Die Zukunft fährt elektrisch. Im Autoverkehr auf jeden Fall. Auch bei Fahrrädern: E-Bikes sind ein großer Renner. Aber in der Motorradbranche? Einige große Hersteller haben allenfalls Studien in ihren Designstudios stehen, weit entfernt von jeder Marktreife. BMW zum Beispiel begnügt sich erst einmal mit Elektro-Rollern wie der CE04 und der neue CE02 in der 50er- und 125er Klasse. Von den großen Traditionsmarken schwimmen derzeit gerade mal Harley Davidson und KTM im Strom mit. Kawasaki hat angekündigt „im Laufe der nächsten Jahre“ erste leistungsstarke Motorräder mit Elektroantrieb auf den Markt zu bringen – steht aber wie Yamaha weiterhin zum Verbrennungsmotor und arbeitet an Lösungen mit E- und Bio-Fuels sowie am Wasserstoffantrieb, um das Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen. Honda immerhin will bis 2025 so etwas eine elektrische „Hornet“ für die europäische Führerscheinklasse A2 bis 35 kW (48 PS) auf den Markt bringen

Harley Davidson Livewire
Harley Davidson Livewire

Audi-Tochter Ducati hat mit der V21L derzeit lediglich einen Prototyp vorzuweisen, der seit diesem Jahr in der neuen elektrischen Rennserie MotoE antritt. Für die Markteinführung einer elektrischen Serienmaschine gibt es bei der italienischen Traditionsmarke hingegen noch keinen Zeitplan. „Die Idee gibt es, aber es ist keine kurz- oder mittelfristige“, erklärte kürzlich Markenchef Claudio Domenicali. Der Grund: „Der Käufer einer Ducati mit Elektromotor muss natürlich das gleiche Fahrgefühl und den gleichen Fahrspaß haben wie der Besitzer einer Ducati mit Verbrennungsmotor.“,

Reichweiten von maximal 200 Kilometern

Die Gründe für die Zurückhaltung der Motorradindustrie sind vielfältig und ähnlich wie schon bei den elektrisch angetriebenen Automobilen.

Das Thema Reichweite steht ganz vorne an. Motorräder sind zwar deutlich leichter als Elektroautos – eine Verge TS etwa wiegt gerade mal 245 Kilogramm, ein Tesla Modell Y knappe zwei Tonnen – und kommen so mit gleicher Akkuleistung deutlich weiter. Allerdings lassen sich auf dem sehr viel geringeren Baumraum, den ein Zweirad naturgemäß bietet, auch nur sehr kleine Akkus unterbringen – in einem Auto steht dafür immerhin der ganze Unterboden zur Verfügung. Entsprechend kommen die aktuellen E-Bikes in der Regel je nach Fahrweise nur auf Reichweiten zwischen 100 bis 200 Kilometer. Tourenmotorräder mit Verbrennermotor liegen dagegen problemlos bei gut 400 Kilometer mit einer Tankfüllung. Eine Harley etwa schafft bei einem Tankvolumen von 23 Litern je nach Fahrweise bis zu 330 Kilometer.

Schnell mal laden
Die Lifewire von Harley Davidson verfügt über einen Schnellladeanschluss, über den der 15,5 kWh große Akku in einer Stunde vollständig wieder aufgeladen werden kann. Andere Motorrad-Hersteller sind noch längst nicht so weit. Foto: Harley Davidson
Schnell mal laden
Die Lifewire von Harley Davidson verfügt über einen Schnellladeanschluss, über den der 15,5 kWh große Akku in einer Stunde vollständig wieder aufgeladen werden kann. Andere Motorrad-Hersteller sind noch längst nicht so weit. Foto: Harley Davidson

Apropos Laden. Auch da stehen E-Bikes deutlich länger als die üblichen Modelle mit Verbrennungsmotor. Wenn denn der Ladeanschluss passt. Einige Hersteller verpassen ihren Modellen nämlich immer noch markenspezifische Ladestecker, die an öffentlichen AC-Ladestationen nicht funktionieren. Immerhin: Als Standard-Ladestecker hat sich wie in der Autoindustrie der Typ 2 („Mennekes-Stecker“) etabliert. Kaum verbreitet sind der CCS-Combo-Stecker und der japanische CHAdeMO-Stecker zum schnellen Laden mit Gleichstrom. Immerhin scheint nun langsam Bewegung in das Problem zu kommen. Nachdem Tesla offenbar bereit ist, seine Infrastruktur an Ladesäulen künftig auch für andere Hersteller zu öffnen, kündigte jetzt der finnische E-Bike-Hersteller Verge an, nach dem Marktstart seines Superbikes Ende des Jahres in den USA Teslas 17.000 Ladesäulen nutzen zu wollen.

