Für ZF Friedrichshafen wird 2020 zum „Wendejahr“. Der Autozulieferer, der mit einem Umsatz von 36,5 Milliarden Euro zu den größten Herstellern von Antriebs- und Fahrwerkstechnik zählt, wird die Entwicklungsarbeiten an konventionellen Antrieben einstellen und sich deutlich stärker als schon bisher auf die Elektromobilität fokussieren. „Die Zukunft gehört elektrischer Antriebstechnik. 2030 erwarten wir, dass rund 40 Prozent aller Neufahrzeuge weltweit mit einem Hochvoltantrieb ausgestattet werden, also batterieelektrische Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride sind“, sagte Stephan von Schuckmann, Leiter der Sparte Pkw-Antriebstechnik, bei einem Presse-Workshop. Die übrigen Fahrzeuge dürften zumindest über ein 48-Volt-Bordnetz verfügen, also Mildhybride sein.
Die Corona-Seuche, führte er aus, habe die gesamte Autoindustrie in eine tiefe Krise gestürzt. Aber sie werde die Transformation der gesamten Branche nun beschleunigen. Schuckmann: „Die Elektromobilität nimmt immer mehr Fahrt auf “ – und ZF werde seinen Teil dazu beitragen, das Tempo zu beschleunigen. Denn der Klimawandel schreite weiter voran. Und die Politik erwarte zurecht, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag leiste, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.
Verschärfung der CO2-Flottenziele droht
Die Elektrifizierung der Pkw-Antriebe ist für den ZF-Manager insofern gewissermaßen alternativlos. Dass die scharfen CO2-Flottenziele etwa der EU wegen der Corona-Krise aufgeweicht oder hinausgezögert werden, erwartet Schuckmann nicht. Im Gegenteil: Der „Green Deal“ von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dürften nach seiner Einschätzung eher zu einer weiteren Verschärfung führen. Fahrzeughersteller, die sich nicht rechtzeitig darauf einstellten, drohten milliardenschwere Strafzahlungen.
Die Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Mobilität ist für ZF allerdings nicht das batterieelektrische Auto, sondern der Plug-in-Hybrid. „PHEVs“, so Schuckmann, „sind Wegbereiter der E-Mobilität – wenn“, so schränkte er ein, „so häufig wie möglich geladen und vor allem rein elektrisch betrieben werden.“
Damit das passiert, will ZF die Technologie weiter optimieren. Etwa mit einem neuen Getriebe, das 2022 auf den Markt kommt und nur noch halb so schwer und 42 Prozent kleiner ist, also weniger Bauraum benötigt. Das über ein verbessertes Kühlsystem verfügt und mit nur noch 1,8 Litern Hydrauliköl auskommt. Das vor allem aber effizienter arbeitet. Das allein schon könne die Reichweite eines PHEVs um fünf Prozent steigern. Optimierungspotenziale gebe es obendrein in den Achsantrieben, bei den Bremsen und beim Energiemanagement. In Summe seien Effizienzsteigerungen um rund 15 Prozent möglich. Ein PHEV mit einer Hochvolt-Batterie von etwa 20 Kilowattstunden (kWh) Speicherkapazität komme so auf eine elektrische Reichweite von 100 bis 120 Kilometern. Damit könnten leicht 75 Prozent aller Pendlerfahrten emissionsfrei zurückgelegt werden – „ohne jede Reichweitenangst“, wie Entwicklungschef Michael Ebenhoch versicherte.
Große Elektroautos eine Fehlentwicklung?
Batterieautos mit großen Batterien für große Reichweiten halten die Experten von ZF aus verschiedenen Gründen für eine Fehlentwicklung. Weil die Herstellung der Mega-Akkus enorme Ressourcen und Energien verschlinge. Und weil es unwirtschaftlich sei: Je größer die Batterie, desto schwerer werden die Fahrzeuge und desto höher die Kosten für die Einsparungen bei den CO2-Emissionen. ZF kalkuliert beim Batterieauto bis zu Jahr 2025 mit Kosten von über 60 Euro für jedes eingesparte Gramm CO2, beim PHEV hingegen nur von etwas mehr als 40 Euro.
Beim einem Fahrzeug der Luxusklasse mit 500 Kilometern bedeute dies Zusatzkosten in einer Größenordnung von 14000 Euro, wenn die Antriebsenergie allein aus einer Batterie komme. Die Zusatzkosten für einen wiederaufladbaren Hybridantrieb hingegen würden sich in der Fahrzeugklasse lediglich auf etwa 4500 Euro beschränken. Bei Kompakt- und Kleinwagen mit einer Reichweite von 250 sei der Unterschied deutlich geringer. Soll heißen: Hier macht das batterieelektrische Fahren aus Sicht des Autozulieferers am meisten Sinn.
