Fahrer von Elektroautos der Marke BMW wissen den Ladeservice von „Charge Now“ schon seit langem zu schätzen. Er verschaffte Fahrern eines i3 in der Pionierphase der Antriebswende Zugang zu etlichen Tausend Ladesäulen bei BMW-Händlern, aber auch bei Stadtwerken und anderen E-Mobility-Service-Providern im Land – auch bei Ionity. Mit den hinterlegten Kontodaten konnten an den Ladesäulen die Stromrechnungen problemlos beglichen werden. Und Fuhrparkleitern halfen die Daten dabei, ihre elektrischen Dienstwagenflotten zu managen.
Der Ladedienst von BMW heißt mittlerweile „BMW Charging“ – und „Charge Now“ ist eine Marke von Digital Charging Solutions (DCS) GmbH, der gemeinsamen Ladetochter von BMW, Mercedes und BP/Aral. 2020 wurde das Unternehmen aus der Taufe gehoben, um wie bei Tesla alle Bereiche des Ladens von Elektroautos unter einem Dach komfortabel zusammenzuführen. In den ersten Jahren war der Service von Charge Now allein Flottenkunden vorbehalten – nun öffnet DCS das Tor auch für Privatkunden und die Elektroautos auch von anderen Marken.
So ist seit kurzem in Deutschland beim Kauf eines Elektroautos der chinesischen Marke MG eine Ladekarte von Charge Now inklusive. Vorübergehend sogar mit einem Ladeguthaben in Höhe von 3000 Euro. Damit können Fahrer eines MG4 oder MG 5 – je nach Fahrweise – bis zu 30.000 Kilometer weit praktisch kostenlos stromern oder 100-mal den Akku ihres Stromers von 10 auf 80 Prozent wiederbefüllen.
Neuer Routenplaner für E-Autos
„Wir machen auf“, kommtierte Markus Holtz, Chef des B2C- oder Endkundengeschäfts von DCS, die neue Entwicklung. „Elektromobilität wird Mainstream“, führte er auf der IAA Mobility im Gespräch mit EDISON aus – da brauche es neue Geschäftsmodelle. Zumal die Fahrer von Elektroautos inzwischen höhere Ansprüche an den Ladekomfort hätten als in der Frühzeit der Antriebswende. Da könne DCS einiges bieten – „nicht nur für Flottenkunden.“ Jenseits der über öffentliche 533.000 Ladepunkte in 30 Märkten Europas, die sich mithilfe von Charge Now freischalten lassen.
Beispielsweise ein neues Feature in der Charge-Now-App – den sogenannten „Route Planner Plus“. Darüber lassen sich Fernfahrten mit einem Elektroauto ebenso schnell wie komfortabel planen, unter Berücksichtigung der Akkukapazität, des Ladestands und der aktuell verfügbaren Ladepunkte – ähnlich wie bei „A better Routeplaner“ (ABRP) oder „Pump“. Auf Wunsch auch mit Blick auf die Wetterlage und die Serviceangebote im Umkreis der Ladestation wie Restaurants, Toilettenanlagen sowie Einkaufs- und Übernachtungsmöglichkeiten. Der Test des Routenplaners ist bis Ende September kostenlos. Danach könnte eine Servicegebühr aufgerufen werden.
Plug & Charge per App
Weiteres Problem: Der aktuelle Ladestand des Akkus (SoC) muss vor Fahrtantritt noch händisch eingegeben werden. Und die Routenplanung kann sich auch nur per Apple Car Play oder Android Auto auf das Zentraldisplay im Fahrzeug übertragen werden. Immerhin: Seit neuestem ist über den Touchscreen des Stromers dann auch ein automatisches Starten des Ladevorgangs möglich – „fast wie bei Plug & Charge“.
Ideal wäre natürlich eine Integration der Fahrtinformationen direkt ins Navigationssystem des Fahrzeugs. Allerdings sperrten sich die Fahrzeughersteller – selbst BMW und Mercedes – noch gegen die Weitergabe von Leistungsdaten und Ladekurven sowie die Freischaltung ihrer Bordsysteme für Dritte. DCS muss deshalb die Reise- und Ladezeiten der Fahrzeuge mithilfe von öffentlich zugänglichen Daten selbst „nachkalkulieren“. Holtz hofft allerdings, dass sich das Problem – das mit hohem personellen wie finanziellen Aufwand verbunden ist – mit der Zeit noch lösen lässt. Zumindest mit den Fahrzeugen der Joint-Venture-Partner.
Happige Preise
Deutlich weiter – und ganz offen – ist DCS dafür an anderer Stelle: Bei den Preisen. Elektromobilisten, die eine öffentliche Ladestation mithilfe der Charge Now-App oder den Chip aktivieren, zahlen für die Nutzung des Service im sogenannten und bislang einzigen „Urban“-Tarif pauschal 35 Cent pro Ladevorgang. Das klingt zunächst gut, ist aber nur eine „Session Fee“. Hinzu kommen noch die Kosten für die Kilowattstunde, die ja nach Anbieter variieren. An den High-Power-Chargern von Ionity sind es beispielsweise 79 Cent/kWh, bei E.On 89 und bei EnBW sogar 97 Cent/kWh. Die Preise für die Kilowattstunde Wechselstrom liegt bei etwa 65 Cent. Mit einem Wort: Die Bequemlichkeit des Ladevorgangs kommt die Nutzer von Charge Now relativ teuer zu stehen.
Holtz weiß um das Handicap und ist ganz ehrlich: „Beim Preisthema sind wir nicht die Besten. Damit müssen wir leider leben“. Grund: Die DCS-Eigner sind bislang nicht bereit, die Strompreise im ChargeNow-Netz zu subventionieren. Ganz im Unterschied zu ihrem eigenen, markenexklusiven Ladeangeboten. Bei BMW Charging kostet der Ladestrom im Tarif Active+ nur 55 Cent/kWh, bei Ionity sogar nur 35 Cent. Und Mercedes me Charge ruft im L-Tarif (im ersten Jahr ohne Grundgebühr) für Wechselstrom 36 Cent, für Gleichstrom ebenfalls nur 55 Cent/kWh auf. Ein genaues Studium der Konditionen ist da dringend angeraten.
Einen kleinen Trost hat Holtz aber immerhin noch parat: Die Nutzung des Ladeplaners wird entgegen der Darstellung in der Charge Now-App wohl auch über den 30. September hinaus kostenlos bleiben.