NewMotion ist aktuell einer der größten Mobility Service Provider (MSP) in Europa, über den Fahrer von Elektroautos Zugang zu rund 135.000 Ladestationen in 35 Ländern haben – und hat mit Melanie Lane gerade eine neue Chefin erhalten. Das Unternehmen, das vor zehn Jahren in den Niederlanden gegründet wurde und seit Herbst 2017 zum Mineralölkonzern Shell gehört, produziert und vertreibt auch Ladestationen und Wallboxen. Über 50.000 Stück wurden inzwischen europaweit installiert. Darüber hinaus entwickelt NewMotion mit einem eigenen Planungs- und Projektierungsteam Ladelösungen für die Fuhrparks von Unternehmen und Kommunen. Unter anderem ist das Unternehmen Ladepartner von Volvo Car Germany. Das Deutschland-Geschäft leitet seit Sommer 2019 der Wirtschaftsingenieur und ehemalige Shell-Manager Klaus Schmidt-Dannert. EDISON erreichte den 43-Jährigen in seinem Home-Office in Hamburg.

Herr Schmidt-Dannert, Sie sind in der Welt fossiler Kraft- und Schmierstoffe groß geworden, hatten vor ihrem Wechsel zu New Motion auch mehr mit Flugzeugen als mit Autos zu tun. Wie schwer fiel Ihnen die Energiewende?

Sie fiel mir gar nicht schwer. Ich habe mich im Gegenteil sehr auf die Aufgabe gefreut und auf die Chance, in die Neue Energie und Neue Mobilität einzusteigen. Shell hat sich das Ziel gesetzt, innerhalb kürzester Zeit CO2-neutral zu werden. Bei dieser Energiewende mitmachen zu können, ist eine tolle Sache. Ich bin auch gleich selbst in die Elektromobilität eingestiegen.    

In welcher Form?

Ich habe mir einen BMW i3 besorgt. Aktuell fahre ich einen Nissan Leaf. Und in ein paar Wochen kriege ich einen Plug-in-Hybrid unseres Partners Volvo. Ich möchte Elektromobilität selbst erleben und das in möglichst vielfältiger Form, damit ich später auch unsere Kunden beraten zu können. 

Klaus Schmidt-Dannert
Bevor er die Leitung von NewMotion in Deutschland übernahm, war der Wirtschaftsingenieur bei der Muttergesellschaft Shell für die Versorgung von über 20 Flughäfen in Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich. Davor war der Norddeutsche im Schmierstoff-Geschäft von Shell tätig. Nun soll er sich um die Weiterentwicklung des Geschäfts mit Ladepunkten für Elektroautos von Privat- und Geschäftskunden kümmern.
Foto: New Motion

Welche Erfahrungen haben Sie darüber schon gesammelt?

Mit dem i3 bin ich gleich am Anfang von Hamburg nach Berlin gefahren. Das mache ich so schnell nicht wieder. 

Warum das?

Weil die Reichweite nicht mit dem übereinstimmte, was ich erwartet hatte. Wir – meine Frau und ich – sind locker losgefahren und dann schrumpften die Energiereserven doch sehr schnell. Wir haben den geplanten Ladepunkt mit deutlich weniger Restladung erreicht als erwartet. Um nicht ein zweites Mal Laden zu müssen sind wir dann deutlich langsamer gefahren, am Ende mit ausgeschaltetem Radio und ohne Klimaanlage. Als wir den Ladepunkt in Berlin erreichten, hatte der Wagen noch eine Restreichweite von fünf Kilometern. 

Dann wissen Sie inzwischen schon, was Reichweitenangst ist?

Ja, ein wenig schon. Ich hatte zwar keine Schweißperlen auf der Stirn. Aber den sportlichen Ehrgeiz, mit einer Batterieladung möglichst weit und ohne zwischenzuladen ans Ziel zu kommen, habe ich seitdem doch zurückgeschraubt. 

Und einen anderen Fahrstil angewöhnt?

Das auch. Ich nutze gerne immer die Möglichkeit, Energie über die Bremsen zurückzugewinnen. Und ich lade seit kurzem zu Hause, an einem NewMotion-Ladepunkt in der Garage. Deshalb lade ich nur noch auf der Langstrecke an öffentlichen Säulen. Oder ich lasse mich von der Deutschen Bahn fahren – da kann man unterwegs auch noch arbeiten. 

Perfekt. Aber wie hangeln Sie sich durch die Lande, wenn Sie mit einem Elektroauto reisen?

