Drohnen können immer mehr: Sie inspizieren Gebäude, beobachten den Verkehr und übernehmen schnelle medizinische Transporte. Sie werden mehr und mehr zu normalen Teilnehmern am Luftverkehr. Zwei Projekte aus Hamburg zeigen beispielhaft, wie dieser Drohnen-Luftverkehr funktionieren könnte. Die Hansestadt ist seit 2018 EU-Modellregion für die Entwicklung ziviler Drohnen- und anderer Luftfahrttechnologien über urbanen Ballungszentren is

Das erste Projekt heißt Medifly und ist ein Drohnensystem für den Transport medizinischer Proben. Hierbei bringen kleine Lastdrohnen Gewebeproben aus Krankenhäusern in externe Labore. Im Fokus des zweiten Projekts steht der Luftverkehr. UDVeo (Urbaner Drohnenverkehr effizient organisiert) soll zu einem Leitsystem für Drohnen führen, das einen regulären Drohnen-Flugbetrieb ermöglicht, der andere Flugzeuge oder Hubschrauber nicht behindert.

Gewebeproben kommen per Drohne

Medifly wird vom Hamburger Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) koordiniert und durchgeführt. Mit dabei sind zwei große Hamburger Krankenhäuser, das Krankenhaus der Bundeswehr und das Marienkrankenhaus. Hinzu kommen Partner aus der Industrie wie Lufthansa Technik und Flynex, eine auf industrielle Drohnenanwendungen spezialisierte Firma. Darüber hinaus bringt die Gesellschaft für Luftverkehrsinformatik (GLVI) ihre Erfahrungen auf dem Gebiet von Flugsicherung und Luftverkehrsmanagement mit.


Ganz fix auch ohne Blaulicht
Nur etwa Schuhkarton groß ist der Transportbehälter, den die kleine Drohne beim Projekt Medifly in den Himmel über Hamburg trägt. Foto: Daniel Reinhardt/ZAL

Bereits im Februar 2020 machten die Entwickler Testflüge mit einer Oktocopter-Drohne von Global UAV. Die Drohne flog sechs Mal zwischen dem Krankenhaus der Bundeswehr im Bezirk Wandsbek und dem Marienkrankenhaus in Hamburg-Mitte hin und her. Die Strecke war fünf Kilometer lang.

Schneller als jeder Rettungswagen

Getestet werden sollte, ob es möglich ist, während einer Operation im Bundeswehrkrankenhaus entnommene Gewebeproben schnell und sicher zur Untersuchung ins Marienkrankenhaus zu bringen. Diese Schnellschnitte fallen während eines chirurgischen Eingriffs häufiger an und müssen noch während der Operation begutachtet werden. Nur so können die Mediziner feststellen, ob beispielsweise während einer Krebsoperation alles krankhafte Gewebe entfernt wurde.

Nun verfügt das Krankenhaus der Bundeswehr aber über keine eigene Pathologie, die diese Untersuchung machen kann. Auch viele andere Krankenhäuser haben keine solche Abteilung. Also bringt ein Rettungswagen die Schnellschnitte in ein Nachbarkrankenhaus mit Pathologie.

Im Stadtverkehr kann das trotz Blaulicht durchaus etwas dauern. Für diese Zeit muss die Operation unterbrochen werden. Der Patient bleibt so lange in der Narkose. Durch den Einsatz von Drohnen könnten diese Narkosezeiten stark gesenkt werden. „Es geht hier um Minuten“, sagte Boris Wechsler, Projektleiter für Medifly bei der ZAL GmbH, Golem.de. „Je älter der Patient ist, desto kritischer wird es.“

Abseits der großen Städte sind längere Straßentransporte noch problematischer. Dort geben Krankenhäuser Gewebeproben erst nach der Operation in die Pathologie eines Nachbarkrankenhauses. Das liegt dann aber meist nicht im benachbarten Stadtteil, sondern in einer weiter entfernten Nachbarstadt. Erst nach der Untersuchung dort können Ärzte entscheiden, ob eine weitere Operation notwendig ist. Für die Patienten bedeutet dies das Risiko zweier chirurgischer Eingriffe.

Ein Drohnen-Transportdienst könnte nicht nur die reine Transportzeit senken. Patienten müssten weniger Zeit in der Narkose verbringen. Außerhalb der großen Städte wäre auch schneller klar, ob die Ärzte ein zweites Mal operieren müssen.

Aufwändige Abstimmungsphase

Die Flugversuche im Februar hatten noch ein zweites Ziel. Sie sollten klären, ob derartige Flüge sicher über dem Stadtgebiet durchgeführt werden können. Die Drohne flog zwar autonom, aber entlang der Route standen Streckenposten, die bei Schwierigkeiten hätten eingreifen können.

