Cupra hat die Idee des rasanten Designs bisher schön abgeräumt. Immer einen Zahn schärfer als die Konkurrenz, immer ein klein wenig unseriös. Und immer haarscharf an dieser jungdynamischen, hippen Zielgruppe, die cooles Zeug auch dann kauft, wenn sie es eigentlich nicht braucht. Wobei es die Spanier mit diesem 4,52 Meter langen SUV nun besonders schlau machen: Der ist nicht nur so smart, wie wir selber immer sein wollten – sondern ganz unauffällig auch ein praktisches Alltagsauto.
Schließlich ist er, und das erzählen sie bei Cupra nicht so gern, technisch eng verwandt mit diesem braven, hochsitzigen Konzernbruder von Volkswagen. Genau, wir reden über den nur zwei Zentimeter längeren Tiguan, ein langjähriger Liebling der deutschen Familie. Doch der sieht eben nicht mal halb so bissig und cool aus wie ein Terramar, der, bereits bestellbar, Anfang November bei den deutschen Händlern steht.
Allein diese Front mit dem ziemlich wilden Gitterwerk unter der angriffslustigen Haifisch-Nase, die beim noch jungen spanischen Label, das sich selbstbewusst „Challenger-Brand“ nennt, mittlerweile zum gängigen Repertoire gehört. Dazu die neue markante Lichtsignatur mit den extrem potenten Matrix-LED-Leuchten, die jedoch 915 Euro Aufpreis kosten.
Bis zu 144 Kilometer rein elektrisch
Auch das breite Heck des Terramar mit dem auffälligen Dachkantenspoiler, dem beleuchteten Cupra-Logo und dem betont sportlichen Diffusor dreht, was die Optik betrifft, auch ganz schön auf. Richtig, es fehlen noch zwei wichtige Eckwerte: Dieses Auto ist 1,87 Meter breit und 1,59 Meter hoch und sein Radstand beträgt 2,68 Meter. Richtige, solide Türgriffe? Aber ja doch.
Logisch, dass wir von EDISON die Benziner-Versionen, die sich hier erst einmal mit 110 kW (150 PS) und strammen 195 kW (265 PS) offerieren, links liegen lassen. Sondern für den Test zum 200 kW (272 PS) starken 1.5e-Hybrid greifen, der als frontgetriebenes Plug-in-Modell nach Werksangaben rein elektrische Reichweiten von 110 bis 120 Kilometer erreichen soll. Für den ausschließlichen Stadtverkehr mit vielen Phasen der Rekuperation versprechen die Spanier sogar oberpräzise 128 bis 144 Kilometer. Fehlt nur noch eine Stelle hinterm Komma.
Angetrieben wird dieser Teilzeitstromer von einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Benziner mit 130 kW (177 PS), dem zusätzlich ein 85 kW starker Elektromotor auf die Sprünge hilft, was sich wie beim VW Tiguan zur genannten Systemleistung von 200 kW summiert. Maximales Drehmoment: beeindruckende 400 Newtonmeter. Zum Jahreswechsel soll es den Plug-in-Hybrid auch in der etwas schwächeren Version mit 150 kW (204 PS) geben, die dann mit einfacherer Ausstattung günstiger zu haben sein wird. Dazu kommen wir noch. Ach ja, geschaltet wird hier generell mit einer sechsstufigen Doppelkupplungs-Automatik (DSG).
Kofferraum schrumpft um 90 Liter
So ausgestattet soll dieser neue Terramar in gerade mal 7,3 Sekunden auf Tempo 100 sprinten und locker 215 gehen. Wenn Cupras schlaue Techniker ihn von der elektronischen Leine ließen würden, dann dürften es vermutlich sogar 250 km/h sein, was den Strom- und Spritverbrauch allerdings ratzfatz in böse Höhen treiben würde. Genau, das ist quasi ein philosophischer Punkt. Klar jedoch, dass sie bei den Testwagen die aufpreispflichtigen 20-Zoll-Räder montiert haben, weil die hier einfach viel besser aussehen.
