Beinahe lautlos gleiten sie dahin, die Elektroautos, e-Scooter oder e-Bikes. Das hat viele Vorzüge – man denke nur daran, dass diese Art der Mobilität den Lärmpegel angenehm senkt. Sie kann gleichzeitig aber ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer darstellen, etwa für schwerhörige Fußgänger. Auch das quasi verzögerungsfreie Anfahren und sehr flinke Dahingleiten von Elektrofahrzeugen aller Art wird von vielen Verkehrsteilnehmern unterschätzt und kann somit zum Unfallrisiko werden. Für die Fahrer selbst wie insbesondere für andere Verkehrsteilnehmer.

Auf das Problem machte jetzt die Prüforganisation DEKRA in ihrem Verkehrssicherheitsreport 2025 aufmerksam, der passenderweise den Titel „Mobilität im Wandel der Zeit“ trägt. Wie sich die Elektrifizierung der Antriebe und die wachsende Diversität der Mobilitätsformen auf die Unfallstatistik auswirkt, lässt sich demnach zwar noch nicht im Einzelnen beziffern. Zweifelsohne steht aber fest, dass neben Fußgängern und Bio-Bikern auch die wachsende Zahl der e-Biker und Nutzer von e-Scootern zu den besonders vulnerablen Gruppen im Straßenverkehr gehören.

Ein Fahrradhelm kann den Kopf beim Sturz mit einem E-Scooter bis zu einem gewissen Grad schützen. Dennoch bleibt das Verletzungsrisiko hoch. Foto: Dekra

Auf unsere Frage, inwieweit für die wieder steigende Mortilitäts-Rate im Verkehr elektrisch motorisierte Teilnehmer verantwortlich sind, weil sie selbst das rasante Ansprechverhalten ihrer e-Scooter oder Elektroautos nicht richtig handhaben und wiederum andere Verkehrsteilnehmer mit Verbrennungsmotoren das schnelle Aufschließen dieser Vehikel nicht einschätzen können, benennt DEKRA-Unfallforscher Markus Egelhaaf grundsätzlich zwei Themen. Das eine sei die Kombination aus schnellerem Beschleunigen und querenden Fußgängern oder Fahrzeugen, die die Geschwindigkeit der Elektro-Fahrzeuge falsch einschätzten. Dazu gibt es schon eine umfangreiche Studie zur Unfallforschung der Versicherer.

Mehr Auffahrunfälle mit Elektroautos

Das andere sei das schnelle Beschleunigen per se, das wohl den einen oder anderen Verkehrsteilnehmer überfordere. Dazu hat vor drei Jahren die AXA-Versicherung in der Schweiz Zahlen veröffentlicht, wonach vor allem stark motorisierte Elektroautos häufiger auf vorausfahrende Fahrzeuge auffahren als vergleichbare Verbrenner. Fahrer von leistungsstarken Elektroautos seien sogar für mehr als doppelt so viele Eigenschäden durch Kollisionen verantwortlich als jene von Verbrennern.

In 2,1 Sekunden auf Tempo 100 
kW-starke Elektroautos wie das Tesla Model S Plaid überfordern mit ihrem Beschleunigungsvermögen manche Fahrer. Foto: Tesla
In 2,1 Sekunden auf Tempo 100
kW-starke Elektroautos wie das Tesla Model S Plaid überfordern mit ihrem Beschleunigungsvermögen manche Fahrer. Foto: Tesla

DEKRA selbst habe dazu noch keine belastbaren Zahlen. Viele Menschen, so Egelhaaf, kauften sich aber Elektro-Fahrzeuge auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. „Diese Fahrzeugfahrer fahren eher vorausschauend (auch fürs Rekuperieren beim Bremsen) und vermeiden schnelles, energieintensives Beschleunigen. Schon deshalb hält der Experte generelle Aussagen in die eine oder andere Richtung für derzeit noch schwierig.