Hohe Preise und kein Lärm

Und ein Handicap der großen Stromer auf zwei Rädern sind die Preise. Die Preisspanne reicht bei den elektrisch angetriebenen Motorrädern – je nach Leistung – von knapp 8.000 bis rauf zu 55.000 Euro. Staatlich gefördert werden Elektromotorräder in Deutschland eher marginal. Bis 2030 gibt es Geld nur über die Treibhausgas-Quote (THG). Da sind jährlich 200 bis 300 Euro zu holen, je nach THG-Quoten-Abwickler.

Und hinzu kommt letztlich noch ein anderes Thema: Die Akustik. Mehr als ein leises Surren geben elektrisch angetriebene Motorräder nicht von sich. Was die Fortschrittlichen und Umweltbewegten als Fortschritt werten, verdirbt den Traditionalisten den Spaß am Motorradfahren. Deshalb bieten einige Hersteller und Händler bereits Soundmodule an, die dafür sorgen, dass ein Elektro-Bike zumindest ansatzweise wie ein Verbrenner klingt. Über das Headset, das der Fahrer unter dem Helm trägt oder aber auch über Lautsprecher an Front und Heck des Fahrzeugs sowie einen Subwoofer in Fahrernähe. 

CAKE Kalk
CAKE Kalk

Welche E-Bikes sind aktuell oder in absehbarer Zeit in Deutschland zu kaufen? Hier ein kleiner Überblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Harley Davidson

Für seine elektrischen Zweiräder hat Harley Davidson 2021 mit Livewire EV eine eigene Marke kreiert. Seit 2022 in den USA und seit April diesen Jahres auch in Europa verkauft Livewire seine Produkte auf dem Markt. Zunächst gibt es mit der Livewire One nur ein Modell. Sie liefert 78 kW / 106 PS und soll in drei Sekunden von Null auf 100 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 174 km/h. Die Reichweite mit einer Ladung des 15,4 kWh großen Akkus soll bei 153 Kilometern liegen, in der Stadt bei 235 Kilometern. Der Preis: 24.990 Euro.

  • KTM

Mit der Freeride E-XC bietet KTM schon seit 2014 ein E-Bike an – wie es sich für die Marke gehört, eine Enduro. Das selbst für hartes Gelände geeignete Motorrad hat 18 kW / 24,5 PS Leistung und drei einstellbare Fahrmodi: Economy, Enduro und Cross. Mit einer Akkuladung kommt man laut KTM 90 Minuten lang selbst durch raues Gelände. Das Ganze zum Preis von 12.700 Euro.

Verge TS
Verge TS
  • Verge

Der Antrieb der Verge TS aus Finnland ist schon etwas ganz Besonderes. Das nabenlose Hinterrad integriert den ringförmigen Elektromotor in den Felgenkranz. 102 kW / 139 PS und ein Akku mit 20,2 kWh (Ladezeit: 55 Minuten) stehen im Datenblatt, die Reichweite liegt auf der Autobahn bei 200, in der Stadt bei 350 Kilometer. 33.000 Euro kostet der spacige Spaß. Auf satte 54.400 Euro soll später das Superbike TS Ultra kommen. Dafür gibt es dann 150 kW / 204 PS, 1.200 Newtonmeter Drehmoment und einen 21,8 kWh großen Akku, der für 375 Kilometer Reichweite sorgen soll.

  • Energica

Aus dem italienischen Modena kommen gleich vier E-Bikes, produziert von Energica. Dort stellt man bereits seit 2012 elektrisch angetriebene Zweiräder her. Besonders interessant ist die seit Ende 2022 erhältliche Reiseenduro Experia. Das gute Stück kostet zwar von 28.263 an aufwärts, bietet aber auch entsprechende Leistung. Der große 22,5 kWh-Akku ist laut Hersteller in der Stadt gut für eine Reichweite von bis zu 420 Kilometer – überland ist allerdings auch schon nach 220 Kilometer Schluss. Der 75 kW / 102 PS starke Elektromotor beschleunigt die Enduro auf 180 km/h Spitze. Die weiteren Modelle im Programm: Eva Ribelle, Eva Esse Esse 9 und Ego. Sie kosten ab 25.600 Euro und sollen in der Stadt bis zu 400 Kilometer Reichweite schaffen.

Italian Volt Lacama
Italian Volt Lacama
  • Italian Volt

Nach vier Jahren Vorlaufzeit will Italian Volt Ende des Jahres seine elektrische Lacama auf den Markt kommen. Für den Antrieb sorgt ein Axial-Flussmotor, der bis zu 110 kW / 150 PS sowie 230 Nm Drehmoment per Zahnriemen am Hinterrad abliefern soll. Das ermöglicht einen Sprint von 0 auf 100 km/h in unter vier Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h. Die Reichweite soll bei 200 Kilometer liegen. Über die Preise ist noch nichts bekannt, unter der Hand ist von rund 38.000 Euro die Rede.

