Wenn Chinas Staatschef Xi Jinping auf Staatsbesuch ist, steigt er in eine Limousine der Marke Hongqi (zu Deutsch: Rote Fahne). So will es die Tradition, die den Asiaten heilig ist. Schließlich ist das 1958 gegründete Unternehmen die älteste Automarke Chinas. Schon der Staatsgründer Mao Tse Dong nutzte eine Hongqi-Limousine. Staatstragender geht es kaum. Da verwundert es wenig, dass der automobile Stolz des Reichs der Mitte nun auch in Europa Erfolg haben will.

An Selbstbewusstsein mangelt es den Hongqi-Managern jedenfalls nicht. „The new Luxury of the World“ (dt.: Der neue Luxus der ganzen Welt) lautet das Motto des Autobauers. „Nicht nur China“, fügt der Chef des internationalen Geschäfts, Hongtao Liu, mit einem Lächeln hinzu. Deutlicher kann man die Ambitionen kaum formulieren.

New Luxury 
Auch ohne großen Kühlergrill weiß der knapp fünf Meter lange Hongqi EH7 auf sich aufmerksam zu machen.
New Luxury
Auch ohne großen Kühlergrill weiß der knapp fünf Meter lange Hongqi EH7 auf sich aufmerksam zu machen.

Designer Giles Taylor, der schon bei Rolls-Royce den Zeichenstift geschwungen hat und seit 2018 für die Luxusmarke des chinesischen FAW-Konzerns tätig ist, schlägt in die gleiche Kerbe. „Der Mercedes EQE ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht“, erklärt der Brite, ohne mit der Wimper zu zucken. Rumms! Das sitzt. Für ihn gehört die Ansicht, dass sich Autos durch den Kühlergrill unterscheiden, der Vergangenheit an. Beim Elektro-SUV HS9, der vor zwei Jahren schon in Norwegen eingeführt wurde, galt das allerdings noch nicht.

Teslas Model S im Visier

Aber nehmen wir den Hongqi-Formgeber beim Wort. Der EH7 hat keinen Kühlergrill. Check. Allerdings unterscheidet die Front der 4,98 Meter langen Limousine mit den schmalen LED-Scheinwerfern nicht großartig von den meisten anderen Limousinen aus Fernost. Ganz anders das Heck. Die U-förmige-3-D-Grafik der Rückleuchten macht den EH7 zumindest nachts zum Gesicht in der Menge.

Alles andere als langweilig 
Das zwei Quadratmeter große Panorama-Glasdach sorgt für angenehmes Licht im Innenraum. Ein Head-up-Display fehlt aber.
Alles andere als langweilig
Das zwei Quadratmeter große Panorama-Glasdach sorgt für angenehmes Licht im Innenraum. Ein Head-up-Display fehlt aber.

Schauen wir uns mal den Innenraum an. Sobald es um diesen geht, knöpft sich Giles Taylor Tesla vor und verpasst dem Interieur des US-Autobauers das Etikett „langweilig“. Die Aussage des Designers ist schon deshalb interessant, weil der Hongqi EH7 dem Tesla Model S das Leben schwer machen will. Beim Wohnzimmer-Feeling kann die Rote Fahne mit den Amerikanern mithalten, auch wenn die von uns getestete Version nicht zwingend den ultimativen Luxus verströmt. Das zwei Quadratmeter große Panorama-Glasdach sorgt für angenehmes Licht auf allen Plätzen.

253 kW starker Heckantrieb

Das Armaturenbrett ist mit leicht unterschäumten Leder bezogen und die aufgrund des oben und unten abgeflachten Lenkrads interessant geformte Kombination der Displays erfüllt ihren Zweck. Immerhin blickt der Fahrer auf digitale Instrumente. Ein 15,5-Zoll-Touchscreen gehört in China ja fast schon zum guten Ton.

