Die guten Nachrichten vorweg: Die Preise für Autostrom haben sich im
September stabilisiert, sind für Wechselstrom (AC) sogar um drei Cent
gesunken. Im Schnitt wurde für die Kilowattstunde AC 42 Cent aufgerufen, bei Wechselstrom 56 Cent. Wer über die passende Ladekarte verfügt und sich beispielsweise über die Moovility-App vor dem Start des Ladevorgangs über den günstigsten Anbieter informiert, kommt noch deutlich günstiger davon: Beim preiswertesten Anbieter kosteten die Kilowattstunden 20 AC) bzw. 29 Cent DC).
Und: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos geht in Deutschland trotz Corona weiter voran, wie aus der aktuellen Ausgabe des „Charging Radar“ hervorgeht, den CIRRANTiC und THEON Data in Kooperation mit EDISON erstellen. Im September gingen demnach – und auch das ist eine gute Nachrichten – exakt 1643 neue Anschlüsse ans Netz. An über 500 davon kann Strom sogar mit Ladeleistungen von wenigstens 50 Kilowatt gezapft werden. Auch die Zahl der öffentlichen Ladevorgänge stieg wieder – erstmals auf über 700 000.
Denn angefeuert durch Umweltbonus und Innovationsprämie wächst der Bestand der Elektroautos hierzulande weiter kräftig. Ende Oktober trugen sind in Deutschland 442.402 Personenwagen ein E im Kennzeichen. Allein im Oktober kamen nach den Erhebungen des Kraftfahrt-Bundesamtes KBA) 23.158 Batterieautos sowie 24.859 Plug-in-Hybride neu in den Verkehr, ein Plus von 365 sowie von 258 Prozent. So weit, so gut. Aber hier beginnt es jetzt kritisch zu werden.
Viele Auto „laden“ länger als nötig
Denn trotz weiterhin massiver Investitionen von Energieversorgern und E-Mobility-Providern in die öffentliche Lade-Infrastruktur wird es allmählich eng an den Stromtankstellen. Nicht überall und jederzeit, aber immer häufiger. Vor allem in der Stadt, an den AC-Ladesäulen, kommt es inzwischen häufiger zu Warteschlangen. Auch weil die Ladesäule oft länger von Fahrzeugen blockiert wird als eigentlich für das Laden nötig wäre.
EnBW erhebt deshalb seit Anfang des Monats neben dem Strompreis zusätzliche eine Blockiergebühr in Höhe von 9,75 Cent pro Minute, wenn das Auto nach vier Stunden immer noch an der Leitung hängt. Ein „Kosten-Airbag“ von 11,70 Euro verhindert allerdings, dass die Zusatzgebühren für Dauerparker in den Himmel schießen.
VDA fürchtet eine Schieflage
Aber trotzdem bleibt das Problem bestehen, dass der Bestand an Elektroautos schneller wächst als das Angebot an öffentlichen Ladeplätzen. In einem Interview mit dem SPIEGEL hatte VDA-Präsidentin Hildegard Müller deshalb mit Blick auf den nächsten „Auto-Gipfel“ im Kanzleramt am 19. November vorsorglich schon mal Alarm geschlagen: „Der Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung“, so ihre Argumentation, „sieht bei 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte vor. Um das zu erreichen, würden wir ab sofort etwa 2000 neue Ladepunkte pro Woche benötigen – das ist das Zehnfache dessen, was derzeit erreicht wird.“ Die Relation von zehn Autos pro Ladeplatz, die der VDA als Ideal erachtet, werde dadurch gefährdet. Aktuell liegt die Relation laut Charging Radar bei 1 zu 10,3 – Tendenz steigend. So erwartet der VDA schon in Kürze eine Relation von 1 zu 13, Volkswagen zum Jahresende sogar schon ein Verhältnis von 1 zu 14.
„Meine große Sorge bei der Elektromobilität“, bekräftigte VDA-Präsidentin Müller nun erneut, „ist das Ladenetz, das ist der Engpass. Ich möchte deshalb einen Ladesäulen-Gipfel mit allen Beteiligten, mit der Energiewirtschaft, der Wohnungswirtschaft, der Mineralölindustrie, mit den Flughäfen, Parkhaus- und Tankstellenbetreibern, natürlich auch mit Bund, Ländern und Kommunen, und das noch vor Weihnachten. Jede Kommune muss jetzt einen Ausbauplan für Elektromobilität vorlegen, jeder Bürgermeister muss das ganz oben auf die Agenda setzen, jede Gemeindeversammlung den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur mit Schwung vorantreiben.“
Laut „Charging Radar“ ist das deutsche Ladenetz seit Jahresbeginn um rund 11.000 Ladepunkte gewachsen, zwischen 1000 und 1900 Anschlüsse im Monat. Das Problem ist nur: Das Gros der neuen Anschlüsse führt zu Ladestationen, an denen der Strom mit maximal 22 Kilowatt und entsprechend langsam gezapft werden kann. An den so genannten „Schnarchladern“ werden Elektroautos meist über Nacht aufgeladen – mehr oder minder vor der Haustür des Besitzers.
Doch weder ist in den Städten ausreichend Platz für eine Ladesäule an jeder Straßennecke, noch macht der weitere Ausbau des AC-Netzes Sinn: Die Akkus der Elektroautos werden immer großer, die Ladegeschwindigkeiten höher. Vielfach reicht es heute schon, einmal in der Woche eine öffentliche Ladestation anzusteuern, um Strom auszunehmen – sofern man nicht über eine Garage samt Wallbox verfügt. Der aktuelle Trend geht daher zum Aufbau größerer Ladeparks mit einer Vielzahl von Schnellladeplätzen auch in der Stadt – nach dem Vorbild der Tankstellen. Die Zukunft heißt also: Klotzen statt Kleckern.
Statt ‚Alarm zu schlagen‘, sollte der VDA lieber das Ladenetz ausbauen und mit fairen Strompreisen vereinheitlichen. Da könnte er sich endlich mal nützlich machen.