abenteuerlust und Freiheit, der Supersportler S1000 RR extreme Sportlichkeit und der CE04 E-Scooter Urbanität, Nachhaltigkeit und Coolness.

X für ein U 
Edgar Heinricht, der scheidende Chefdesigner von BMW Motorrad, demonstriert am Beispiel der Scheinwerfer der neuen R1300 GS welche Freiheiten der technische Fortschritt den Gestaltern von BMW Motorrad bringt.
X für ein U
Edgar Heinricht, der scheidende Chefdesigner von BMW Motorrad, demonstriert am Beispiel der Scheinwerfer der neuen R1300 GS welche Freiheiten der technische Fortschritt den Gestaltern von BMW Motorrad bringt.

Dennoch hat sich das Design von Motorrädern wie bei Autos in den vergangenen Jahren ständig weiter entwickelt. Motorräder sind generell eckiger, knackiger und kantiger geworden. Weiche und runde Formen findet man heute nur noch selten. Die markante Formensprache liege auch am technischen Fortschritt.

Mit kleinen LED können Designer Scheinwerfer anders gestalten als mit größeren Glühbirnen. Durch neue Materialien und Fertigungstechniken lassen sich Kanten und Sicken in Tanks formen, die früher nicht möglich waren. Das erhöhe den Grad der Gestaltungsfreiheit. Dazu gebe es immer Trends, die Sehgewohnheiten dominieren. Dazu zählen zeitweise die großen Hecks der Supersportler, runde Verkleidungen (Joghurtbecher), Hilfsflügel wie bei Rennmaschinen oder große Rallye-Tanks bei Reiseenduros.

„Motorradfahrer ticken unterschiedlich“

Doch nicht jedes Modell einer Marke sieht gleich aus. Das Design bezieht sich immer auf das Segment, nicht auf die gesamte Marke. „Motorradfahrer der unterschiedlichen Segmente ticken unterschiedlich. Unsere Gleichmacher über alle Modelle sind daher Qualität, Zuverlässigkeit und das BMW-Logo“, erklärt Edgar Heinrich. Dazu müssen Tasten schön klicken, Motor und Schwinge hochwertig aussehen. „Den R18-Motor stellen wir als mechanische Skulptur dar. Er sieht aus wie ein Muskel, man sieht ihm die Kraft an, die Leistung. Das zeugt unterbewusst von Qualität“, erklärt er.

Mit dem Herz eines Boxers
Zum 100-jährigen Bestehen der Motorradsparte schuf der Customizer Dirk Oehlerking im Sommer 2023 mit der R18 "The Crown" eine atemberaubende Kreation im Stromlinien-Stil. Im Mittelpunkt steht hier noch der klassische Boxermotor.
Mit dem Herz eines Boxers
Zum 100-jährigen Bestehen der Motorradsparte schuf der Customizer Dirk Oehlerking im Sommer 2023 mit der R18 „The Crown“ eine atemberaubende Kreation im Stromlinien-Stil. Im Mittelpunkt steht hier noch der klassische Boxermotor.

Bei komplexen und hoch integrativen Maschinen sei es besonders herausfordernd, die Maschine einfach darzustellen, damit die Formensprache rough und tough ausfällt, wie bei der R-nineT-Reihe. Kunden gefällt die simple Formensprache mit einer scheinbar wenig komplexen Technik – als Gegenentwurf zu den hochtechnologischen und aggressiv wirkenden Bikes. „Für mich zählt die HP2 Enduro zu einem der bestdesignten Bikes, da stimmt einfach alles. Außerdem mag ich, dass ich die Technik klar sehe“, erklärt Edgar Heinrich.

Mit Kardanwelle in die Elektro-Ära

Design entwickelt sich und verschiedene Motorradmarken schlagen unterschiedliche Richtungen bei der Grafik ein. Wie bei den elektrischen Rollern CE02 und CE04. „Wir wollen damit in die Elektromobilität einsteigen, zuerst wegen der Reichweite im urbanen Raum. Roller definieren sich über den Nutzwert, wir bei BMW haben aber einen emotionaleren Ansatz gewählt. Der Nutzwert wie Wetterschutz und Lademöglichkeit kommt hinzu“, erklärt Edgar Heinrich.

Aufgrund des Flachspeichers entschieden sich die Designer für eine flache Bank, die schwebend aussieht. Dazu eine Formensprache, die mehr der Architektur gleicht als einem aggressiven Motorrad. „In der Gestaltung waren wir frei, daher haben wir uns dazu zu dem futuristischen Stil entschieden“, sagt er.

Vision DC Roadster 
Die elektrische Natur des Motorrads offenbart sich erst beim Blick: An die Stelle des bisherigen Boxermotors tritt der Energiespeicher. Zu seiner Kühlung ragen seitlich zwei Elemente mit Kühlrippen und integrierten Ventilatoren heraus. 
Der zylinderförmige E-Antrieb findet unter dem Energiespeicher Platz und ist direkt mit dem Kardan verbunden.
Vision DC Roadster
Die elektrische Natur des Motorrads offenbart sich erst beim Blick: An die Stelle des bisherigen Boxermotors tritt der Energiespeicher. Zu seiner Kühlung ragen seitlich zwei Elemente mit Kühlrippen und integrierten Ventilatoren heraus.
Der zylinderförmige E-Antrieb findet unter dem Energiespeicher Platz und ist direkt mit dem Kardan verbunden.

Bei elektrischen Motorrädern mit E-Maschine und Batteriekiste wird die Ikonizität der unterschiedlichen Motoren wegfallen. Die Frage ist, wie man die Marke transportieren kann.

Mit der Studie DC Roadster (und dem 100 Jahre-Bike) hat BMW eine erste Antwort gegeben. Mit den überschliffenen Kühlrippen als heißestes Bauteil im Fahrtwind und die Erhöhung der Kardanwelle transportiert BMW die ikonischen Bauteile in die Zukunft. Eigentlich wie vor rund 100 Jahren, als Ingenieur Max Friz den Boxermotor drehte und in den Fahrtwind stellt – und mit der BMW R32 das erste BMW Motorrad baute. In Zukunft wird sich noch einiges verschieben.

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