Einziges Manko gegenüber den Benziner-Versionen ist das um 90 Liter kleinere Kofferraumvolumen des Plug-in-Hybriden. Tja Leute, irgendwo muss diese gut verpackte Lithium-Ionen-Batterie, die übrigens stramme 170 Kilogramm wiegt, ja schließlich bleiben. Die versteckt sich unter der Rücksitzbank, während der Tank im Platztausch unter den Laderaumboden gewandert ist. Wobei das Standard-Ladevolumen von 450 Litern hier eigentlich immer noch relativ familienfreundlich ist. Bei umgelegten Rücksitzlehnen werden es sogar ordentliche 1404 Liter (Benziner: 1544 Liter).
Jede Menge Kupfer
Ansonsten kann man es sich bei aller Sportlichkeit drinnen durchaus gemütlich machen. Die serienmäßigen, einteiligen Schalensitze passen wie angegossen, angenehm sind auch die gepolsterten Seitenflächen der Mittelkonsole, die unsere Beine bestens abstützen. Selbst auf der Rückbank, teilbar im für den Skiurlaub praktischen Verhältnis 40:20:40, funktioniert es ganz gut, aber mit der Kniefreiheit nur dann, wenn vorn keine Leute oberhalb von 1,90 Meter Körpergröße sitzen. Andererseits lassen sich die Rücksitze des Terramar nach vorn oder hinten für mehr Beinfreiheit oder mehr Laderaum um 15 Zentimeter verschieben, was nun wirklich nicht alle Konkurrenten bieten.
Ansonsten so? Interessanter Materialmix. Typisch Cupra. Oben softe Oberflächen, schicke Streben in kupferfarbener Optik, neckische Ziernähte und unten zumindest die großen Türtaschen. Selbst in den Lüftern finden sich diese speziellen Kupfer-Elemente, und die schlanke Mittelkonsole hat auch eine passende Umrahmung. Die ist aus Kunststoff, sieht aber dennoch smart aus. Genauso das sportliche Lenkrad mit seinen feinen Strukturflächen, und selbst hier taucht dieser stylische Kupferschmuck auf. Übrigens sogar in den Kopfstützen. Alles mit einer geradezu besessenen Detailliebe ausgeführt, fast eine Art von Kleinkunst.
Großes Panoramadach gegen Aufpreis
Apple CarPlay (kabellos) und Android Auto sind selbstverständlich an Bord, ebenso die induktive Ladeschale für unser Smartphone, insgesamt vier USB-Anschlüsse oder das digitale Radio. Das große Panoramaglasdach mit Sonnenschutzjalousie, dass uns Großgewachsene etwas Kopffreiheit klaut und das wir schon wegen der Aufheizung im Sommer noch nie so richtig geliebt haben, kostet jedoch mutige 1115 Euro extra. Und für das tatsächlich super klingende Hifi-Audiosystem von Sennheiser will Cupra 600 Euro. Und das gilt auch nur im Zusammenhang mit dem bestellten EDGE-Paket für 1820 Euro.
Inklusive ist hingegen das volldigital arbeitende Fahrercockpit (10,25 Zoll) hinterm Lenkrad, das uns in der Standardansicht mit zwei animierten Rundinstrumenten empfängt. Sämtliche Infos lassen sich hier easy auf Knopfdruck inhaltlich oder farblich anpassen oder umrüsten. Und auf Wunsch gibt es auch ein hilfreiches Head-up-Display, das die wichtigsten Reisedaten quasi vor die Frontscheibe spiegelt.
Dazu gesellt sich das große, mittige 12,9-Zoll-Infotainmentsystem mit seinen diversen Apps, interaktiven Fenstern und Klima-Einstellungen. Klar, ein Touchscreen. Und erfreulich: Alle wichtigen Funktionen sind mit einem Klick erreichbar. Und der Startbildschirm lässt sich exakt auf unsere Vorlieben bemerkenswert schnell einstellen. Für alles Elektrische drücken wir einfach aufs Batterie-Symbol – und schon sehen wir auf Wunsch die entsprechenden Anzeigen, zum Beispiel für den Energiefluss oder die aktuelle elektrischen Reichweite.