Ein Head-up-Display war bei unserem Testfahrzeug nicht vorhanden. Wir sind auch so prima zurechtgekommen. Die Menüführung des Infotainments ist in typischer China-Manier gestaltet: Links klickt man die Kategorie an und rechts wählt man die gewünschte Einstellung. Alles vertraut, aber dennoch mussten wir das eine oder andere scrollen und eine Weile suchen. Da wird es die europäischen Autofahrer freuen, dass man das Smartphone mit Android Auto oder Apple CarPlay einbinden kann.

Schaukelkiste
Das konventioneller Stahlfahrwerk ist recht weich abgestimmt. Bei Bodenunebenheiten wippt die Karosserie deshalb nach.
Schaukelkiste
Das konventioneller Stahlfahrwerk ist recht weich abgestimmt. Bei Bodenunebenheiten wippt die Karosserie deshalb nach.

Die lange, verstellbare Lenksäule erleichtert das Finden der idealen Sitzposition, und ein leichter Tritt auf das Fahrpedal genügt, um loszurollen. Die von uns getestete Version der China-Limousine hat Hinterradantrieb und 253 kW ( 344 PS) Antriebsleistung. Bei den Topmodellen kommt dann noch eine E-Maschine vorne mit 220 kW oder 299 PS dazu.

85 kWh-Akku für 510 Kilometer

Doch die PS-Power unseres EH7 ist mehr als ausreichend: Auch in Eco ist die Limousine richtig flott unterwegs, so dass man mit leichtem rechten Fuß unterwegs ist und so Strom spart. Passt also. Anders sieht die Sache mit dem Stahlfahrwerk aus. Das ist typisch chinesisch weich abgestimmt, was ja per se nichts Schlechtes ist. Allerdings wippt die Karosserie bei Bodenunebenheiten nach. Hier müssen die Techniker noch nachbessern.

Typisch Limousine
Der Kofferraum reicht tief in die Karosserie hinein, allerdings ist die Luke hinter dem elektrischen Kofferraumdeckel Limousinen-typisch relativ klein, was das Beladen nicht gerade erleichtert. Immerhin ist der Frunk vorne vergleichsweise groß.
Typisch Limousine
Der Kofferraum reicht tief in die Karosserie hinein, allerdings ist die Luke hinter dem elektrischen Kofferraumdeckel Limousinen-typisch relativ klein, was das Beladen nicht gerade erleichtert. Immerhin ist der Frunk vorne vergleichsweise groß.

Besser schaut die Sache schon bei den Akkus aus. Die Batterie hat eine Kapazität von 85 Kilowattstunden, was für 510 Kilometer reicht. Trotz der 400-Volt-Technik soll der EH7 laut Hongqi an einer Schnellladesäule mit bis zu 250 kW Strom tanken und die Energiespeicher in rund 25 Minuten von zehn auf 80 Prozent füllen. Das sind nominell gute Werte.

Kampfpreis von 40.000 Euro

Gut ist auch die Raumökonomie. Bei einer Länge von fast fünf Metern und einem Radstand von drei Metern findet man überall im Auto mehr als ausreichend Platz. Wie es im Reich der Mitte üblich ist, vor allem hinten rechts. Der Kofferraum reicht tief in die Karosserie hinein, allerdings ist die Luke hinter dem elektrischen Kofferraumdeckel Limousinen-typisch relativ klein, was das Beladen nicht gerade erleichtert. Immerhin ist der Frunk vorne vergleichsweise groß. Durchaus üppig ist auch die Serienausstattung. Unter anderem sind ein adaptiver Tempomat, ein Toter-Winkel-Warner, eine 360-Grad-Kamera und ein Spurhalteassistent ab Werk verbaut.

Bei uns in den Handel soll die Elektro-Limousine noch im Oktober – zu einem Kampfpreis von 40.000 Euro. Damit konkurriert der Chinese eher mit dem deutlich kompakteren Model 3 von Tesla – das mit einer Länge von 4,70 Metern deutlich kompakter ist. Das könnte spannend werden.

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