Die Pläne sind ambitioniert und spannend. Mit elektrischen Flugtaxen wollen Lilium und Volocopter die Mobilität in den Großstädten dieser Welt revolutionieren. Mittlerweile sind aber dunkle Wolken am Himmel über den beiden deutschen Start-ups aufgezogen. Lilium Air Mobility musste einen Insolvenzantrag stellen und Volocopter in Bruchsal soll der chinesischen Autoherstellers Geely mit einer Finanzspritze das Unternehmen vor einem ähnlichen Schicksal retten. Platzt also nun der Traum vom Fliegen unter Strom? 

Trotz der aktuellen Probleme mancher Unternehmen hält Jürgen Greil das Konzept der eVTOLs – elektrisch angetriebene, vertikal startende und landende Fluggeräte – für zu wichtig, um es komplett abzuschreiben. „Allerdings muss der Ansatz der richtige sein“, sagt der CEO und Mitbegründer des Start-ups FlyNow. Der gebürtige Oberösterreicher spricht mit einem feinen Dialekt und wie ein Mensch, der von seiner Idee überzeugt ist.

Versuchsträger 
Auf dem Flughafen Salzburg steht ein erster Protoyp des leichten eCopters für den Transport eines Passagiers. Foto: FlyNow
Versuchsträger
Auf dem Flughafen Salzburg steht ein erster Protoyp des leichten eCopters für den Transport eines Passagiers. Foto: FlyNow

Während Lilium und Volocopter die bekannten elektrischen Kameradrohnen zu kleinen Passagier-Flugzeugen mit mehreren hundert Kilometer Reichweite hochskalieren wollten, beschreitet Greil mit seiner Truppe genau den entgegengesetzten Weg: Er geht vom Hubschrauber aus und „schrumpft“ diesen zu kleinen Fluggeräten, die maximal zwei Personen und bis zu 200 Kilogramm transportieren können.

Infrastruktur billiger als die für Auto oder Bahn

Die Ideenschmiede in der dieses Konzept reift, sitzt in einem schmucklosen Bürogebäude im Salzburger Stadtteil Itzling. Jürgen Greil und sein 15-köpfiges Team tüfteln dort seit bald fünf Jahren an elektrischen Flugdrohnen. Die Wände sind unverputzt, von den Decken strahlen Neonröhren und in den Büros köcheln Filterkaffeemaschinen. Für den Luft- und Raumfahrttechniker und Inhaber des Pilotenscheins ist der Blick über den Tellerrand essenziell.

Das betrifft vor allem den Transport durch die Luft, der laut dem Journal of Aviation/Aerospace Education & Research (JAAER) mit Infrastrukturkosten von durchschnittlich 1,6 Cent pro Personenkilometer billiger ist als das Auto (2,1 Cent) oder ein Personenzug (13,4 Cent). „Die Chinesen haben das verstanden und investieren deshalb in Flughäfen“, erklärt Greil.

"Mans Cave" 
In die kleine Kabine des eCopters von FlyNow passenden maximal zwei Personen. Aber auch schon bei einer Belegung mit einer Person kann es eng werden, wie unser Autor bei einer Sitzprobe in Salzburg feststellen musste.
„Mans Cave“
In die kleine Kabine des eCopters von FlyNow passenden maximal zwei Personen. Aber auch schon bei einer Belegung mit einer Person kann es eng werden, wie unser Autor bei einer Sitzprobe in Salzburg feststellen musste.

Der Ingenieur hat in der Vergangenheit für verschiedene Autohersteller wie Opel, Porsche, Great Wall Motor und BMW gearbeitet und war einer der führenden Köpfe hinter dem Elektroauto BMW i3 und dem Hybrid-Sportler i8. Deshalb bringt er bei seinem FlyNow-Projekt auch Automobil-Ingenieure und Flugzeugtechniker zusammen. „Die einen arbeiten effizient und achten auf die Kosten während die anderen primär das Gewicht und die Aerodynamik im Blick haben“, sagt er. Wenn die Ideen aus zwei Welten auf ein Ziel ausgerichtet sind, sollte das klappen. Ausgetretene Pfade erneut zu betreten, ergibt für ihn keinen Sinn. Das zeigen die Schicksale der bisherigen Senkrechtstarter, von denen die meisten aufgrund der Komplexität der Konstruktion gescheitert sind.

Zwei Elektromotoren übereinander

Deshalb greift FlyNow neben aerodynamischen Konzepten, wie etwa denen der Nurflügler-Pioniere Reimar und Walter Horten aus Bonn, auch auf die Koaxialrotor-Technik zurück: Zwei sich gegenläufig drehende Rotoren machen einen weiteren am Heck überflüssig machen. Der Rotorkopf samt Rotorblättern eines klassischen Helikopters besteht aus etwa 100 Teilen. Beim FlyNow eCopter sind es inklusive aller Kleinteile wie Bolzen und Schrauben gerade mal 18.

Die beiden E-Motoren sitzen übereinander und die großen Blätter drehen mit einer Geschwindigkeit von 650 und 750 Umdrehungen pro Minute. Das ist relativ langsam und geschieht leise. Es ist aber kräftig genug, um ausreichend Masse in die Luft zu bewegen. Die Rotorblätter sind obendrein anders geformt als bei einem konventionellen Hubschrauber.

Puzzle aus 18 Teilen 
Bis zu 300 Meter hoch und über alle Staus hinweg soll der eCopter von FlyNow dereinst fliegen, ultraleicht und ultraleise, zu den Kosten eines konventionellen Taxis. Ein Pilot wird nicht benötigt, das Teil fliegt vollautonom. Computerbild: FlyNow
Puzzle aus 18 Teilen
Bis zu 300 Meter hoch und über alle Staus hinweg soll der eCopter von FlyNow dereinst fliegen, ultraleicht und ultraleise, zu den Kosten eines konventionellen Taxis. Ein Pilot wird nicht benötigt, das Teil fliegt vollautonom. Computerbild: FlyNow

Um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten, ist jeder der beiden Elektromotoren vierfach redundant konstruiert. Das bedeutet jeweils vier unabhängig voneinander arbeitende Statoren, Leistungselektroniken und eine getrennte Stromversorgung. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Maschine ausfällt, ist deshalb so gering wie bei einem Passagierflugzeugen. Und selbst wenn eine der beiden Maschinen den Geist aufgibt, kann der eCopter mit der anderen immer noch zum nächsten Notlandeplatz fliegen.

Erster Personen-Flug erst 2028

In einer Garage in Puch bei Salzburg, die Greil schmunzelnd seine „Man’s Cave“ nennt, nehmen wir in einem Prototyp Platz. Auch hier riecht es nicht nach Hightech, sondern nach Arbeit. Die Pläne sind deswegen nicht weniger ehrgeizig. Seit Juli 2023 laufen erste Tests auf dem Flughafen Salzburg. Der erste Flug, bei dem Fracht transportiert wird, soll 2027 stattfinden. Erst wenn dieses System zuverlässig funktioniert, steigen Menschen in die kleinen Helikopter. Läuft alles nach Plan, soll das nach aktueller Planung Ende 2028, Anfang 2029 soweit sein.

Österreich ist für ein solches Unterfangen deutlich geeigneter als Deutschland, weil es in der Alpenrepublik mit der Austro Control eine zuständige Behörde mit einem klar definierten Ansprechpartner gibt. Die deutsche Behördenstruktur nennt Greil höflich „föderal“. Der teutonische Amtsdschungel sei dicht, es gebe viele Bestimmungen und viele Verantwortliche mit wenig Entscheidungskraft.

eCopter zum Preis einer Mercedes E-Klasse

Die Drohne besteht größtenteils aus Carbon und hat ein Leergewicht von rund 360 Kilogramm. Die Batterie hat eine Kapazität von 38 Kilowattstunden, von denen 75 Prozent für den Flugbetrieb genutzt werden – 25 Prozent verbleiben als Reserve. Daraus ergibt sich eine Flugstrecke von etwa 50 Kilometer. Die bemannten Drohnen sollen im Grunde Taxifahrten ersetzen – zu einem ähnlichen Preis. Das gilt auch für das Fluggerät, das nur so viel wie eine Mercedes E-Klasse kosten soll. Das wären um die 60.000 Euro.

„Eine Hubschrauberstunde kostet etwa 2.000 Euro. Wenn man den Preis auf 200 Euro pro Stunde drücken kann, wird es interessant“, rechnet er vor. Der Flug vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen dauert bei einer Reisegeschwindigkeit von 115 km/h bzw. durchschnittlich 80 km/h inklusive Start und Landung rund 16 Minuten. Ein Pilot ist nicht vorgesehen. Auch keiner, der durch die Künstliche Intelligenz dargestellt wird. Ein solches System sei zu aufwendig und koste jede Menge Energie – bis zu einem Drittel der Reichweite würde sie fressen.