KI kann helfen, Unfälle zu vermeiden

Eine wachsende Rolle im Verkehr wird künftig Künstliche Intelligenz (KI) spielen. Das Spektrum der Möglichkeiten für die sicherere und flüssigere adaptive Verkehrsführung seien dabei faszinierend wie erschreckend zugleich. Gerade Deutschland sieht DEKRA als weltweit größte unabhängige, nicht börsennotierte Sachverständigenorganisation für die Bereiche Prüfung, Inspektion und Zertifizierung als „schwieriges Pflaster fürs Tracken von Fußgängern und Radfahrern via Smartphone.“

Trotz der zunehmenden Zahl von Sensoren in Fahrzeugen werden Fußgänger oft nicht oder zu spät erkannt. Nüchtern betrachtet würde, so DEKRA-Vorstand Jann Fehlauer, „eine Vernetzung zwischen Pkw, Fußgänger und Infrastruktur durch schnelle Informationsübertragung helfen, den Unfall zu vermeiden.“

Zwei Menschen sterben pro Minute

„Weltweit sterben pro Jahr nach wie vor rund 1,2 Millionen im Verkehr“, bilanziert Fehlauer, der für die Geschäfte der DEKRA Automobil GmbH verantwortlich ist. Das seien mehr als zwei Tote pro Minute. Dabei müsse die absolute Zahl der Verkehrstoten immer in Relation zur Bevölkerungszahl, der Anzahl von Führerscheinbesitzern oder der Anzahl registrierter Fahrzeuge gesehen werden. So ist zum Beispiel der Fahrzeugbestand in der EU von 2010 bis 2022 um 18,7 Prozent gestiegen

Fehlauer nutzte das 100-jährige Bestehen der DEKRA dazu, um einen Überblick über sicherheitssteigernde Maßnahmen über die Jahrzehnte zu geben – von der Gurtpflicht in den frühen 970er Jahren in Deutschland bis zum Smartphone Verbot am Steuer. Das Fazit: Es ist „noch viel zu tun“ auf dem Weg zur „Vision Zero“, einem Straßenverkehr möglichst ohne getötete oder schwerverletzte Menschen.

Voraus ging nur ein Moment der Unaufmerksamkeit 
Etwa 90 Prozent der Straßenverkehrsunfälle basieren nach DEKRA-Erhebungen heute noch auf menschlichem Fehlverhalten - verursacht etwa durch eine Ablenkung durch das Mobiltelefon. Foto: https://depositphotos.com/de/
Voraus ging nur ein Moment der Unaufmerksamkeit
Etwa 90 Prozent der Straßenverkehrsunfälle basieren nach DEKRA-Erhebungen heute noch auf menschlichem Fehlverhalten – verursacht etwa durch eine Ablenkung durch das Mobiltelefon. Foto: https://depositphotos.com/de/

90 Prozent der Straßenverkehrsunfälle basieren nach DEKRA-Erhebungen heute noch auf menschlichem Fehlverhalten. Wie kann man dies möglichst ausschalten? Das Etappenziel der EU, bis zum Jahr 2030 die Zahl der Verkehrstoten um die Hälfte gegenüber dem Ausgangswert von 2019 zu reduzieren, bewertet der DEKRA-Experte als „sehr ambitioniert“. Stand heute sei seit dem Start des Programms die Zahl der Verkehrstoten nur um 13,2 Prozent gesunken – angepeilt war eigentlich bereits eine Halbierung.

Das Problem der Vision Zero: Der Abwärtstrend stagniere in einigen EU Mitgliedsstaaten, in anderen steige die Zahl der Verkehrstoten sogar wieder. Auch in Deutschland. Die Gründe für diese negative Entwicklung sind mannigfaltig. Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, überhöhte Geschwindigkeit, Ablenkung durch Smartphones oder sonstige Kommunikationssysteme gehören zu den wesentlichen Treibern. Fehlauer drängt deshalb die Bundesregierung zu „weiteren geeigneten Maßnahmen“. Sinnvollerweise sollte man dabei beim menschlichen Fehlverhalten ansetzen, das besagte 90 Prozent der Unfälle auslöse.

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