Mercedes hat kürzlich einen neuen „Drive Pilot 95“ vorgestellt, ein knapp 8842 Euro teures Assistenzsystem, das es den Fahrern von Luxusautos wie den EQS-Stromern erlaubt, auf Schnellstraßen auch längere Zeit die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Um die E-Mail zu checken, auf dem Zentralbildschirm einen Film zu schauen oder ganz entspannt mit geschlossenen Augen durch die Landschaft zu sausen. Allerdings nur mit Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 95 km/h rund auf der rechten Fahrspur – dort, wo sich sonst nur Busse und Lastwagen herumtreiben.

Möglich macht das hochautomatisierte Fahren auf Level 3 eine Armada an Kameras, Antennen und Sensoren unterschiedlichster Art, ein Mikrofon (zum erkennen von Polizei- und Feuerwehrsirenen) – sowie ein Lidar-Scanner in der Fahrzeugfront. Das „Light Detection and Ranging“ (Lichterkennung und Entfernungsmessung)-System tastet mit Laserstrahlen permanent die Umgebung vor dem Fahrzeug ab, um Gegenstände auf der Fahrbahn zu erkennen und die Abstände zu anderen Verkehrsteilnehmern und Fahrbahnbegrenzungen millimetergenau zu ermitteln. Auch bei Nacht und wenn es regnet.

Kreiselnder Laserstrahl 
Das neue, besonders kompakte Lidar-System OT128 von Hesei bestreicht die Umgebung des Fahrzeugs bis zu einer Entfernung von 200 Metern. 3,45 Datenpunkte werden dabei pro Sekunde erfasst, auch bei Nacht und im Regen. Foto: Hesei
Kreiselnder Laserstrahl
Das neue, besonders kompakte Lidar-System OT128 von Hesai bestreicht die Umgebung des Fahrzeugs bis zu einer Entfernung von 200 Metern. 3,45 Datenpunkte werden dabei pro Sekunde erfasst, auch bei Nacht und im Regen. Foto: Hesai

Lidar-Systeme, da sind sich die Experten einig, sind für das hochautomatisierte Fahren unverzichtbar. Erst recht für vollautonom fahrende Robo-Taxen oder -Trucks, also Pkw und Lastwagen, die komplett ohne Fahrer auskommen und trotzdem sicher ans Ziel kommen. Und die Technik wird immer besser, kompakter und zuverlässiger. Der chinesische Hersteller Hesai stellte auf der IAA Tansportation eine neue Langstrecken-Lidar-Einheit vor mit einer Lebensdauer von über 30.000 Stunden und einer Rundum-Überwachung bis zu einer Entfernung von 200 Metern. Der OT128 erfasst pro Sekunde mehr als 3,45 Millionen Datenpunkte mit höchster Präzision.

Selbst schwarze Autos in der Nacht oder Reifen auf der Fahrbahn – die für allein kamerabasierte Systeme wie die bei Tesla – nur schwer zu erkennen sind, werden von dem System sauber erfasst, versicherte im Gespräch mit EDISON Tobias Leibfried, der für die Robotik-Geschäfte von Hesai in Europa, im Mittleren Osten und Afrika verantwortlich ist. Die größten Potenziale für die Technik sieht er im Nutzfahrzeuggeschäft – der Fahrermangel im Transportgewerbe hat bereits dazu geführt, dass auf großen Container-Terminals wie in Rotterdam inzwischen in großer Zahler vollautonom fahrende Transporter unterwegs sind.

Stark fallende Preise machen Systeme massentauglich

Leibfried: „Wir sehen da ein starkes Wachstum.“ Und das nicht nur auf abgesperrten Flächen: Im US-Bundestaat Texas nehmen Ende des Jahres autonom fahrende Lastwagen den Frachtverkehr auf. Auf der Interstate 45 sollen dann mit 25 Lidar-, Radar- und Kamerasensoren ausgestattete Sattelschlepper der Marke Peterbuilt fahrerlos zwischen Dallas und dem 400 Kilometer entfernten Houston verkehren. „Stark fallende Preise aufgrund sinkender Produktionskosten machen die Systeme massentauglich“, prognostiziert der deutsche Hesai-Manager. So bestehe der neue Lidar OT128 aus 66 Prozent weniger Bauteilen als das Vorgängermodell – die Produktionszeit sank dadurch um über 95 Prozent. Eingesetzt werde das System unter anderem vom Schweizer Spezialisten Embotech bei speziellen Terminal-Trucks, wie sie bereits durch den Zürcher Innovationspark kurven.

 Smarte Antwort auf den Fahrermangel
Der Terminal-Traktor YT193 des Hamburger Spezialfahrzeugherstellers Terberg kann mithilfe eines Sensor-Kits von Embotech, zu dem auch ein Lidar-System von Hesai zählt, vollautonom auf abgesperrtem Gelände fahren. Foto: Terberg
 Smarte Antwort auf den Fahrermangel
Der Terminal-Traktor YT193 des Hamburger Spezialfahrzeugherstellers Terberg kann mithilfe eines Sensor-Kits von Embotech, zu dem mehrere Lidar-Systeme von Hesai zählen, vollautonom auf abgesperrtem Gelände fahren. Foto: Terberg

Und das mechanische OT128-System (mit einem auf einem Teller rotierenden Laser) ist nur ein Lidar-System von Hesai Technology. Die Chinesen liefern mit dem FT120 auch einen (noch kleineren) Festkörper-Lidar mit einer Punktgeschwindigkeit von bis zu 384.000 Punkten pro Sekunde, der sich gut in die Karosserie von Pkw integrieren lässt – aber auch nur bis zu 100 Meter weit reicht. „Dafür kann hier aber auch nichts so schnell kaputt gehen, weil es keine beweglichen Teile gibt“, erklärt Leibfried den Unterschied.

Und wie schnell werden wir vollautonom fahrende Autos sehen, die wie der Mercedes nicht nur über die Autobahn schleicht? „Das liegt nicht allein in unseren Händen“, sagt der Hesai-Manager. „Die Autoindustrie muss sich schneller bewegen“ – und vor allem die Politik in Europa: „Sie setzt doch sehr hohe Hürden.“

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