  • CAKE

Das schwedische Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, das sauberste und umweltverträglichste „Dirt Bike“ der Welt zu bauen – auf der Basis der minimalistisch gestylten Crossmaschine Kalk. Das aktuell 8.970 Euro teure Motorrad mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h verfügt über einen 11 kW starken Elektromotor mit einem maximalen Drehmoment von 280 Newtonmeter sowie einen Lithium-Ionen-Akku, der 2,6 kWh (50 Ampere) Strom speichern kann. Das reicht gerade mal für 85 Kilometer in der Stadt oder drei Stunden auf dem Trail. Bei konstant Tempo 70 müsste schon nach 35 Kilometern wieder nach einer Steckdose gesucht werden – geladen werden der Akku der Cake Kalk nur mit 2,3 kW. Da ist noch viel Luft nach oben.

Alrendo TS Bravo
Alrendo TS Bravo
  • Alrendo

Aus China kommt die TS Bravo – und ist mit 12.000 Euro relativ preiswert. Entsprechend fällt die Leistung auch eher bescheiden aus. Der Motor schafft 20 kW / 27 PS und beschleunigt das Bike auf maximal 135 km/h. Damit sind aus dem Akku mit seinen 17,4 kWh Speicherkapazität je nach Fahrweise immerhin bis zu gut 400 Kilometer Reichweite heraus zu holen.

  • Niu

Ebenfalls aus China: Die RQi GT, die 10.000 Euro kosten soll. Auch da fällt die Leistung eher bescheiden aus: 7,5 kW / 10 PS, 110 km/h Höchstgeschwindigkeit. Zwei herausnehmbare Akkus speichern zusammen 5,2 kWh und sind für eine Reichweite von bis zu 120 Kilometer gut.

  • Horwin

Und noch einmal „Made in China“: Die Crossmaschine HT5 hat acht PS Leistung und schafft im besten Fall 150 Kilometer bis zur nächsten Ladestation. Der Preis für die elektrische Enduro: ab 7.490 Euro

RNTG No.1 Classic SE
RNTG No.1 Classic SE
  • RGNT

Anders als die anderen eher futuristisch designten E-Bikes kommt RGNTs No.1 Classic SE wie der Name schon sagt mit eher klassischer Optik daher. Das elektrische Motorrad aus Schweden wird von einem Nabenmotor im Hinterrad angetrieben, der es dank 21 kW / 29 PS Leistung auf eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 120 km/h treibt. Der 9,5 kWh große Akku reicht für eine Reichweite von148 Kilometer. Zu haben ist die in vielen Details individualisierbare No.1 derzeit ab 12.995 Euro – auch als „Scambler“.

  • Zero

Die größte Auswahl an elektrischen Bikes bietet derzeit der kalifornische Hersteller Zero Motorcycles. Kein Wunder: Zero entwickelt bereits seit 2006 Motorräder mit elektrischem Antrieb. Funfact am Rande: Die Antriebsaggregate liefert dafür die Firma Perm Motors aus dem Schwarzwald.

Zero DSR/X
Zero DSR/X

Die neue DSR/X ist vor allem für Touren gedacht, entsprechend ausgestattet und kostet ab 26.650 Euro. Der Motor kommt auf 75 kW/ 102 PS Leistung und liefert 225 Nm Drehmoment sowie eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Eher bescheiden ist die Reichweite des „Adventure-Bike“: Aus dem (brutto) 17,3 kWh großen Akku lassen sich innerstädtisch 290 Kilometer ziehen, bei konstant 110 km/h auf der Autobahn muss allerdings schon nach 137 Kilometern eine Lademöglichkeit gesucht werden. Zwar gibt es für 3520 Euro Aufpreis einen „Power Tank“ genannten Zusatzakku mit 3,6 kWh, der in einem direkt vor dem Fahrer platzierten 20-Liter-Staufach untergebracht wird. Doch der verlängert die Reichweite nur ein paar Kilometer.

Zusätzlich im Lieferprogramm ist der 82 kW (110 PS) starke Sport-Tourer SR/S mit einer Reichweite von knapp 180 Kilometer zu Preisen ab 26.415 Euro. Des Weiteren gibt es ab 25.575 Euro den sportlichen Zero Streetfighter SR/F mit 110 PS und 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Und die Supermoto Zero FXE schließlich ist mit 133 Kilogramm Gewicht zwar besonders leicht und entsprechend handlich – schafft aber gerade mal 100 Kilometer Reichweite.

(Mit Ergänzungen von Franz Rother)

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2 Kommentare

  1. roland

    Wenn man an einer befahrenen Strasse wohnt, kann der Wandel zu elektro bei den Motorrädern nicht schnell genug gehen. Der Lärm ist bisher die Landplage!

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