Sportlichkeit mit Komfort
Auch alle Fahrassistenten, von denen der Terramar das komplette Programm offeriert, lassen sich hier fix und intuitiv auf unsere Wünsche anpassen. Ebenso sämtliche Fahrzeugeinstellungen. Und nach einem kurzen Wisch von oben nach unten lässt sich zum Beispiel der Warnton fürs Überschreiten der gerade zulässigen Höchstgeschwindigkeit eliminieren, weil wir uns, Ehrenwort, ohnehin gehorsamst an alle Bestimmungen halten.
Klar, ein Sportfahrwerk, 10 Millimeter tiefer als die normale Plattform, ist hier serienmäßig in Aktion. Auch die für schärfere Agilität sorgende Progressivlenkung ist inklusive. Unser erster Eindruck nach rund 50 Kilometern: Beeindruckend, wie dieser wenigstens 1900 Kilogramm schwere Teilzeitstromer selbst bei Affentempo und Kurvenfahrt die Bodenwellen bügelt. Überhaupt lässt sich dieser Terramar ausgesprochen feinnervig und neutral um Biegungen jeglichen Radius lenken. Seine Lenkung gibt eine schöne Rückmeldung, und das adaptive Fahrwerk (DCC) des Testwagens, sorgt trotz aller Sportlichkeit für angenehm elastische Reaktionen.
Ohnehin können wir über dieses lustige Knöpfchen am Lenkrad unterschiedliche Fahrmodi wählen (dito über den Touchscreen). Und in der schärfsten Einstellung namens Cupra haut uns dann sogar noch einen racemäßigen Sound auf die Ohren, der hier allerdings künstlich erzeugt wird. Das Antischleudersystem ESC lässt sich bei Bedarf, also für rasante Einlagen oder so, sogar komplett abschalten. Was der Rest der Familie vermutlich nicht so amüsant finden dürfte. In diesem Moment aber fällt uns als freches Argument logischerweise ein, woher der Terramar seinen Namen hat. Der ist schlicht eine Hommage an die historische Rennstrecke (Autodrom de Sitges-Terramar), auf der die Marke im Jahr 2018 mehr oder weniger geboren wurde.
Schnelles Laden mit bis zu 50 kW
Und mal ganz nebenbei: Selbst das Laden des Batteriepakets, dessen Kapazität von Cupra mit netto 19,7 kWh angegeben wird, geht einigermaßen zackig vonstatten. An der Gleichstrom-Schnellladesäule (Ladebuchse am Auto vorn links) lässt es sich mit 50 kW von 10 auf 80 Prozent in nur 26 Minuten aufladen. Zu Hause dauert es an der 11-kW-Wallbox dann erträgliche zweieinhalb Stunden.
Auch die Geräuschkulisse kippt unterwegs beim rein elektrischen Fahren nicht ins Unangenehme, weil sie praktisch gar nicht vorhanden ist: Hier rauscht nur leise der Wind. Erst wenn sich der Benziner zuschaltet, wird es spürbar lauter. Jetzt müssen wir allerdings kritisch anmerken, das der Wendekreis des Spaniers fürs kitzlige Rangieren in Stadt mit 11,5 Metern nicht so toll ist, da kommt zum Beispiel der neue vollelektrische Skoda-SUV Elroq, den wir bei EDISON gerade vorgestellt haben, ernsthaft mit nur 9,30 Metern aus.
