Mit ihren Studien waren sie auf den Autoshows in Peking oder Shanghai in den letzten Jahren ein steter Garant für herzhaftes Gelächter. Denn egal ob sich Hongqi jetzt an feudalen Limousinen oder fetten SUV versucht hat – immer sahen die Messe-Modelle aus wie eine Mischung aus Kopie und Karikatur europäischer Luxusliner. Mal wollten sie offensichtlich Maybach nachempfinden, mal Bentley und mal Rolls-Royce.
Doch so langsam dürfte den Edelmarken aus Europa das Lachen im Halse stecken bleiben. Denn daheim in China verkauft der Luxus-Ableger der FAW-Gruppe mittlerweile mehr als 300.000 Autos im Jahr. Und im Ausland machen die Chinesen, die ihren Namen „Rote Fahne“ mit einer flammenden LED-Signatur im mächtigen Kühlergrill stolz vor sich hertragen, neuerdings mit einem gewaltigen Elektro-SUV von sich Reden.
Während der erste Stromer bei Bentley und Rolls-Royce noch aussteht und die SUV-Version des Mercedes EQS auch noch nicht im Handel ist (und dann 2023 zum Maybach geadelt wird), locken die Chinesen die zahlungskräftige Eliten mit dem e-HS9 längst auf die Electric Avenue. In Norwegen steht der Luxusliner bereits am Flughafen und an der Ladesäule. Und wenn alles nach Plan läuft, soll die vollelektrische Rote Fahne bald auch bei uns im Fahrtwind auf der linken Spur wehen.
Viel Lametta und großes LED-Feuerwerk
Übersehen kann man den edlen Exoten dabei kaum. Und dafür braucht es nicht einmal eine der markanten Zweifarblackierungen, die in China der letzte Schrei sind. Als wäre das Format von gut 5,20 Metern Länge nicht schon auffällig genug, haben die Chinesen den Wagen auch noch mit mehr Lametta behängt als die Weihnachtsbäume, mit denen sie in Shanghai oder Peking so gerne falsche Weihnachtstimmung aufkommen lassen: Ein Kühlergrill groß und funkelnd wie ein Wasserfall, flankiert von messerscharfen LED-Leisten vorn, dazu hinten ein rotes LED-Feuerwerk wie am chinesischen Neujahrsfest. Selbst der neue BMW i7 wirkt dabei dezent. Und der Rolls-Royce Cullinan ist plötzlich nicht mehr der einzige Blickfang auf dem Boulevard.
Dass der HS9 dabei in der Silhouette mehr als ein bisschen an den BMW X7 und in seinem Prunk durchaus an den Rolls-Royce Cullinan erinnert, hat einen einfachen Grund: Designchef bei der FAW-Tochter ist kein geringer als Giles Taylor, der zuvor bei Rolls-Royce in Goodwood den Stift geführt hat. Und sein Schreibtisch steht auch nicht in Changchun, sondern wie zu BMW-Zeiten in München, wo Hongqi nun schon seit bald fünf Jahren ein Design- und Entwicklungszentrum betreibt.
Designchef Taylor arbeitete früher für Rolls-Royce
Die europäischen Wurzeln merkt man dem chinesischen Riesen auch beim Fahren an. Natürlich ist der Luxusliner sehr komfortabel ausgelegt. Die Luftfederung bügelt auch die schlimmsten Sünden des Straßenbaus tapfer glatt und die Lenkung ist so leichtgängig, dass man den Koloss mit dem kleinen Finger auf Kurs halten kann. Doch wirkt der Wagen immer und überall solide, seriös und souverän. Weder der Sprintwert von 4,9 Sekunden noch das Spitzentempo von 200 km/h machen einem Sorge. Das war bei vielen China-Stromern schon anders.
Die feine Fahrt genießt der Hongqi-Kunden in einem feudalen Ambiente aus Lack und Leder, das gekonnt zwischen traditioneller Handwerkskunst bei den Steppnähten auf den Polstern oder den Silberstreifen in den Holzvertäfelungen und den digitalen Anforderungen der Generation iPhone balanciert. Denn natürlich gibt es überall kabellose Ladeschalen oder wenigstens USB-Stecker. Und selbstredend schaut der Fahrer in eine riesige Bildschirmlandschaft, die sich auf Wunsch auch bis vor den Beifahrer erstreckt. Zusammengenommen sehen die drei 16-Zoll-Displays deshalb fast genauso imposant aus wie etwa der Mercedes-Hyperscreen.