Zum Laden nutze ich natürlich nur unsere eigene App. Ich habe aber auch andere Apps installiert, aber nur zur Wettbewerbsbeobachtung. Aber die Shell Recharge-App bietet alles, was ich brauche. Die reicht mir völlig. Sie ist vor kurzem schöner geworden, einfacher zu bedienen und hat ein paar neue Funktionalitäten dazu bekommen. Da haben die Kollegen etwas Gutes geschaffen.

Öffentliche Ladestationen betriebt NewMotion nicht. Die Schnelllader an den Shell-Tankstellen werden von der Mineralölgesellschaft betrieben…

Wir betreiben durchaus Ladepunkte von Shell Recharge. Von den 150-Kilowatt-Schnellladepunkten sind insgesamt 200 geplant. Die sind auch in unserer App zu sehen.

Frisch herausgeputzt
Die Lade-App Shell Recharge hat NewMotion vor kurzem überarbeitet. Foto: NewMotion

Wo sehen Sie denn dann das Geschäftsmodell von NewMotion?

Wir fokussieren uns auf das Laden daheim, am Arbeitsplatz und die Verbindung von beidem. Das macht ungefähr 80 Prozent unseres Geschäfts aus. Das Angebot wird von unseren gewerblichen Kunden sehr gerne angenommen, zumal es sich auch mit der Shell-Tankkarte kombinieren lässt. Insofern kommt auf einer Rechnung alles zusammen: Die Stromentnahme für das Elektroauto aus dem privaten Netz, beim Hybrid auch der Spritverbrauch. Das ist sehr bequem, sowohl für den Fahrer wie für das Unternehmen, das das Fahrzeug zur Verfügung stellt. Und wenn die Schnelllader von Shell stehen, bieten wir eine Komplettlösung im eigenen Netz. Aber schon jetzt haben unsere Kunden über unsere NewMotion-Karte Zugang zum größten Ladennetz in Europa. Durch weitere Roaming-Partnerschaften wollen wir dieses in den kommenden Monaten noch weiter ausbauen. 

Das ist der Teil Mobility Service Provider. Was passiert im Bereich CPO – wie will sich NewMotion als Ladepunktbetreiber positionieren?

Indem wir uns auf den Bereich AC fokussieren, auf smarte Ladepunkte, an denen Wechselstrom geladen werden kann. 

Welches Geschäft hat das größere Umsatzpotenzial? 

Wir wollen hier wie da wachsen. Wenn die Bundesregierung eine Million Elektroautos auf die Straße bringen will, werden bald 20 Prozent der Fahrzeuge elektrisch angetrieben sein. Daraus ergibt sich ein riesiger Markt für unsere Ladekarte. Und es braucht dafür natürlich auch ein viel, viel größeres Ladenetzwerk – mit Ladepunkten daheim und in den Unternehmen. 

NewMotion versteht sich also, wenn man so will, primär als Ladepartner der Profis?

So könnte man es formulieren, ja. Wir arbeiten mit vielen großen Unternehmen zusammen, reden praktisch mit allen Autoherstellern und sind ja bereits Partner für die Recharge-Fahrzeuge von Volvo. Daraus ergeben sich viele Verbindungen B2B2B und B2B2C.

Reine Privatkunden…

… bedienen wir primär über unsere lokalen Wiederverkäufer vor Ort. Aber das Gros sind Geschäftskunden.

„Ich denke die Phase ist vorbei, in der Elektroautos ausschließlich von Enthusiasten bewegt wurden, die zehn oder mehr Ladekarten haben, um ein oder zwei Cent beim Strompreis sparen zu können.“

Klaus Schmidt-Dannert

Dienstwagenberechtigen sind es gewohnt, über eine Tank- oder Ladekarte von einem Partner Sprit oder Strom zu beziehen. Glauben Sie, dass sich Privatkunden auf diese Art vertraglich binden lassen?

Warum nicht? Je einfacher der Lade- und Bezahlvorgang ist, desto komfortabler ist doch das Ganze. Ich denke die Phase ist vorbei, in der Elektroautos ausschließlich von Enthusiasten bewegt wurden, die zehn oder mehr Ladekarten haben, um ein oder zwei Cent beim Strompreis sparen zu können. Wir gehen jetzt in die Phase der Massenadaption der Technik und damit treten auch Gewöhnungseffekte ein: Man weiß, wo man Strom zapfen kann und auch, was er dort so ungefähr kostet. Die Verfügbarkeit der Ladepunkte wird aber wichtiger sein als der Preis. 