Testverbrauch unter 20 kWh/100 km
Die Sache mit dem Verbrauch ist hier natürlich relativ. Den amtlichen Stromverbrauch, für den sie Werte zwischen 17,6 und 19 kWh nennen, haben wir auf unserer rund 100 Kilometer langen Testtour auch fast erreicht. Doch der danach folgende kombinierte Kraftstoffverbrauch, der im Hybrid-Mix irgendwo zwischen 0,4 und 0,5 Litern Benzin liegt, soll bei leerem Akku offiziell auf Werte zwischen 5,7 und 6,9 Liter pro 100 Kilometer schnellen. Das ist vermutlich relativ freundlich gerechnet, für einen SUV dieser Größe aber durchaus akzeptabel.
Und wir so? Auf der Testfahrt im sonnigen Spanien bei batteriefreundlichen 27 Grad Celsius waren wir gut 80 Kilometer rein elektrisch unterwegs. Im Comfort-Modus (maximale Rekuperation) und durchweg eingeschalteter Klimaanlage mit Durchschnittswerten zwischen 17 und gut 20 kWh/100 km. Und dabei sind wir sogar ziemlich lange auf der Autobahn mit Geschwindigkeiten zwischen 80 und 120 km/h gefahren. Im Gesamtschnitt meldete der Bordcomputer dann einen Verbrauch von 19,1 kWh. Ergo sollten hier gut 100 Kilometer elektrische Reichweite in einem Mix aus Autobahn, Landstraße und City tatsächlich realistisch sein.
Terramar nimmt bis zu zwei Tonnen an den Haken
Irgendwas vergessen? Ja, das für viele Mitmenschen und Freunde aller herrlichen deutschen Baumärkte wichtige Thema Anhängerkupplung. Das praktikable Teil lässt sich beim Terramar für 975 Euro ordern, für eine gebremste Anhängelast von maximal 2000 Kilogramm. Ungebremst sind es die meist üblichen 750 Kilo. Als Stützlast für die Kupplung, interessant für unsere urlaubenden Fahrradträger, nennt Cupra immerhin 80 Kilo.
Die eigentliche Hürde für diesen Terramar liegt vielleicht im Anschaffungspreis. Denn den Plug-in-Hybrid gibt es derzeit nur in der gehobenen VZ-Ausstattung, was in der Summe nach mindestens 56.310 Euro verlangt. Die Alternative wäre die fürs Jahresende avisierte schwächere Plug-in-Version mit 150 kW (204 PS). Sie dürfte für weniger als 50.000 Euro zu haben sein. Ein Allradantrieb übrigens ließ sich in beiden Plug-in-Hybridmodellen nicht unterbringen. Das ist das typische Platzproblem der Autos mit Zwei-Motoren-Antrieb. Immerhin ist man bei Cupra alles in allem länger auf der sicheren Seite, weil die Spanier als einzige Marke im VW-Konzern eine fünfjährige Garantie gewähren. Bis zu einer Laufleistung von 150.000 Kilometern.
America’s-Cup-Version für knapp 60.000 Euro
Wer womöglich gerne noch ein paar zusätzliche Euros für mehr Ausstattung und Image investieren möchte, kann jetzt, wenn er sich denn ein bisschen beeilt, die exklusive America‘s-Cup-Edition bestellen, die auf 1337 Exemplare limitiert ist. Kostet mindestens 59.945 Euro, was einem Aufpreis von 3635 Euro entspricht. Kommt aber exklusiv mit dem matten Eceladus Grey-Lack und diversen standesgemäßen, maritim angehauchten Extras. Passt ja wunderbar, wo doch jetzt gerade ab dem 12. Oktober das Finale des 37. America‘s Cup in Barcelona startet.
Zum Schluss müssen wir Ihnen noch unauffällig ein kleines Geheimnis verraten. Dieser neue Hochsitzer von Cupra ist zwar, was seine reizvolle Technik, sein scharfes Design und sein spezielles Interieur betrifft, trotz aller Konzernbauteile ein wirklich authentischer Spanier. Aber gebaut wird er deutlich weiter nordöstlich, nämlich im westungarischen Audi-Automobilwerk Györ – zusammen mit dem Q3.