Die Klimabilanz der Teilzeitstromer leidet derzeit allerdings noch darunter, dass die PHEVs nicht artgerecht bewegt, in erster Linie aus steuerlichen Gründen gekauft werden. Das Ladekabel der Fahrzeuge wird viel zu selten genutzt, was den Energie- und Klimabilanz deutlich verschlechtert. ZF will mit Hilfe der Telemetrie dafür sorgen, dass der Elektroantrieb des Autos häufiger genutzt wird.
„Elektrische Erlebniswelten“ per Telemetrie
So könnten anhand der GPS-Daten, die das Fahrzeug aussendet, Wohnbereiche entlang der Strecke durch „Geofencing“ zu Elektro-Fahrzonen deklariert werden, in denen der Verbrennungsmotor automatisch ausgeschaltet wird. Oder man könnte auf der Basis der Nutzungsdaten intelligente Leasing- oder Versicherungsverträge anbieten, bei denen die Konditionen von der Zahl der Ladevorgänge oder auch von den Fahrgeschwindigkeiten abhängen.
Die Experten in Friedrichshafen haben sich schon einige pfiffige Geschäftsmodelle für neue „elektrische Erlebniswelten“ (Ebenhoch) ausgedacht. Die Frage wird sein, ob sie von den Autofahrern auch angenommen werden.
Interessanter Artikel, der das Desaster mancher deutscher Automobilhersteller/Zulieferer aufzeigt. Statt auf die Autobahn zu Wechseln und das Fahrzeug schnell auf einen neuen Kurs zu bringen, bleiben wir auf der gemütlichen Landstraße und ruhen uns weiter auf den Erfolgen der Vergangenheit aus. 😔
„ Große Elektroautos eine Fehlentwicklung?“ Eine These, deren Diskussion in meinen Augen wieder mal nur Kunden verunsichert und wertvolle Zeit kostet, die besser in Zukunftsprojekte investiert werden sollte. Mancher deutsche Autohersteller und Zulieferer mag etwas geschlafen und übersehen haben, dass während seines Dornröschenschlafs andere innovative Hersteller im Ausland, die eben nicht nur die Probleme sondern Chancen sehen, mittlerweile die e-automobile Zukunft gestalten. Da kann man natürlich noch weiterschlafen wollen und dazu Argumente konstruieren um nicht so schnell aufstehen zu müssen, das Spiel kennen wir ja von unseren Kindern 😩, alt bekannte Verzögerungstaktik, die aber leider am Ende nichts bringt. Die deutschen Kunden sind glücklicherweise mittlerweile gut informiert, sehen an (leider meist ausländischen) Beispielen wie gut das voll-elektrische Fahren tatsächlich heute schon funktioniert und haben bereits eine brauchbare stetig wachsende Auswahl an eMobil-Alternativen, mit dem einen großen Problem, dass diese immer noch zu selten einer deutschen Wertschöpfung entspringen, abgesehen vielleicht von den deutschen Ingenieuren und Managern die sich, mangels deutschem Interesse, in USA und China engagieren, wo Ihre Ideen nicht zerredet sondern gefördert werden!
Besser wäre doch Entwicklungen voran zu treiben und Entscheidungen zu treffen, die sich später eventuell als falsch herausstellen, als zu schlafen und nichts dazu zu lernen, um dann vom Prinzen mit dem „T“ auf der Brust unsanft geweckt und möglicherweise auch noch geheiratet zu werden.
Meinung eines überzeugten und begeisterten BEV-Fahrers (i3)
Die Entwicklung der PHEV-Marktanteile finde ich extrem spannend.
Ich vermute, das wird ein Strohfeuer für maximal 3 Jahre.
Die paar privaten PHEV-Fahrer in meinem Umfeld wollen alle asap auf BEV umsteigen. Insofern helfen PHEV auf dem Weg zum BEV. Die Frage ist nur, ob die BEV-Käufer dann bei deutschen Herstellern bleiben.
Der Zielgruppe der Dienstwagenversteuerer-PHEV-Fahrer wird nur so lange am Ball bleiben, bis auch diesem Schwindel gesetzliche Grenzen gesetzt werden. Das wäre allerdings jetzt schon überfällig.