Die Flüge waren mit dem Tower vom Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel und der Hamburgischen Landesluftfahrtbehörde abgestimmt. Das erforderte eine monatelange und aufwendige Abstimmungsphase vor den eigentlichen Versuchen. „Die Integration in den regulären Flugverkehr ist noch nicht geklärt. Das soll in der nächsten Projektphase geschehen“, sagte Wechsler.

Es gab noch ein weiteres Problem. Während der Drohnenflüge mussten die Entwickler ständig damit rechnen, dass ein Rettungs- oder Polizeihubschrauber in den für die Drohne reservierten Luftraum einflog.

Automatisierte Luft-Verkehrskontrolle

Hier setzt das Projekt „UDVeo“ an. Die Federführung liegt bei der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr (HSU) in Hamburg. Daneben sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Hamburger Wirtschaftsbehörde sowie Industriepartner beteiligt. Darunter sind neben dem  Chiphersteller NXP weitere, auf Drohnensysteme spezialisierte Firmen. “UDVeo“ ist noch dabei, die Anforderungen an ein Leitsystem zu klären.

Denn bisher fehlt ein solches eigenes Leitsystem. Und über jeden Drohnenflug entscheiden mehrere Behörden. „Ein Pilot, der Drohnen fliegen lassen will, wird von der Stadt als Einzelfall behandelt“, sagt Alexander Fay vom HSU-Institut für Automatisierungstechnik. Das Institut sucht nach geeigneten automatisierungs- und informationstechnischen Lösungen. Außerdem soll UDVeo auch rechtliche Lösungen für den reibungslosen Drohnen-Luftverkehr liefern. Im Moment schränkt die aufwendige Genehmigung für jeden einzelnen Flug nicht nur Anwendungen wie Medifly ein. Es ist auch für die Genehmigungsbehörden ein großer Aufwand.

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Traum vom automatisierten Fliegen

Hinzu kommt, dass immer mehr Drohnenflüge außerhalb des Sichtbereichs der Piloten durchgeführt werden. Bereits in naher Zukunft wird das sogar alltäglich sein. Damit Drohnenflüge sicher bleiben, muss aber der Sichtbereich der Bediener am Boden größer werden. Derzeit hat ein Drohnenpilot keinen Überblick über den Drohnenverkehr außerhalb seines Sichtfeldes. Andere Luftfahrzeuge wie Hubschrauber oder Sportflugzeuge sieht er erst, wenn sie schon recht nahe sind. Selbst ein Kamerasystem an Bord der Drohne, das in verschiedene Richtungen blickt, könnte nicht die gesamte Umgebung abdecken.

Ideal wären automatisierte Lösungen, bei denen ein Drohnennutzer über eine App der Leitzentrale seinen Flugwunsch und seine Flugdaten mitteilt. Algorithmen würden dann ermitteln, ob es Konflikte gibt, bevor sie den Flug genehmigen.

App informiert über die Freigabe des Flugs

Der Nutzer bekäme wiederum über die App mitgeteilt, ob er seinen Flug wie geplant durchführen könnte. Während des Fluges bekäme er auch Daten über andere Flüge. „Planungsänderungen sollen möglich sein, etwa dann, wenn ein Polizei- oder Rettungshubschrauber den Flugweg kreuzt oder landen muss“, sagte Fay. Dafür bräuchte die Stadt Hamburg einen speziellen Drohnenleitstand mit der dazugehörigen Infrastruktur. Dieser Leitstand würde ähnlich funktionieren wie das Leitsystem im Hamburger Hafen oder das für den kommerziellen Luftverkehr.

Letzte Kontrollen vor dem Start
Vorbereitung für einen Testflug für das Projekt Medifly Hamburg. Foto: Daniel Reinhardt/ZAL

Außerdem bräuchten auch die Fluglotsen etwa im Bereich des Hamburger Flughafens ständig aktuelle Informationen über unbemannte Fluggeräte. „Es müsste auf jeden Fall eine Schnittstelle geben, über die die Fluglotsen die genehmigten Drohnenflüge angezeigt bekommen“, sagte Fay.

Die Medifly-Testflüge waren erfolgreich. „Mit der Durchführung der Testflüge haben wir einen großen Schritt für die zukünftige Nutzung von Drohnensystemen getan – und das mitten in der Stadt“, sagte Wechsler. „Wir wissen, was dazu nötig ist und wo man in Zukunft ansetzen muss. Und wir können jetzt schon sagen: Weitere Drohnenprojekte werden folgen.“

Als nächstes planen die Verantwortlichen einen Versuchsflugbetrieb über mehrere Monate. UDVeo steht dagegen erst am Anfang. Für die beteiligten Wissenschaftler stehen zurzeit die genauen Anforderungen an ein Drohnen-Leitsystem im Vordergrund.

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