Am 23. April 2023 hatte sich hoher Besuch bei GAC angekündigt. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping besuchte den Automobilhersteller in Guangzhou, um sich persönlich über den Stand der technologischen Entwicklung zu informieren. Höflich, aber bestimmt erinnerte der Staatslenker die Ingenieure daran, mit Spitzenleistungen den Erfolg des Unternehmens zu sichern. Schließlich hält die Volksrepublik 60 Prozent der Anteile an der Guangzhou Automobile Group (GAC).

Die Techniker nehmen sich Xis Worte zu Herzen und planen jeden Schritt minutiös. Hauruck-Aktionen bringen ohnehin nichts. Nur ausgereifte Produkte haben Aussicht auf Erfolg. Sei es beim Heimspiel in China oder in Europa und vor allem in Deutschland. „Wir wissen, dass vor allem Deutschland ein sehr anspruchsvoller Markt ist“, sagt GAC-International-Präsident Haigang Wei.

Gefällige Erscheinung 
Mit dem Aiyon Y Plus haben die Ingenieure aus Guangzhou ein Elektroauto auf die Räder gestellt, das nach den ersten Eindrücken von der Testfahrt auch in Europa Abnehmer finden könnte. Fotos: GAC
Gefällige Erscheinung
Mit dem Aiyon Y Plus haben die Ingenieure aus Guangzhou ein Elektroauto auf die Räder gestellt, das nach den ersten Eindrücken von der Testfahrt auch in Europa Abnehmer finden könnte. Fotos: GAC

Dem freundlichen und aufgeregten Manager nimmt man diese Worte ab. Im persönlichen Gespräch unterstreicht Wei noch einmal die Strategie der maßvollen Schritte. Nicht gleich ins Haifischbecken Deutschland springen, wo sich andere chinesische Hersteller wie BYD oder Great Wall Motor gerade die Zähne ausbeißen. Also nimmt GAC zunächst kleinere Länder wie Polen oder Norwegen ins Visier, schaut sich dort die Gewohnheiten und Wünsche der Autofahrer an, ehe man sich in die europäische Autofahrernation Nummer eins wagt. Bei diesem ganz besonderen Tigersprung sind die Produkte das A und O. Wenn Qualität und Fahrverhalten nicht stimmen, wird es schwer.

Konkurrenz für Skoda Elroq und Kia EV3

Den GAC Aion V und den GAC Aion UT haben wir schon unter die Lupe genommen und waren durchaus angetan. Zum einen vom Preis-Leistungs-Verhältnis und zum anderen vom Fahrverhalten. Die Männer aus Guangzhou lassen ihren Worten Taten folgen und bereiten sich akribisch auf den Markteintritt vor. Der E-Crossover Aion Y, der hierzulande mit dem neuen Skoda Elroq (ab 33.900 Euro) und dem Kia EV3 (ab 35.990 Euro) konkurrieren wird, komplettiert den vermutlichen chinesischen Euro-Dreiklang.

Das Wort „vermutlich“ bezieht sich auf den Aion Y. Während der GAC Aion V die Speerspitze bildet, gefolgt vom GAC Aion UT, stehen hinter dem kompakten BEV-SUV Y aktuell noch ein paar Fragezeichen. Denn der Crossover basiert auf der etwas älteren AEP 2.0-Plattform (Architecture Electric Platform). Und da müssen die Techniker noch ein paar Hürden bezüglich der Cybersecurity nehmen, die ihnen die EU auferlegt hat.

Familien-Stromer
In China ist der 4,53 Meter lange Elektro-Crossover mit der Geräumigkeit eines Vans bereits ein Bestseller. Der Kofferraum des Fronttrieblers fasst bei voller Bestuhlung 510 Liter, bei umgelegter Rücksitzbank passen bis zu 1200 Liter rein.
Familien-Stromer
In China ist der 4,53 Meter lange Elektro-Crossover mit der Geräumigkeit eines Vans bereits ein Bestseller. Der Kofferraum des Fronttrieblers fasst bei voller Bestuhlung 510 Liter, bei umgelegter Rücksitzbank passen bis zu 1200 Liter rein.

Das Unterfangen dürfte gelingen, da der Stromer auch in Europa das Zeug zum Erfolg hat. In China ist der Crossover mit der Geräumigkeit eines Vans bereits ein Bestseller. Das Zeug dazu hat der 4,53 Meter lange Karosserie-Hybrid auch bei uns auf alle Fälle. Das liegt sicher auch an den Platzverhältnissen in der Fahrgastzelle. Denn der Aion Y holt aus dem Radstand von 2,75 Metern alles raus. Im Fond kann man sich so richtig bequem hinlümmeln und die Beine fast vollständig ausstrecken.

63,2 kWh-Akku für 430 Kilometer Reichweite

Richtig cool ist der Kino-Modus des Gestühls: Will man den zentralen Bildschirm nutzen, um einen Hollywood-Blockbuster zu genießen, legt man die Lehnen der Vordersitze flach nach hinten und verwandelt das Gestühl so in eine luxuriöse Ottomane. Fehlt nur noch das Popcorn. Da hilft es, dass die Akkus des Aion Y auch Vehicle to Load (V2L) ermöglichen, also als Energiequelle für Haushaltsgeräte verwendet werden können. Das bedeutet: Popcorn-Maschine anwerfen und ab dafür!

Power ist genug vorhanden. Die LFP-Batterie (Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator) hat eine Kapazität von 63,2 Kilowattstunden, was im Fahrbetrieb für eine Reichweite von 430 Kilometern nach dem WLTP-Zyklus gut sein soll. Das ist eine ordentliche Reichweite, aber auch nicht rekordverdächtig. Die Ladeleistungen sind mit 80 kW (Gleichstrom) und 6,6 kW (Wechselstrom) allerdings zu gering, um den etablierten Herstellern gefährlich werden zu können. Da muss dringend nachgebessert werden.

Chinesisches Einerlei
Wie beim GAC Aion UT bildet ein 14,6-Zoll-Touchscreen die Kommandozentrale des Infotainments. Auch die Menüstruktur ist identisch.
Chinesisches Einerlei
Wie beim GAC Aion UT bildet ein 14,6-Zoll-Touchscreen die Kommandozentrale des Infotainments. Auch die Menüstruktur ist identisch.

Im Gegensatz zur chinesischen Version ist die europäische Variante mit einem 150 kW / 204 PS starken PSM-Motor (permanenterregter Synchronmotor) ausgestattet, der ein maximales Drehmoment von 225 Newtonmetern generiert und damit die Vorderräder antreibt. Das passt zum gutmütigen Fahrverhalten des E-Crossovers, der sich nur mit gnadenlosem Vorsatz zum Untersteuern bewegen lässt.

Fahrwerk an europäischen Geschmack angepasst

Das Fahrwerk ist bereits dem europäischen Geschmack angepasst und straffer ausgelegt als in China. Statt einer Asphalt-Dschunke, die von Bodenwelle zu Bodenwelle schaukelt, merkt man so, was unter den Rädern passiert. Für die Lenkung gilt ähnliches. Besser ist aber noch nicht gut: Etwas mehr Präzision und Mitteilungsfreude sollten machbar sein. Für eine bessere Beurteilung müssen wir den GAC Aion allerdings auf europäischen Straßen auf Herz und Nieren prüfen.

Wie beim GAC Aion UT bildet ein 14,6-Zoll-Touchscreen die Kommandozentrale des Infotainments. Auch die Menüstruktur ist identisch: Auf der linken Seite befindet sich die Leiste für die Kategorie, rechts daneben wird die Feineinstellung vorgenommen. So aktiviert man die üblichen Fahrmodi, definiert die Stärke der Rekuperation und aktiviert beispielsweise die 360-Grad-Kamera. Dass der GAC Aion Y eine Klasse über dem UT rangiert, merkt man auch am digitalen Instrumentendisplay, das 10,25 statt 8,8 Zoll misst.

Preise von unter 30.000 Euro

Bleibt noch der Preis. In China startet der GAC Aion Y bei umgerechnet knapp 13.500 Euro, in Indonesien beginnt der Spaß bei circa 24.500 Euro. In Europa dürfte es aufgrund der EU-Strafzölle etwas teurer werden – beim Importeur Ludego ist für die Basisversion „Junior“ ein Betrag von 25.600 Euro vorgesehen, für die Topversion „Smart Leader“ mit großem Akku eine Summe von 29.400 Euro. Ein CCS-Anschluss zum schnellen Strom-Laden für 600 Euro kommt obendrauf.

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