Lack und Leder
Dazu gibt es riesige Sessel, natürlich mit Klima- und Massage-Funktion und sogar mit Kuschelkissen vor der Kopfstütze. Nur Platz bietet der HS9 überraschend wenig. Nein, eng wird es natürlich nicht bei 5,20 Metern Länge und 3,11 Metern Radstand. Doch weil es den Wagen daheim auch als Verbrenner gibt, steht er nicht auf einer Skateboard-Plattform. So verschenkt er den Aha-Effekt, den man etwa bei der ersten Sitzprobe im Mercedes EQS SUV erlebt. Auch mit der Kopffreiheit ist es nicht ganz so weit her. Und wer den HS9 als Sechs- oder Siebensitzer bestellt, braucht für die dritte Reihe gelenkige Mitfahrer. Immerhin gibt es genügend Platz. Denn schon bei voller Bestuhlung passen noch drei Koffer hinter die Heckklappe. Und im Bug gibt’s schließlich auch noch einen großen Frunk.
Lack und Leder und jede Menge Luxus – das ist bei der „Roten Fahne“ gute Tradition. Schließlich war Hongqi die erste Marke im Reich der Mitte und hat ihr Geschäft 1958 mit umgebauten amerikanischen Prunklimousinen für die Partei- und Funktionärs-Elite begonnen. Mit dem e-HS9 werfen sie den Blick allerdings nicht zurück, sondern nach vorn und montieren deshalb einen leistungsstarken E-Antrieb.
90 kWh-Akku für bis zu 450 Kilometer
Schon das Basismodell fährt mit je einem 160 kW-Motor pro Achse und einem netto 77 kWh großen Akku, der auf eine WLTP-Reichweite von 380 Kilometern kommen soll. In den beiden gehobenen Versionen gibt es je 160 und 245 kW Antriebsleistung, die sich zu einer Systemleistung von bis zu 405 kW vereinen. Die Akku-Kapazität beträgt dann netto 80 oder 90 kWh, mit denen bis zu 450 Kilometer Reichweite möglich sein sollen. Eine Version mit 120 kWh-Batterie für 690 Kilometer Reichweite soll später folgen.
So imposant die Leistungsdaten sind, so schwach ist allerdings die Performance beim Laden. Onboad schafft der Hongqi nur 11 und an der Gleichstromsäule gerade mal 100 kW – das ist alles andere als Oberklasse. Aber immerhin können sich Hongqi-Fahrer mit einer hübschen Anzeige über die Zeit trösten: Statt erst aufs Handy schauen zu müssen, erkennen sie an der in Chrom gefassten LED-Leiste hinter der Hecktüre auf den ersten Blick, wie voll der Akku mittlerweile wieder ist.
Preise beginnen bei 61.500 Euro
Der HS9 ist allerdings nicht nur deutlich vornehmer und in vielerlei Hinsicht moderner als die meisten Autos, die es bislang sonst aus China zu uns geschafft haben. Sondern er ist auch sehr viel teurer. Nicht umsonst beginnen die Preise in Norwegen bei umgerechnet rund 61.500 Euro. Aber damit liegen sie noch immer gute zehn Prozent unter dem BMW iX, der obendrein deutlich kleiner ist.
Verglichen mit gewöhnlichen Geländewagen wird der e-HS9 dann gar – den strengen Steuervorschriften im hohen Norden sei dank – dann gar vollends zum Schnäppchen: Denn schon ein BMW iX M60 kostet mehr als doppelt so viel und für einen Rolls-Royce Cullinan zahlt man in Oslo oder Stavanger beinahe das Fünffache.
Was wiegt dieses Ding, 3 Tonnen? Solche Klötze zur Aufwertung des eigenen Egos braucht kein Mensch und schon gar nicht aus China. Bei allem technischen Interesse, das ich immer habe, sollte man sich beim Kauf doch einmal fragen, was für ein Regime man damit unterstützt. Spätestens seit dem Ukrainekrieg sollte doch jeder begriffen haben, dass man solchen Ländern nicht zu viel Macht geben sollte.
Zur Technik muss ich sagen, dass 100KW Ladeleistung völlig aus der Zeit gefallen ist. Ein EQS schafft mehr als doppelt so viel.
Auf der Autobahn wird man nicht mehr als 350 km schaffen und diese Auspuffblenden sind einfach nur zum Fremdschämen.