Die Tarifmodelle sind aktuell noch sehr unterschiedlich, die Preisunterschiede zum Teil sehr groß. Was halten Sie für einen angemessen Preis für eine Kilowattstunde Gleichstrom am Schnelllader? 79 Cent?

Das kann weh tun, in der Tat. Aber ich glaube, so pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten. Es hängt von Interessenlagen ab. An Supermarkttankstellen ist der Sprit meist um einige Cent günstiger obwohl er dort nicht billiger eingekauft wird. So ähnlich wird es wahrscheinlich künftig auch an den Ladepunkten: Je nach Lage und Situation wird der Strompreis höher oder niedriger sein. Der Markt wird das schon regulieren. Der Kunde kann sich mit Hilfe der Apps ja schnell orientieren. Und wenn an allen Ladepunkten der Strom Kilowattstunden-genau abgerechnet wird, sind Vergleiche ja viel einfacher. 

Lesen Sie im nächsten Kapitel, was Klaus Schmidt-Dannert über Abwrackprämien und CO2-Steuern denkt.

Artikel teilen

3 Kommentare

  1. gerd

    BMW i3 auf Langstrecke? da ist halt die Aerodynamik viel zu schlecht. da hilft auch keine Kohlefaser.

    Antworten
    • i_Peter

      Die Aerodynamik beim BMW i3 ist gar nicht so schlecht mit einem cw-Wert von 0,29. Es kommt auch nicht nur auf den cw-Wert, sondern auch sehr auf die Stirnfläche des Fahrzeuges an, die einen ebenso großen Einfluß auf den gesamten Luftwiderstand hat. Und hier ist der i3 ebenfalls gut dabei mit einem schmalen Karosserieaufbau (der auch beim Einparken in der City hilft) und mit sehr schmalen Reifen, die über einen großen Durchmesser trotzdem für die notwendige Fläche für eine gute Traktion sorgen. Die optimale Autobahngeschwindigkeit des i3 liegt bei 120-130 km/h (Verhältnis aus Verbrauch und Ladeleistung). Das entspricht der Richtgeschwindigkeit in Deutschland und ist zugleich die maximal erlaubte Geschwindigkeit in allen anderen europäischen Ländern (vielleicht bald auch in Deutschland?). Man kann also gut mit dem i3 auf lange Autobahnstrecken gehen. Man sollte nur nicht den Anfängerfehler machen, und versuchen mit möglichst wenigen Ladehalten zu fahren. Das endet dann in Fahrten ohne Klimaanlage und Radio. Also: lieber zügig fahren, dann kommt man am schnellsten an. Und am letzten Schnelllader vor Ende der Reichweite wieder auf 85% laden. Darüber wird der Ladevorgang zäh und man verliert Zeit. Und dann vielleicht noch eine wenige Minuten lange Schnellladung kurz vor dem Ziel, damit man auch vor Ort noch Bewegungsspielraum hat, um wieder zum ersten Schnelllader auf der Rückfahrt zu kommen.
      😉
      Bin selber mit dem BMW i3 schon bis zu 1.000 km an einem Tag gefahren: von der Schweizer Grenze bis kurz vor Dänemark. Story hier: https://www.facebook.com/peter.bering/posts/10209273499474963

      Antworten
  2. Duesendaniel

    „Ich denke die Phase ist vorbei, in der Elektroautos ausschließlich von Enthusiasten bewegt wurden, die zehn oder mehr Ladekarten haben, um ein oder zwei Cent beim Strompreis sparen zu können.“
    Lieber Herr Schmidt-Dannert, es geht bei den Preisunterschieden nicht um ein oder zwei Cent, sondern um 54(!) Cent pro KWh.
    Da die Kilowattstunde aktuell bei Ionity mit 79ct mehr als das Dreifache dessen kostet, was ich z.B. als Energiekunde bei Maingau zahle, lohnen sich mehrere Karten und ständige Vergleiche noch immer. Und da ich mit meinem älteren Auto noch nicht so schnell laden kann, kommt die Minutenabrechnung von Nee Motion bzw. Shell sowieso nicht in Frage.
    Und wenn Herr Schmidt-Dannert die Strecke Hamburg-Berlin in einem Stück fahren möchte, sollte er es mal mit einem Tesla Long Range versuchen. Da muss er dann auch nicht langsam fahren oder Radio und Klimaanlage ausschalten. Wenn ich die Möglichkeiten einer Technologie kennenlernen möchte, schaue ich mir doch zuerst den Technologieführer an, oder nicht?

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert