Der große Rausch ist erst einmal vorbei. Vor drei Jahren ging es in der Produktionshalle von Heidelberg Amperfield in Walldorf-Wiesloch hoch her. In drei Schichten wurden hier pro Tag bis zu 600 Wallboxen der Typen „Home Eco“ und „Energy Control“ montiert, getestet und verpackt, auf fünf Produktionslinien und mit 100 Mitarbeitern. „Alles, was wir bauten, war auch gleich verkauft“, erinnert sich der Technische Leiter Ulrich Grimm schmunzelnd an jene „verrückte“ Zeit.

Das Förderprogramm 440 der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hatte die Nachfrage von Hausbesitzern nach Wandladestationen vom Start weg enorm gesteigert – stärker noch als die nach Elektroautos. Immerhin gab der Bund einen Zuschuss von 900 Euro pro Gerät und Ladepunkt – bei Geräten mit mehreren Lademöglichkeiten entsprechend mehr. Da konnte man sich einen Ladeanschluss schon mal auf Vorrat legen lassen.

Auf zu neuen Ufern 
Amperfied-CEO Davide Ghione, Stratege Florian Franken, Technikchef Ulrich Grimm und Produktmanager Josip Jovic mit den Wallboxen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren in großen Stückzahlen verkaufte. Bilder: Amperfied
Auf zu neuen Ufern
Amperfied-CEO Davide Ghione, Stratege Florian Franken, Technikchef Ulrich Grimm und Produktmanager Josip Jovic mit den Wallboxen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren in großen Stückzahlen verkaufte. Bilder: Amperfied

Rund 689.980 Anträge bewilligte die KfW zwischen November 2020 und Oktober 2021 – dann war das Budget von 800 Millionen Euro aufgebraucht und beendete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (wie es damals noch hieß) das Förderprogramm. Mit der Folge, dass bei Heidelberg Amperfield wieder ruhigere Zeiten anbrachen. Sehr ruhige Zeiten: Heute werden in Halle 7 am Tag nur noch rund 300 Geräte im Einschichtbetrieb hergestellt. Die Fertigungskapazität ist damit zu weniger als einem Drittel ausgelastet.

Hohe Lagerbestände drücken die Preise

Rund 200.000 Wallboxen hat die Heidelberg-Tochter Amperfield über das Förderprogramm verkauft und darüber einen Marktanteil von etwa 20 Prozent in Deutschland erobert. Und zusammen mit den drei großen Wettbewerbern Mennekes, Keba und Alfen bildet Amperfield immer noch die Spitze der deutschen Hersteller von Ladetechniken für den Heimgebrauch. Aber allein leben könnte das Unternehmen davon heute nicht mehr leben.

„Im Segment Technology Solutions machten sich die Kaufzurückhaltung bei Wallboxen aufgrund des Auslaufens des Förderprogramme in Deutschland und ein entsprechend langsamer Abbau von Händlerbeständen bemerkbar“, hieß es dazu im Quartalsbericht des Mutterkonzerns. Auch die nach wie vor langen Lieferzeiten für Elektroautos wirkten sich negativ auf die Nachfrage aus. Mit der Folge, dass sich die Auftragsbestände halbiert haben und der Umsatz im 1. Quartal des Geschäftsjahres 2023/2024 von zehn auf zwei Millionen Euro sank.

Denn weil der deutsche Markt gesättigt und die Läger im Handel voll sind, können Wallboxen nur noch mit hohen Preisnachlässen abgesetzt werden. So wird die „Energy Control“ statt für 795 Euro von manchen Händlern für weniger als 300 Euro verkauft, die „Home Eco“ statt für 449 Euro auch schon mal für rund 200 Euro.

Geschäftskunden sollen „Vakuum“ füllen

Neue Anwendungsfelder, Produkte und Einnahmequellen müssen also her. Dafür sorgen soll Davide Ghione. Der ehemalige Fiat- und Tesla-Manager aus Italien übernahm im Sommer vergangenen Jahres die Geschäftsführung. Im Auge hat der vor allem das Flottengeschäft und das öffentliche und halböffentliche Laden am Arbeitsplatz und den Parkplätzen von Unternehmen. In Deutschland und auch darüber hinaus, in den Alpenrepubliken Österreich und Schweiz, in Italien, Spanien und den Benelux-Ländern. Ghione sieht hier noch große Potenziale, denn der Markt für Elektroautos werden nach dem „Vakuum“, das durch die Beendigung der staatlichen Förderung in Deutschland entstanden sei, wieder wachsen.