Luftnummer
Auch Volocopter schraubt am Flugtaxi für die Stadt. Der Helikopter mit 18 Rotoren hat bereits Testflüge über Dubai, Las Vegas und Süddeutschland absolviert. 300 Kilometer soll die Reichweite betragen. Grafik: Volocopter
Luftnummer
Auch Volocopter schraubt am Flugtaxi für die Stadt. Der Helikopter mit 18 Rotoren hat bereits Testflüge über Dubai, Las Vegas und Süddeutschland absolviert. 300 Kilometer soll die Reichweite betragen. Grafik: Volocopter

„Für eine vorgegebene Route, die immer wieder abgeflogen wird, braucht man keinen KI-Piloten. Ein dummes Teil macht in der Regel keine Fehler“, weiß Greil. Also übernimmt wie bei einem Flugzeug ein Autopilot die Steuerung. Das ist ein grundlegender Unterschied zum autonomen Fahren, bei dem das Auto je nach Situation selbst entscheidet.

Maximal 300 Meter Flughöhe

Geitet werden die Drohnen während des Fluges von mehreren unabhängigen Satellitensystemen, wie etwa Galileo, Kopernikus oder das bekannte GPS. Sodass immer ein Lotse vorhanden ist, auch wenn einer mal ausfallen sollte.

Senkrechtstarter am Boden
Einen vollelektrischen Senkrechtstarter für den Stadtverkehr hat Lilium entwickeln. Mit 300 Kilometer Reichweite, fünf Passagier-Plätzen und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h zählt es zu den ambitioniertesten Flugtaxi-Projekten. Grafik: Lilium
Senkrechtstarter am Boden
Einen vollelektrischen Senkrechtstarter für den Stadtverkehr hat Lilium entwickeln. Mit 300 Kilometer Reichweite, fünf Passagier-Plätzen und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h zählt es zu den ambitioniertesten Flugtaxi-Projekten. Grafik: Lilium

Besonders herausfordernd ist die Landung. Hier helfen zum einen eine Echtzeitkinematik, bei der die Präzision durch den Abgleich der Position mit mehren Satellitendaten erzielt wird. Selbstverständlich wacht eine Flugsicherung über die Reise und der Passagier kann per Funk jederzeit mit einem FlyNow-Experten Kontakt aufnehmen. Die kleinen Helikopter können fast überall landen, selbst auf Flachdächern von Büro- und Wohngebäuden. Beim Parken werden einfach die Rotorblätter hochgeklappt.

Während des Fluges bewegt sich der Kleinhubschrauber in Korridoren auf vorgegeben Routen in Höhen zwischen 500 und 1.000 Fuß, also rund 150 bis 300 Meter. Durch das besondere Design sind die Fluggeräte trotz einer Spitzengeschwindigkeit von 130 km/h extrem leise – sie verursachen einen Lärmpegel von lediglich 55 Dezibel.

Einsätze an 275 Tagen im Jahr

Das Prinzip der Flugtaxis ähnelt dem von Uber. Man bucht per App einen Flug und die Software sucht im Hintergrund die nächste verfügbare Drohne aus. Dabei spielen Parameter wie die Batterieladung und Entfernung zum Passagier eine Rolle. Das Aufladen der Akkus erfolgt während der Wartezeit. Da ein Passagierwechsel mindestens acht Minuten dauert und die Batterie zu Beginn der Flugschicht vollständig gefüllt ist, reicht eine Ladeleistung von 33 kWh völlig aus.

Jeder eCopter von FlyNow soll etwa fünf Stunden am Tag in Betrieb sein und dabei insgesamt rund 400 Kilometer pro Tag zurücklegen. Fliegen sollen sie an 275 Tagen im Jahr. Das bedeutet, dass die Akkus nach etwa 14 Monaten gewechselt werden müssten. Das Ziel von FlyNow ist es nicht, den Pkw-Verkehr in der Stadt komplett zu ersetzen – zehn Prozent weniger Straßenverkehr wären schon ein spürbarer Fortschritt. Ein eCopter ersetzt nach der Kalkulation des Firmengründers rund zehn Pkws. Mal schauen, welche Stadt davon am ehesten profitiert. Greil führt derzeit Gespräche in Saudi-Arabien – 2034 findet dort die Fußball-Weltmeisterschaft statt.

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