Auch wenn die Mercedes-Manager es nicht zugeben: Der Mercedes EQA ist wichtig für den schwäbischen Hersteller. Warum? Nun, es geht darum, bei den reinen Elektromobilen Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Der Mercedes EQC war bei allen Qualitäten mehr Schnellschuss denn ein echter Heilsbringer. Mit einem Basispreis von 71.300 Euro ist der 300 kW (408PS) starke Stromer für die meisten Menschen trotz Umweltbonus unerschwinglich. Und die Effizienz des Antriebsstrangs, den Mercedes bei ZF zukaufte, ist nicht die beste. Ergebnis: In der Zulassungsstatistik fährt der EQC seinen Konkurrenten bislang weit hinterher.
Diese Scharte soll der kleine Bruder EQA nun wettmachen, der im März auf den Markt kommen soll – als „Einstiegsmodell“ in eine neue urbane Mobilität – in China und in Europa. Ein Export nach USA ist laut Entwicklungsvorstand Markus Schäfer vorerst nicht geplant. Bestellungen für den kompakten, aber immerhin noch 4,46 Meter langen und zwei Tonnen schweren Stromer nehmen die deutschen Mercedes-Händler bereits ab 4. Februar entgegen. Auch dem Mercedes EQA sieht man die Verwandtschaft zum Verbrennungsmotor-Verwandten GLA an, der ebenfalls im Werk Raststatt produziert wird. Trotzdem wirkt der kompakte E-Crossover schon auf den ersten Blick ausgereifter und mehr aus einem Guss, als es der EQC ist.
Zum Auftakt mit Frontantrieb
Dieser Eindruck verfestigt sich im Innenraum. Alles ist hier typisch Mercedes: Zwei große Monitore, davon einer als Touchscreen. Also das gleiche Infotainmentsystem namens MBUX, wie man es vom GLA kennt. Ja, manchmal kann die Verwandtschaft zur Version mit Verbrennungsmotor auch einem Stromer zum Vorteil gereichen. Wir finden uns jedenfalls gleich zurecht und drücken den Startknopf. Ein Benziner oder Diesel würde jetzt anfangen zu knurren. Doch hier tut sich akustisch nichts. Nur die aufleuchtenden Bedienelemente und Kontrollleuchten signalisieren, dass der Stromer fahrbereit ist.
Wie sitzen in einem Mercedes EQA 250 mit einer Antriebsleistung von 140 kW (190 PS). Später sollen sukzessive weitere Leistungsstufen bis über 200 kW sowie eine Variante mit Allradantrieb und einem größeren Akku für über 500 Kilometer Reichweite nachgereicht werden. Gut zu wissen.
Schon bei den ersten Kilometern mit dem Fronttriebler fällt die Ruhe im Innenraum auf, die selbst für ein Elektroautomobil beeindruckend ist. Selbst bei Beschleunigungsvorgängen stören kaum Dissonanzen die „Sounds of Silence“, die der Stromer produziert: Ein Säuseln des Windes, ein leichtes Rauschen der Räder auf dem Asphalt. Mehr ist nicht.
Auch wenn das Interieur deutlich wertiger als zum Beispiel das eines VW ID.3s ist, bietet der EQA zwar ausreichend Platz, aber nicht das großzügige Raumgefühl und die Beinfreiheit wie im deutlich kürzeren VW. Das kommt davon, wenn man einen Verbrenner – den GLA – zum Elektroauto umbaut. Um Zeit zu gewinnen und Kosten zu sparen. Technikvorstand Markus Schäfer findet daran nichts Verwerfliches: „Der EQA beweist, dass bei Nutzung einer bewährten Architektur ein hervorragender Kompromiss zwischen Leistungsfähigkeit, Kosten und Time-to-market möglich ist.“ Allerdings muss sich der EQA deshalb mit Voll-LED-Scheinwerfern begnügen. Matrix-LED-Licht ist erst einmal nicht vorgesehen.
Aber zurück zum Antrieb: Der EQA ist ausreichend motorisiert, zumal schon bei 160 km/h Elektroauto-typisch das Ende des Vortriebs erreicht ist. Die drei Fahrmodi Eco, Comfort und Sport unterscheiden sich deutlich. Am meisten Spaß macht natürlich das dynamische Fahrprogramm, dagegen agiert der EQA in „Eco“ deutlich zurückhaltender. Immer noch temperamentvoll genug für die Stadt und gut für die Reichweite, die laut Mercedes im Alltagsverkehr und nach der Verbrauchsnorm WLTP 426 Kilometer betragen soll. Der Verbrauch ist hier mit 17,7 kWh pro 100 Kilometer angegeben. Nach der alten, eher realitätsfernen Verbrauchsnorm NEFZ sind es sogar 486 Kilometer – bei einem Durchschnittsverbrauch von 15,7 Kilowattstunden (kWh).
Ein Fußpedal reicht völlig aus
So oder so: Wir müssen es glauben. Denn zur Ermittlung eigener Verbrauchswerte reichte die kurze Fahrt durch München nicht aus. Der Fahrstrom kommt aus einem Lithium-Ionen-Akku von der Daimler-Tochter Deutsche Accumotive aus dem sächsischen Kamenz, der „mehr als 60 Kilowattstunden“ speichern können soll. Die genauen Daten mochte Mercedes zum Zeitpunkt der Testfahrt noch nicht herausrücken. Inzwischen wissen wir: Der Akku des EQA 250 speichert 66,5 kWh.
Damit der Akkus nach jenen 420 Kilometer wieder schnell gefüllt werden kann, hat der EQA einen CCS-Anschluss, über den Gleichstrom mit bis zu 100 kW aufgenommen werden kann – der EQC schafft 10 kW mehr. Die Ladeleistung an der Wechselstrom-Säule beim großen Bruder wurde inzwischen auf 11 kW aufgestockt, anfangs konnte nur zweiphasig mit 7,2 kW geladen werden. Der EQA startet gleich mit 11 kW – alles andere wäre heute nicht mehr wettbewerbsfähig.
Der EQA ist komfortabel abgestimmt. Trotzdem hat man nie Gefühl, in einer überfederten Sänfte zu sitzen. Auch in engen Straßen und Kurven der Großstadt fühlt man sich mit dem kompakten Fahrzeug nicht als Dickschiff-Außenseiter. Ergänzt wird das Fahrverhalten durch die verschiedenen Rekuperationsmodi, die aus dem EQC übernommen sind. Als uns die Entwickler die Möglichkeit versprachen, nur mit einem Fußpedal fahren zu könnengieren, hatten sie den Mund nicht zu voll genommen. In der stärksten Stufe fällt die Energie-Zurückgewinnung so deutlich aus, dass die Köpfe auch mal nicken. Der Vorteil ist, dass man auch ohne Bremspedal auskommt.
Aktiviert werden die verschiedenen Einstellungen über zwei Wippen hinter dem Lenkrad. Also auch da nichts Neues. Genauso gut wie die Verzögerung funktioniert auch der Segelmodus, mit dem der EQA entspannt durch die Landschaft gleitet. Entspannt: Das Adjektiv lässt sich auch auf das ganze Fahrverhalten anwenden. Das Mercedes SUV ist kein hyperaktiver Sprinter, sondern ein Batterieauto, mit dem man die täglichen Fahrten unaufgeregt absolviert. Dass die Einstiegsvariante des E-SUVs nur von der vorderen Achse angetrieben wird, stört nur bei forcierten Ampelstarts auf nassem Grund oder wenn es ins grobe Gelände geht. Aber ein Allradler kommt ja noch. Und wohl auch stärkere Varianten mit größeren Energiespeichern für Reichweiten von 500 Kilometern.
Und was kostet der Spaß? Der Netto-Listenpreis in Deutschland beträgt mit Rücksicht auf die BAFA-Förderung (Stichwort: Umweltbonus) 39.950 Preis, der Brutto-Listenpreis 47.540 Euro. Serienmäßig ist vieles bereits an Bord, was laut Mercedes den „progressiven Luxus“ elektrogetriebener Mercedes-Fahrzeuge ausmachen soll. Also etwa das intuitiv bedienbare Infotainmentsystem MBUX mit großen, hochauflösenden Displays und einem leistungsstarken Rechner. Oder auch eine Wärempumpe für das schnelle Aufheizen des Innenraums an kalten Tagen. Head-up-Display und ein Navigationssystem mit Augmented-Reality-Darstellung sind hingegen ebenso aufpreispflichtig wie die Anhängevorrichtung mit ESP-Anhängerstabilisierung, Leichtmetallräder im Tri-Color-Design oder die rosegoldfarbenen Elemente im Innenraum, mit denen sich das Sondermodell Edition 1 schmückt. Auch eine AMG-Ausführung wird es geben., Man kann also getrost davon ausgehen, dass sich die Verkaufspreise für den Mercedes EQA deutlich jenseits der 40.000 Euro einpendeln werden.
Da ist der Premium-Aufschlag dann schon enthalten.