Flottenlösung 
Mit der "connect public" hat Amperfied eine Ladesäule entwickelt, die mit 22 kW Ladeleistung und einer Schnittstelle für Backbone-Lösungen für den Betrieb großer Flotten von Elektroautos in Firmenfuhrparks perfekt zugeschnitten ist.
Flottenlösung
Mit der „connect public“ hat Amperfied eine Ladesäule entwickelt, die mit 22 kW Ladeleistung und einer Schnittstelle für Backbone-Lösungen für den Betrieb großer Flotten von Elektroautos in Firmenfuhrparks perfekt zugeschnitten ist.

Und damit auch die Nachfrage nach intelligenten Ladelösungen, smarten Wallboxen und damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Ghione: „Wir sind dank der Stärken von Heidelberg auf dem Gebiet der Leistungselektronik als Hersteller von Wallboxen gestartet. Nun expandieren wir zu einem Systemanbieter für kommerzielle und öffentliche Lade- und Flottenmanagementlösungen mit Fokus auf wachstumsstarke Marktsegmente.“

Mit der „connect.business“ hat Heidelberg Amperfied seit vergangenem Jahr bereits eine AC-Wallbox mit 11 kW Ladeleistung im Markt, die speziell für gewerbliche Flotten, Dienstwagen sowie Hotellerie- und Gastronomiebetriebe entwickelt wurde. Sie verfügt über einen eichrechtskonformen Stromzähler für eine Kilowattstundengenaue Abrechnung, ein RFID-Lesegerät und über eine Standard-Schnittstelle zur Anbindung an ein Backend-System für ein ausgeklügelten Management von E-Auto-Flotten und Energieströmen. Mit der neuen „connect.public“ und der „smartEVo duo“ kommen nun auch barrierefreie Ladesäulen mit 22 kW Ladeleistung und jeweils zwei Ladepunkten hinzu – zu Preisen um die 7500 bzw. 4500 Euro.

Software ermöglicht neue Services

Damit sollen Unternehmen leicht Ladeparks für ihre Mitarbeiter errichten können – und mit einem Backend, das Amperfied zusammen mit einem Software-Spezialisten entwickelt hat, steuern und verwalten. Festlegen lässt sich über das Computerprogramm, wer Zugang zu den Ladeplätzen erhält und zu welchen Konditionen. Zudem ist es darüber auch möglich, die Stromtankstellen zu gewissen Zeiten öffentlich zugänglich zu machen, diese auch zu bestimmten Zeiten zu reservieren und mit dem Verkauf von Ladestrom Zusatzeinnahmen zu generieren, wie Produktmanager Josip Jovic bei einem Pressetermin erläuterte.

„Unser Ansatz ist, den Übergang zur Elektromobilität so reibungslos wie möglich zu gestalten, egal, ob ein Privatkunde eine einzelne Wallbox benötigt oder ein Fuhrparkmanager eine integrierte Lösung zum Laden mehrerer Fahrzeuge“, erklärte CEO Ghione. Damit das nicht an hohen Kosten scheitert – der Aufbau eines Ladeparks mit über einem Dutzend 11 kW-Steckdosen kann leicht einen sechsstelligen Betrag verschlingen – will er Geschäftskunden auch künftig ein Mietmodell anbieten: Für 3000 Euro im Monat und 151 Euro pro Ladeplatz ist dann nicht nur die Installation, sondern auch die Wartung der Technik inklusive. Über die gesamte Lebensdauer einer Ladestation von acht bis zehn Jahren hinweg. „Unternehmen können sich damit aufs Kerngeschäft konzentrieren“, wirbt Florian Franken, der bei Amperfied für die strategische Geschäftsentwicklung verantwortlich ist.

Eigentlich läge auch ein Einstieg von Amperfied in das Geschäft mit Schnellladesäulen nahe – Druckmaschinen werden schließlich mit Gleichstrom betrieben, Heidelberg hat hier eine große Kompetenz. Ghione, darauf angesprochen, lächelt verschmitzt. „Ja, auch darüber denken wir nach“. Die Platzhirsche auf diesem Markt – ABB, Alpitronic und Tritium – brauchen sich jedoch keine Sorgen zu machen: In Wiesloch denken sie eher an 50 kW-Station denn an Highpower-Charger 350 kW Ladeleistung und mehr.

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